In Deutschland erlebt die Schwarzarbeit einen Boom / Foto: Jens Gyarmaty

Schwarzarbeit breitet sich aus - Schattenwachstum

Vom Friseur bis zum Fliesenleger: In Deutschland breitet sich Schwarzarbeit immer stärker aus. Der Staat reagiert mit Kontrollen und Strafen. Dabei hat er die Ursachen dafür selbst geschaffen.

Autoreninfo

Carsten Korfmacher ist Wirtschafts- korrespondent von Nordkurier und Schwäbischer Zeitung in Berlin.

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„Ich gehöre wohl zu den letzten Idioten, die in diesem Land noch Steuern zahlen.“ Sätze wie dieser fallen immer wieder, wenn man derzeit mit Handwerkern, Kellnerinnen oder Pflegekräften spricht. Frust scheint sich wie ein Virus unter Deutschlands Beschäftigten auszubreiten. Ursachen dafür sind nicht nur die erdrückende Steuer- und Abgabenlast. Auch die Einführung des Bürgergelds trägt zur Unzufriedenheit in der arbeitenden Bevölkerung bei. Es geht nicht darum, ob Bürgergeldempfänger tatsächlich oft mehr Geld zur Verfügung hätten als Arbeitnehmer. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die Arbeitsleistung durch den Lohn ausreichend honoriert wird, um den Verlust von Zeit auszugleichen. Mit anderen Worten: In einem immer großzügigeren Sozialstaat gerät das einem funktionierenden Arbeitsmarkt zugrunde liegende Gleichgewicht zwischen den Ressourcen Zeit, Geld und Leistung aus den Fugen.

Noch gibt es keine verlässlichen Daten zur Frage, ob die Einführung des Bürgergelds ein Pullfaktor aus dem Arbeitsmarkt ist. Dafür ist es noch zu früh. Das Bürgergeld wurde Anfang 2023 eingeführt und zum 1. Januar 2024 deutlich erhöht. Arbeitnehmer, die ihre Jobs deswegen aufgeben wollen, tauchen teils erst Jahre später in der Statistik auf. Der Grund: Sie müssen zunächst auf eine Kündigung des Arbeitgebers hinwirken, damit ihnen keine Leistungen gesperrt werden. Anschließend beziehen sie noch ein bis zwei Jahre Arbeitslosengeld I, das somit als Frühindikator für die Entwicklung der Zahl der Bürgergeldempfänger gilt. Und hier deutet sich bereits eine Tendenz an: Im Durchschnitt des Jahres 2022, also vor der Einführung des Bürgergelds, lag die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld I laut Bundesagentur für Arbeit bei 730 000. Bis Februar 2024 ist diese Zahl um knapp 29 Prozent auf 940 000 gestiegen.

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A. Müller | Mo., 13. Mai 2024 - 09:07

Mir bekannte Handwerker, die sich gern "nach Feierabend" noch etwas dazu verdienen, haben mir folgendes gesagt: "Das Geld ist direkt bei uns besser aufgehoben als beim Staat, der es für Unfug verplempert, anstatt sinnvoll zu wirtschaften".
Recht haben sie!

Gerhard Lenz | Mo., 13. Mai 2024 - 09:57

Sie jetzt als Argument gegen das Bürgergeld in Stellung zu bringen, klingt doch allzu sehr nach dem CDU-Wahlkampf, den wir hier seit geraumer Zeit erleben.
Zwar gibt Herr Korfmacher zu, dass er keine verlässlichen Daten zur Verfügung hat. Gleichwohl verbindet er gewisse Tendenzen, die er zu sehen glaubt, mit einem der Hauptwahlkampfthemen der Union.
Wenn zwischen Bürgergeld, also dem Mindesteinkommen, das zum einigermaßen menschenwürdigen Überleben in diesem Staat gebraucht wird, und Niedriglöhnen die Kluft immer kleiner wird - liegt das eben daran, dass die Löhne schlicht zu niedrig sind.
Wenn Steuerermäßigungen (Gaststätten) wegen Corona gewährt wurden, ist es heute richtig, sie wieder zu streichen. Es ist auch fragwürdig, den jährlichen Durchschnitt bei Arbeitslosen mit der saisonal im Feb immer höheren Arbeitslosigkeit zu vergleichen. Ich frage mich ferner, ob Herrn Korfmacher das Lohnniveau im Pflegebereich überhaupt bekannt ist. Zeit für Lohnerhöhungen, nicht Bürgergeldschelte!

Henri Lassalle | Mo., 13. Mai 2024 - 15:45

Niedriglohnland bekannt. Das wurde durch de Hartzgesetze noch verstärkt; damals forderten die Arbeitgeber lauthals, coram publikum einen Niedriglohnsektor - und sie bekamen ihn. Mich wundert der Inhalt dieses Artikel überhaupt nicht.
Selbst Akademiker können unter Umständen zum Prekariat zählen. Das Bürgergeld ist eine Ausweichmöglichkeit: für einen Minderqualifizierten ist die Rechnung schnell gemacht: Wozu sich für ungeliebten Job abschuften, wenn es Geld vom Staat gibt - Krankenversicherung wird bezahlt, ebenso die Miete oder anteilig. Das ist eines der Probleme des Bürgergeldes: Die niedrigen Löhne.
Für einen Handwerker oder Freiberufler ohne Firma ist das eine Einladung zum Verzicht aufs Steuerzahlen.
Ich bin jedoch der Überzeugung, dass die allermeisten Bürger arbeiten wollen, einen Sinn ihres Daseins suchen. Ich halte daher die Debatte über das Bürgergeld mit demagogischen Aspekten besetzt.