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Modesünden - Dinge, die wir im neuen Jahr nicht mehr sehen wollen

Der Jahreswechsel steht bevor. Zeit, modisch aufzurüsten und stilvoll ins neue Jahr zu schreiten

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Silvester ist die Zeit der guten Vorsätze. Und damit auch des Abschiednehmens. Alles Unschöne soll hinter uns bleiben, alle Laster, alles Ungesunde. Nie wieder rauchen, nie wieder Junkfood, nie wieder zu viel Alkohol. Doch ach: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Und so stehen wir bald wieder an der Currywurstbude oder wachen mit einem Kater auf.

Schlimmer noch sind all die ästhetischen Widrigkeiten, die mit der Silvesternacht am besten für immer aus unserer Wahrnehmungen und in das Dunkel des Vergessens entschwinden sollten. Doch auch hier sieht es nicht besser aus. Eher werden wir es schaffen, täglich ins Fitnessstudio zu gehen und uns nur noch von Obst, Gemüse und Wasser zu ernähren, als die bizarren Auswüchse des Zeitgeistes für immer in der Hölle der Modeirrtümer zu verbannen. Dabei wäre es so einfach. Nur ein paar kleine Korrekturen, ein paar Dinge, die wir nie wieder sehen wollen, würden ja schon reichen. Beginnen wir bei den Herren:

Einer der größten Peinlichkeiten der Herrenmode liegt in ihrer eigenen Abschaffung. So gilt es unter nicht wenigen Geschlechtsgenossen als besonders schick, wie ein großer Junge herumzulaufen. Auch gestandene Familienväter Mitte 40 gefallen sich in destroyed Jeans, offenen Workerboots, T-Shirts und mit Strickmütze auf dem Kopf. Das soll natürlich wahnsinnig jugendlich aussehen, ist aber einfach nur infantil. – Jungs, werdet doch einfach mal erwachsen.

In dieselbe Kategorie fällt die Marotte, Chucks zum Anzug zu tragen: Nein, das ist nicht cool, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Meistens sieht es panne aus, weil nämlich die Schuhe abgetragen sind und der Anzug nicht, und das kann man dann auch mit einem abgetragenen Anzug nur schlecht retten.

Riskant ist auch der Versuch, den Anzug mit Hilfe eines T-Shirts aufzulockern. Ganz ehrlich, das sah schon bei Sonny Crockett und Rico Tubbs komisch aus. Und das waren die 80er. 

Allerdings hat auch der konservativ kombinierte Anzug so seine Tücken. Man braucht nur den Fernseher anzuschalten und die führenden Vertreter der deutschen Politkaste zu bewundern: Fast jeder Anzug ist zu groß, die Jacketts zu weit, die Ärmel zu lang, die Hosenbeine stauchen auf den Schuhen. Dabei wäre es so einfach: Mal eine Nummer kleiner probieren. Wirkt Wunder.

Eine Falle ist auch die Kombination schwarz-in-schwarz. Klar, dieser Look wird nie aussterben, solange es Designer, Architekten und Werbungtreibende gibt. Nur: schwarz-in-schwarz ist eben überhaupt nicht besonders kreativ, sondern wirkt einfallslos, depressiv und langweilig. Jungs, ihr könnt das besser.

Das gilt auch für den Ton-in-Ton-Look. Grauer Anzug, graues Hemd, graue Krawatte – das trugen einmal junge Männer zum Berufseinstieg, weil ihnen der dunkle Anzug mit dem weißen Hemd zu spießig vorkam. Aber wer trägt das heute noch?

Der wahre Modehorror spielt sich jedoch meist unterhalb des Hosensaumes ab: billiges Leder, billige Verarbeitung, kombiniert mit angeblich schicken Formen. Doch leider sind spitze Herrenschuhe mit breiten Nähten nicht modisch, auch nicht in Italien. Die machen das nämlich ganz anders.

Apropos Leder: Leder gehört an die Füße. Und nur dahin. Ausnahme: Der geneigte Leser ist Angehöriger eines Motorradclubs. Für alle anderen gilt: Es war ein Fortschritt, als sich unsere Vorfahren nicht mehr in Tierhäute hüllten. Insbesondere Lederjacken waren noch nie cool. Auch nicht bei Marlon Brando. Und das will was heißen.

Ein weiterer tragischer Irrtum vieler Männer betrifft ihre Kopfbedeckung. Über die Strickmütze sprachen wir ja schon. Mindestens genau so dämlich sehen Baseballcaps aus. Sie zweifeln? Dann googeln Sie mal ein Foto von Axel Schulz. Sie sehen aber nicht aus wie Axel Schulz? – EBEN!

Bleibt noch der Schmuck. Der Mann von Welt trägt zwei Schmuckstücke: seinen Ehering und eine Uhr. Keine Kette, keine Ohrstecker, keine Lederbändchen. Und das mit dem Ohrtunnel vergessen wir schnell wieder, ja?

Laufen die männlichen Modesünden meist darauf hinaus jugendlich, lässig oder unkonventionell wirken zu wollen, so haben die weiblichen meist eine und nur eine Ursache: den Versuch „sexy“ auszusehen.

Das beginnt an den Füßen. Klar, höhere Absätze machen einen feminineren Gang und ein schöneres Bein. Aber wie überall im Leben: mehr ist nicht besser. Und ab 10 Zentimeter wird es kritisch, auch bei Schuhgröße 41.

Noch billiger als hohe Pumps wirken zu hohe Stiefel. Und die Krönung von allem sind Overknees. Die haben wir alle in „Pretty Woman“ bewundert, aber Julia Roberts hat eben auch eine Prostituierte gespielt.

Und wenn wir schon einmal dabei sind: Röcke können zu kurz sein. Sogar aus männlicher Sicht. Auch falls es bieder klingt: Wenn die Arme seitlich herunterbaumeln, sollten die Fingerkuppen immer Stoff spüren. Ehrlich.

Vielen Damen scheinen auch der Ansicht zu sein, dass zu enge Hosen besonders attraktiv machen – oder schlank. Es sei an dieser Stelle versichert: weder noch.

Deswegen auch: Finger weg von Leggins! Bei zu kräftigen Beinen sieht es grausam aus, und schöne Beine sehen aus wie in Gesundheitsstrümpfen.

Ganz weit oben in der Rubrik „Dinge, die wir nie wieder sehen wollen“ landet jedoch der aus der Jeans hervorlugende String-Tanga. String-Tangas – nur so zu Erinnerung – wurden erfunden, damit man sie NICHT sieht. Unter eng anliegenden Hosen etwa oder Kleidern aus dünnem Stoff.

Doch das Bedürfnis nach erotischer Ausstrahlung treibt die seltsamsten Blüten. Etwa in Hollywood. Dort gefallen sich in den letzten Jahren die weiblichen Stars und solche die sich dafür halten mit Sideboobs – das sind Kleider, die einen, nunja, sehr tiefen seitlichen Einblick gewähren. Und da zu befürchten ist, dass auch dieser Trend seinen Weg in die Alltagsmode findet: Dezente Dekolletés können auf jeden Fall eine Zierde sein – Sideboobs nicht.

Der Sideboob der Bademode ist der Monokini. Mit Kettchen oder Stoffstreifen verbundene Ober- und Unterteile sind im SM-Studio sicher eine angemessene Arbeitskleidung, im Freiband aber provoziert das Heiterkeit.

Doch nicht nur der Wunsch nach einer erotischen Aura bringt modische Grausamkeiten hervor, auch der Versuch, mädchenhaft oder gar niedlich zu wirken, geht schnell nach hinten los. Uggs zum Beispiel sind für Teenager vielleicht putzig. Doch schon mit Anfang 20 sehen sie schnell trampelig aus. Und das ist gar nicht süß. Genauso übrigens wie Crocs im Sommer.

So könnte man natürlich ewig weitermachen: Strassbesatz, Leopardenlook, Füßlinge, Stiefeletten mit Nieten – die Phantasie der Modeindustrie ist unbegrenzt. Allerdings: Das Schöne und Geschmackvolle wäre ohne das Gewagte und Ungewöhnliche vielleicht banal. Genauso wie ein Leben ohne Überraschungen öde und langweilig wäre. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein aufregendes, schönes und glückliches neues Jahr.

Ihr Alexander Grau.

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