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(Picture Alliance) Urheberschutz auf Rezepte-Fehlanzeige

Plagiat in der Küche - Wer hat eigentlich das Urheberrecht auf Rezepte?

Nein, für den kalten Hund sind keine Lizenzgebühren fällig. Ein Leistungsschutzrecht für Rezepte gibt es nicht. Im kulinarischen Kosmos lässt sich daher vortrefflich beobachten, wie eine Welt beschaffen wäre, in der Urheberschaft keine Anerkennung genießt

Wer hat eigentlich die Pizza erfunden, wer hat die Kohlroulade erstmals konstruiert, und wer hatte die Idee zur Crème brûlée? Die meisten Klassiker der Küche gleichen Volksliedern: Sie sind zwar in aller Munde, ihre Komponisten jedoch bleiben unbekannt – und dementsprechend ohne Lohn. Selbst der Erfinder des Sandwichs, der immerhin seinen Namen als Marke für seine Erfindung hinterließ, hat nie Tantiemen beansprucht, die ihn bei diesem Welterfolg zu einem noch reicheren Mann gemacht hätten, wenn es einen Urheberschutz für Rezepte gäbe.

Doch bislang gelangen die Erfindungen der Köche unhonoriert in den Besitz der Öffentlichkeit und können von jedem honorarfrei kopiert werden – so wie es sich mancher Freibeuter für jede geistige Schöpfung im Internetzeitalter wünscht . Tatsächlich lässt sich im kulinarischen Kosmos beobachten, wie eine Welt beschaffen wäre, in der Urheberschaft keine Anerkennung genießt.

Zunächst einmal wird jeder den Kopf schütteln, wenn es um Tantiemen für Köche geht. Der Urheber der Speisen im Restaurant ist ja unstrittig in der Küche am Herd zu finden. Dort wird alles zubereitet, was die Kellner im Gastraum auftragen. Die Qualität der Zutaten, die handwerkliche Könnerschaft der Köche und die Präsentation schieben das Rezept, das womöglich von einem Kollegen stammt, in den Hintergrund.

Als die beweglichen Lettern noch nicht erfunden waren, befanden sich Buchautoren in einer ähnlichen Situation: Sie stellten Unikate her, auch dann, wenn sie andere Werke mit dem Federkiel kopierten. Deshalb hatten sie nur wenige Leser und die meist am Hofe, denen sie häufig nach dem Munde schrieben. Köchen geht es noch heute ähnlich. Der Gast gilt als König und darf auch das Menü über den Haufen werfen, wie es ihm beliebt. 

Nur wer sein Publikum mit Kochbüchern oder einer Fernsehshow bedient, erlangt die Unabhängigkeit eines freien Künstlers. Aber da geht es auch nicht wirklich um originelle Rezeptideen, sondern um Eloquenz und Ausstrahlung. Solange es also keinen Urheberschutz auf Rezepte gibt, kann der Schöpfer von kulinarischen Innovationen seine Werke nur vor Nachahmung bewahren, indem er sie geheim hält. Das allerdings blockiert den kreativen Austausch und erzeugt ein Klima des Misstrauens – außerdem ist so etwas auf Dauer kaum durchzuhalten, wie die Geschichte der Cola-Formel zeigt.

Über einen kulinarischen Paradigmenwechsel...

 

Auch ein Markenschutz bewahrt den Erfinder nicht vor dem Plagiat, das wenig mehr braucht als einen anderen Namen. Die Tatsache, dass Innovation kaum einen Gewinn abwirft, hat in der Küche dazu geführt, dass Herkömmliches auf dem Teller dominiert. Das an Erfindungen so reiche vergangene Jahrhundert hat in der Küche vergleichsweise wenig zustande gebracht. Fortschritt gab es allein durch den Import fremdländischer Traditionsgerichte. 

Die Neuerungen der Molekularküche und ihrer Nachfolger allerdings könnten einen Paradigmenwechsel verursachen. Die kulinarischen Tempel der neuen Küchenbewegungen verweisen mit Stolz auf Spezialitäten, die das jeweilige Lokal repräsentieren und einzigartig machen – sogenannte „signature dishes“.

Im Fall des Mannheimer Dreisternekochs Juan Amador handelt es sich um eine Taubenbrust in Hibiskus-Curry mit Granulat von Roter Bete. Ein Rezept dazu findet sich im Internet. Es ist schwer vorstellbar, dass Amadors Schöpfung in einem anderen Lokal als essbares Autogramm eines anderen Kochs beworben würde, aber in der derzeitigen Rechtslage gäbe es keine Handhabe dagegen. Das könnte sich ändern.

Selbst wenn Köche vom Gesetzgeber künftig wie bildende Künstler und nicht wie darstellende behandelt werden, wird sich das aller Wahrscheinlichkeit nach nur auf die Hochgastronomie beschränken. Es kann also bestimmt nicht so weit kommen, dass kulinarische Gebührenschnüffler Kindergeburtstage sprengen, weil für den kalten Hund Lizenzen fällig wären.

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