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Twitter-Wahlkampf - Im Netz kann die SPD Boden gutmachen

Immer mehr deutsche Politiker entdecken Twitter als Wahlkampfmedium. Wie aber nutzen die Wahlkämpfer das Soziale Netzwerk, ohne sich zu blamieren? Und ist die auf Twitter erreichte Wählergruppe überhaupt entscheidend?

Autoreninfo

Tobias Wagner ist Social Media Redakteur bei Tazaldoo UG. Das Berliner Startup hat mit Tame (www.tame.it) eine Kontextsuchmaschine für Twitter entwickelt, die Journalisten und anderen Informationsarbeitern hilft, den Datenstream zu bändigen und die wichtigsten Themen, Nutzer und Links zu filtern. Wagner selbst befasst sich seit dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaft in Gießen und Jena mit dem Echtzeitnetz und forschte unter anderem zu politischer Online-Kommunikation auf YouTube und Twitter sowie zur Enthüllungsplattform WikiLeaks.

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Dass es ohne Online-Wahlkampf nicht mehr geht, haben deutsche Politiker spätestens seit der im Nachhinein fast idealtypisch verklärten ersten Obama-Kampagne 2008 verstanden. Neben schick designten Homepages ist besonders die Präsenz in sozialen Medien mittlerweile obligatorisch. Im Gegensatz zur eigenen Page tritt in sozialen Netzwerken das Feedback über missglückte TV-Auftritte oder gelungene Kampagnen ungefiltert zu Tage. Besonders der Mikrobloggingdienst Twitter - das schnellste Netzwerk, wenn es um Nachrichten und Informationen geht - eignet sich, um einerseits netzaffine Menschen zu erreichen, aber auch herauszufinden, welche Inhalte diese Menschen bewegen.

Die Kanzlerin über den Dingen

Der mehr als komfortable Vorsprung Angela Merkels in den Umfragen spiegelt sich auch im Wahlkampf der Kanzlerin wider, die kaum in die Niederungen des profanen Wahlkampfs hinabsteigen muss. Dementsprechend gestaltet sich auch die Lage in den sozialen Netzwerken: im Gegensatz zu ihrem Herausforderer besitzt Merkel kein Twitter-Profil. Der Online-Wahlkampf wird deshalb in diesem Medium auf den Profilen von Regierungssprecher Seibert, Generalsekretär Gröhe oder der CDU-Online-Redaktion ausgetragen.

Dass auch die CDU hier nicht mit Angriffen auf den politischen Gegner geizt, zeigt z.B. die Reaktion auf Steinbrücks Auftritt beim RTL-Format „Meine Wahl – Am Tisch mit Peer Steinbrück“. Während der Sendung verwies die CDU auf einen „Faktencheck“, bei dem fein säuberlich diverse Aussagen Steinbrücks zitiert und auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft wurden. Durch mehrere „Share-Buttons“ können die jeweiligen Zitate schließlich wieder in sozialen Netzwerken geteilt werden, auch wenn die Zahlen der Teilnehmer hier im einstelligen Bereich bleiben.

Auch die Kanzlerin ist nicht gegen jede Kritik immun. In der letzten Woche wurde auf Twitter besonders ihr Auftritt im KZ Dachau rege diskutiert. So wurde einerseits zwar gelobt, dass Merkel als erste deutsche Kanzlerin überhaupt während der Amtszeit die Gedenkstätte besuchte, andererseits aber der Zeitpunkt mitten im Wahlkampf kritisiert. Auch das Angebot der CDU, deutschsprachige Auslandszeitungen mit Interviews zu versorgen, in denen der Einfachheit halber Fragen und Antworten schon vorher feststehen, provozierte in der vergangenen Woche Kritik aus dem Netz.

SPD: Aufholjagd oder Strohfeuer?

Betrachtet man alle Tweets der letzten Woche mit dem Hashtag #btw13, so steht nach den Piraten als erklärter „Internetpartei“ schon an zweiter Stelle die SPD mit den häufigsten Nennungen. Auch andere Untersuchungen zeigen, dass die Sozialdemokraten zumindest in den sozialen Netzwerken Boden gut machen können, ganz im Gegensatz zu aktuellen Umfragen.

Auf Twitter punktet der Kandidat Steinbrück zurzeit besonders mit einem Auftritt beim YouTube-Format „Jung & Naiv“, in dem er den ungewöhnlichen Fragen des Journalisten recht souverän und ungezwungen begegnet. Interviewer Tilo Jung selbst fasst die Reaktion der Zuschauer in einem Tweet zusammen: „viele wundern sich über sich selbst und finden @peersteinbrueck tatsächlich sympathisch“.

Weniger positiv fallen z.B. die Reaktionen auf Steinbrücks Unterstützung durch Gerhard Schröder aus, über dessen Wahlkampfauftritt sich zumindest bei Twitter fast nur der politische Gegner freut.

Taugt Twitter als Wahlkampfmedium?

Nun lässt sich die Frage stellen, wie wichtig die Twitter-Nutzer als Wählergruppe überhaupt sind. In der Vergangenheit wurde das Netzwerk schließlich oft als Plattform abgetan, auf der zwar viel Häme und Katzenbilder kursieren, eine seriöse politische Diskussion aber kaum stattfindet. Diese Sichtweise scheint in Deutschland ganz allmählich zu verschwinden und nicht nur die Piraten zeigen, dass man auf der Mikrobloggingplattform ganz andere Teile der Bevölkerung ansprechen kann als mit herkömmlicher Wahlwerbung.

Hier liegt jedoch auch ein Knackpunkt des Twitter-Wahlkampfs: Je nach Zählweise geht man heute von rund einer bis knapp über zwei Millionen aktiver deutscher Twitterer aus. Beachtet man darüber hinaus noch die besondere Zusammensetzung der Nutzer, wird klar, dass es sich hier nur um eine kleine Teilöffentlichkeit handelt. Allein mit Twitter kann in Deutschland deshalb keine Wahl gewonnen werden. Politiker, die das Netzwerk nicht nur für platte Werbung, sondern auch im Sinne eines beidseitigen Kommunikationskanals nutzen, können hier jedoch einen Teil der Bevölkerung ansprechen, der von herkömmlicher politischer Kommunikation schon längst nicht mehr erreicht wird.

Dass die Twitter-Aktivität bei fast jedem Politiker nach der Wahl schlagartig nachlässt, zeigt, dass Twitter zwar immer öfter als Wahlkampfmittel erkannt wird, das grundlegende Potenzial des Dienstes aber bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Neben der direkten Kommunikation mit dem Bürger kann Twitter auch als eine Art Seismograph fungieren. Oft sind hier sehr früh Stimmungen und Themen zu erkennen, auf die netzaffine Politiker eingehen können. Sehr eindrucksvoll war dies zuletzt bei der #aufschrei-Debatte erkennbar. Twitter bietet somit eine große Chance, die Distanz zum Bürger zu verkleinern. Vorraussetzung ist aber, dass man die mitunter heftige Kritik der Twitterer erträgt und sich auf das neue Medium nicht nur als weiteren Werbekanal einlässt.

Die aktuellsten und relevantesten Twitter-Themen zu Merkel und Steinbrück liefert das „Twitter-Duell“ von Cicero Online und Tame.

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