- Viele Köche, kein Rezept
Trotz der Diversität der demokratischen Kandidaten erzeugt deren Vorwahlkampf zur Präsidentschaftswahl 2020 kaum Aufsehen. Bei Joe Biden, der die Umfragen dominiert, ist unklar, wie er gegen Donald Trump punkten könnte. Auch die anderen Kandidaten scheinen unfähig, Trump etwas entgegenzusetzen
Seit den ausgebliebenen Enthüllungen des Mueller-Berichts sind die Nachrichten, so wie man sie im Zeitalter von Trump kannte, zum Erliegen gekommen. Man liest nichts mehr vom Chaos im Weißen Haus, von Michael Cohen und Stormy Daniels, vom baldigen Untergang der westlichen Welt. Ab und zu wird noch das Zauberwort vom „Impeachement“, der Amtsenthebung des Präsidenten, in den Raum geworfen. Aber das entsprechende Verfahren würde wohl nur über Nancy Pelosis Leiche in Gang kommen.
Stattdessen geht es nun um Trumps Steuererklärungen, die die Demokraten aus größtenteils unbekannten Gründen schon seit 2016 einsehen möchten, um Trumps Schummeleien beim Golfspiel und um Justizminister William Barr, der laut Gesetz „nur“ 98,5 Prozent des Mueller-Berichts unredigiert freigeben darf und deshalb von den Demokraten im Repräsentantenhaus „verachtet“ wird. Auf Seiten der tatsächlich wichtigen Nachrichten wird gleichzeitig vermeldet, dass die US-Wirtschaft im ersten Quartal 2019 um 3,2 Prozent gewachsen ist. Ein denkbar ungünstiger Augenblick für die Demokraten, um den Vorwahlkampf für die Präsidentschaftswahlen 2020 einzuläuten. Nichtsdestotrotz haben bereits 22 demokratische Politiker ihre Bereitschaft erklärt, Donald Trump in anderthalb Jahren herauszufordern.
Auch frühere Größen treten an
Ordnung in dieses weite Feld zu bringen, ist nicht einfach. Der US-amerikanische Statistiker und Wahlanalyst Nate Silver, bekannt durch die Website FiveThirtyEight, teilt die demokratischen Kandidaten in vier Gruppen auf: Die erste Gruppe sieht ihre Stärke in ihrem Drängen nach linksliberalen Politikmaßnahmen. Die Senatorin Elizabeth Warren und andere „Progressive“ fallen in diese Gruppe. Die zweite Gruppe betont dagegen eher mit ihrer Fähigkeit, breite Koalitionen aus verschiedenen Elementen und Schichten der Demokraten formen zu können. Die Senatorin und ehemalige Staatsanwältin Kamala Harris positioniert sich in dieser Richtung.
In der dritten Gruppe finden sich die politischen Außenseiter, die mit frischen Ideen für sich werben. Der Texaner und erfolglose Herausforderer von Senator Ted Cruz in den Midterms, Beto O’Rourke, und der erst siebenunddreißigjährige Bürgermeister Pete Buttigieg gehören in diese Kategorie. Schließlich die vierte Gruppe wirft ihre politische Erfahrungs- und Erfolgsbilanz in den Ring, auf deren Grundlage sie es mit Trump aufnehmen will. Barack Obamas Vizepräsident Joe Biden ist offensichtlich derjenige Kandidat, der vornehmlich auf diese Stärke baut. Bernie Sanders propagiert zwar einerseits linke Politik, hat sich aber auch einen Ruf als Außenseiter erhalten und kann immerhin vorweisen, dass er es fast schon einmal bis zum Präsidentschaftskandidaten geschafft hat.
Angriffe werden sich auf Biden konzentrieren
Doch trotz dieser Heterogenität des Bewerberfeldes sorgt der demokratische Vorwahlkampf noch für überraschend wenig Aufsehen. Stattdessen scheint der gemäßigte und „wählbare“ Joe Biden die Umfragen zu dominieren. Sanders liegt nach wie vor klar auf dem zweiten Platz, allerdings hat sich der Abstand von ihm zu Biden in den letzten Wochen auf mehr als 20 Prozentpunkte vergrößert. Buttigieg steht zwar in aktuellen Umfragen im Vorwahlstaat South Carolina bei 18 Prozent unter weißen Wählern, kann aber nur ganze 0 Prozent der schwarzen Wähler für sich gewinnen. Auch mit Blick auf ihre politischen Standpunkte scheinen die Kandidaten noch zu experimentieren – und das nicht immer erfolgreich. Kamala Harris musste bereits wegen ihrer Äußerungen zur Gesundheitsversorgung zurückrudern, was ihr von linker Seite übelgenommen wird.
Sollte Joe Biden an der Spitze der Umfragen verweilen, so werden sich die Angriffe der übrigen Kandidaten bald auf ihn konzentrieren. Ein Kommentar im konservativen Washington Examiner prognostiziert gar, dass Biden nicht wegen seiner fehlenden Linkslastigkeit angegriffen werden wird, sondern mit Blick auf sein Potential, Trump zu schlagen. Die Sorge um Letzteres ist nicht unberechtigt, denn selbst wenn Biden der mehrheitsfähigste Kandidat im demokratischen Feld sein sollte, so stellt sich immer noch die Frage, wie er dann gegenüber Trump dastehen wird. Anders ausgedrückt, wo kann Biden gegen Trump überhaupt punkten?
Biden versus Trump
Joe Biden ist vier Jahre älter als der bereits zweiundsiebzigjährige Donald Trump. Jeder potentiellen Attacke, die auf Trumps Präsidentendasein als „alter weißer Mann“ abzielt, wäre damit bereits der Boden entzogen. Zudem unterhalten ähnlich der Familie Trump auch Mitglieder der Familie Biden geschäftliche Kontakte, die nüchtern betrachtet noch nicht einmal anrüchig sein müssen, die allerdings ausreichen, um ein zwielichtiges Licht der Korruption auf Biden zu werfen, in dem er nicht neben Trump glänzen kann.
Auf rein sprachlich-rhetorischer Ebene ist Joe Biden außerdem bereits durch einige Ausrutscher und Patzer in Erinnerung geblieben. Biden selbst hat sich deshalb Ende 2018 als „gaffe machine“ (in etwa: Fauxpas-Maschine) bezeichnet. Der Unterschied zwischen Biden und Trump ist in dieser Hinsicht der folgende: Trumps Entgleisungen empören oder beschämen überwiegend seine Gegner, während seine Anhänger seine spezielle Art der Unterhaltung und Grenzüberschreitung geradezu erwarten. Bidens Ausrutscher dagegen sorgen für Fremdscham und Kopfschütteln unter seinen eigenen Leuten bestenfalls für ein mitleidiges Lächeln auf Seiten der Trump-Anhänger. In einem direkten verbalen Schlagabtausch mit Donald Trump würde Joe Biden den Kürzeren ziehen und dabei nicht einmal die Gelegenheit bieten, Trumps Angriffe als sexistisch oder rassistisch zu brandmarken.
Demokraten zögern mit der Unterstützung
Sollte Joe Biden als Präsidentschaftskandidat aus dem Vorwahlkampf hervorgehen, so wird er für das Amt des Vizepräsidenten gezwungenermaßen eine Frau deutlich jüngeren Alters und optimalerweise einer anderen Hautfarbe nominieren müssen, um die progressive Fraktion innerhalb der Demokraten zu besänftigen und ihre multiethnische Wählerschaft zu mobilisieren. Kamala Harris scheint sich für diese Funktion anzubieten. Allerdings wird eben diese Gezwungenheit des ungleichen Kandidatenduos so offensichtlich sein, dass es dem Gespann gleichzeitig an Authentizität mangeln wird.
Das demokratische Establishment scheint die Gefahr zu wittern und gibt sich deshalb überraschend zögerlich mit der Unterstützung für Biden als Kandidat. Obamas Verteidigungsminister Robert Gates hat sogar gerade nachdrücklich betont, dass aus seiner Sicht Biden die letzten vierzig Jahre lang in jeder wichtigen Frage der Außen- und Sicherheitspolitik falsch gelegen habe.
Echte Politikvorschläge bleiben aus
Aktuell fokussieren sich die Debatten auf demokratischer Seite auf den Themenkomplex, der vielen Wählern Sorge bereitet und in dem Trump zugegebenermaßen bisher nur spärliche Erfolge erzielen konnte, nämlich die Reform des Gesundheitssystems. Während sich den Demokraten hier also eine Chance bietet, ist die Gesundheitspolitik gleichzeitig wohl das undankbarste, komplexeste und heikelste Politikfeld für einen Wahlkampf. Radikale Vorschläge, das bestehende System komplett umzukrempeln, könnten daher eher Wähler verschrecken denn begeistern.
Deshalb erscheinen die Kandidaten momentan geradezu gelähmt, wenn es darum geht, dem amtierenden Präsidenten echte Politikvorschläge entgegenzusetzen. Stattdessen bemühen sie zum wiederholten Male die Behauptung, Trump habe nach dem rechtsradikalen Anschlag auf eine Demonstration in Charlottesville 2017 Neo-Nazis und Rassisten als „fine people“ (anständige Leute) in Schutz genommen. Ironischerweise ist genau diese Behauptung nicht korrekt, wie aus dem Kontext der damaligen Pressekonferenzen hervorgeht.
Im entscheidenden Wettbewerb um die Aufmerksamkeit droht der demokratische Vorwahlkampf zu verblassen, während Trump mit dem amerikanisch-chinesischen Handelsstreit und der Zuspitzung des Konflikts mit dem Iran Schlagzeilen macht. Die Demokraten werden ihren Unterhaltungswert erheblich steigern müssen, um vom US-amerikanischen Wählerpublikum bemerkt zu werden.
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Ihr Artikel beschreibt es in Klarheit und Eindeutigkeit.
Wenn einer mit dem Finger auf den anderen zeigt, zeigen vier Finger auf einen selber. Das bislang typische Merkmale amerikanischer Wahlen, den jeweils anderen persönlich verächtlich und gefährlich darstellen zu lassen, dieses Merkmal greift bei Trump nicht. Die Kritik an seiner Politik wurde auch immer in Erwartung der angeblich großen, persönlichen Fehler des D. Trump, die man durch den Muellerbericht erwartete offenlegen zu können, nicht erfüllt. Das Durchleuchten seiner Person und seines Umfeldes, nur um ihm irgendwann nachweisen zu können, dass er im Kindergarten einem anderen das Förmchen weggenommen hat, es ist ins Leere gelaufen. Über all die persönlichen Angriffe hatte man geglaubt, es brauche nur der "Enthüllung" und weg ist er. Die Demokraten bilden das gleiche Unvermögen ab, wie die SPD bei uns. Zerstritten, kein geeignetes Personal, jeder will was anderes, politische Aussagen viel nichts, aber Trump macht sein Ding.
Selten einen so unsachlichen Kommentar eines ganz offensichtlich bedingungslosen Trump-Anhängers gelesen! Aber das muss wohl so sein: Schliesslich haben ein Herr Meuthen & Co. auf der AfD-Webseite sich ganz öffentlich einen Trump auch für Deutschland gewünscht!
Man darf sich das vorstellen: Ein Präsident, der nachweislich pausenlos lügt, die Rechte des US-Parlaments mißachtet, den Klimawandel ignoriert, zunehmend den Weltfrieden gefährdet und mindestens - so diverse Psychiater - an psychologischen Auffälligkeiten leidet.
Mehr noch: Ein "Geschäftsmann", der sich brüstet, den grössten Waffendeal in der US-Geschichte ausgerechnet mit den fundamental-islamistischen Saudis abgeschlossen zu haben. Aber sicherlich werden die Saudis Trumps schöne neue Waffen an irgendwelchen militanten Islamisten weiterleiten, die dann neue Flüchtlingsscharen produzieren, die dann nach Deutschland kommen, was widerum von der AfD politisch bis zum Exzess ausgeschlachtet werden wird....
„...Selten einen so unsachlichen Kommentar?“- die ständigen Buhrufen machen Sie nicht sachlicher Herr Lenz. „Angriffslustig ist ein Adjektiv, das ein Persönlichkeitsmerkmal, eine Eigenschaft beschreibt, die oft zu den Schattenseiten oder gar zu den Lastern gezählt wird.“- immer noch.
Was „...Waffendeal... > das sollte aber geschwärzt werden< ...- ausgerechnet mit den fundamental-islamistischen Saudis abgeschlossen zu haben. Aber sicherlich werden die Saudis >...... < schöne neue Waffen an irgendwelchen militanten Islamisten weiterleiten, die dann neue Flüchtlingsscharen produzieren...“ da haben Sie auch wie immer, nur manchmal!, Recht.
Und noch ein Bidens Ausrutscher:
„...kann Biden gegen Trump überhaupt punkten?“- das ist die Frage:
https://thehill.com/opinion/white-house/436816-joe-bidens-2020-ukrainia…
Alles Gute.
Wer hätte gedacht, dass die jahrelangen Angriffe auf den amerikanischen Präsidenten, die üblen Beleidigungen und Verleumdungen nun auf die Verursacher zurückfallen? Welche Unverschämtheiten wurden denn noch nicht ausgesprochen, was konnte man denn überhaupt ernst nehmen? Jede Beleidigung wurde sooft wiederholt, dass sie inzwischen keine Wirkung mehr erzielt. Gut so, auch dass jetzt einige versuchen werden, sich in den Allerwertesten zu beißen.