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() Was taugt Schwarz-Grün wirklich?
"Schwarz-Grün ist ein Rückfall ins Biedermeier"

Ein Öko-Skeptiker schlägt Alarm

Lesen Sie dazu: Michael Knoll : "Mit Schwarz-Grün naht das Ende der Ideologien" Wolfram Eilenberger: Schwarz wie der Rolli, grün wie der Rasen Stefan Zowislo und Reinhild Hugenroth: Wir wollen Schwarz-Grün! Der Werbeberater Hubert Strauf erfand den besten grünen Slogan aller Zeiten: „Keine Experimente!“ Zwei Worte, die wie ein semantischer Schutzwall gegen die Risiken des Fortschritts stehen – eine Weltanschauung in Kurzform. Allerdings kam Strauf auf diese geniale Idee lange bevor es grüne Parteien gab – im Wahlkampf 1957 für Konrad Adenauer. Die große schwarz-grüne Versöhnung liegt in der Luft und wird von vielen Kommentatoren regelrecht herbeigeschrieben. Vom modernen Bürgertum ist die Rede, von gemeinsamen Werten, vom Mut, über den eigenen Schatten zu springen. Das hört sich alles schön undogmatisch an und klingt nach geistiger Lockerungsübung. Doch wo liegt die konkrete Schnittmenge, welche Standpunkte teilen die beiden Partner? Sind es wirklich die Liberalen in der CDU und bei den Grünen, die durch die Annäherung Aufwind erhalten? Oder eher all die Kräfte in beiden Parteien, die durch immer mehr Vorschriften und Regulierungen eine risikofreie Zukunft festschreiben wollen. Es gibt viele in der CDU und bei den Grünen, die die Moderne als Zumutung empfinden. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Begrenzen und Verbieten. Willkommen beim Bündnis für Stillstand. Die kulturellen Unterschiede werden dagegen ins Feld geführt. Die Milieus wären sich fremd. Aber fremdeln sie wirklich noch? In den besseren Vierteln von Frankfurt oder Freiburg funktioniert die Nachbarschaft doch recht harmonisch. Man sieht sich morgens beim Kauf der Bio-Brötchen, abends beim Feng-Shui-Kurs in der Volkshochschule, beim Homöopathen und in der Anti-Mobilfunkmast-Initiative. Die Bauzaunstürmer von Brokdorf stehen kurz vor der Frühpensionierung und wollen in Ruhe in ihrem Manufaktum-Katalog blättern, den auch der CDU-wählende Nachbar abonniert hat. Und mit der Zeit entdecken sie immer mehr Gemeinsamkeiten. Man kann im Treppenhaus über edle Fahrräder fachsimpeln und beim Italiener über Wein. Die Kinder gehen zusammen in die Waldorfschule. Und beim Mülltrennen übertrifft man sich gegenseitig, der eine aus Ordnungssinn, der andere aus Gesinnung. Nicht nur auf dem Wertstoffhof, sondern auch im Parlament werden Union und Grüne zwar von unterschiedlichen Motiven getrieben, kommen aber oftmals zu den gleichen Schlüssen. Für Horst Seehofer ist grüne Gentechnik ein Frevel gegen Gottes Schöpfungsplan, für Renate Künast eine Schändung von Mutter Natur. Dagegen sind sie gemeinsam. Den Geist der Achtundsechziger muss niemand im Konrad-Adenauer-Haus fürchten. Denn bei den Grünen hat er noch nie geweht. Sie übernahmen Ende der Siebzigerjahre nur den Gestus der rebellischen Protestbewegung, nicht ihre Utopien. Die Köpfe von 1968 dachten progressiv, glaubten an ein besseres Morgen und sehnten die Zukunft herbei. Die Grünen dagegen kultivierten die Angst: Fortschritt ist bedrohlich und muss mithilfe von Verboten eingehegt werden. Das kommt dem Kulturpessimismus alter Provenienz ziemlich nahe. Das Zueinanderfinden der beiden Milieus ist im Grunde eine späte Heimholung. Der Abgeordnete Herbert Gruhl verließ 1978 frustriert die CDU und wurde zu einem der Gründerväter der grünen Partei. Keine seiner düsteren Prognosen traf ein. Doch sie haben das abgrundtief pessimistische Lebensgefühl vieler Menschen in Deutschland geprägt. Die Erfolge im Umweltschutz änderten daran nichts. Gruhls nationaler Ökokonservatismus ist in der CDU von heute wieder höchst lebendig. Er hätte seine Freude an den Antiglobalisierungstiraden von Geißler und Gauweiler, Seehofers Gentechik-Blockade wäre ganz nach seinem Geschmack genauso wie der Al-Gore-Film, den Ole von Beust den Hamburger Schulen verordnete. Es wächst erneut zusammen, was einst zusammengehörte. Seit jeher bestimmen drei Grundwerte den politischen Wettbewerb. Die Sozialisten scharen sich um die Gleichheit, die Liberalen halten die Freiheit hoch und die Konservativen die Ordnung. Das Anliegen der CDU und ihrer historischen Vorläuferparteien war das Hüten und Bewahren der bestehenden Hierarchien, Werte und Lebenswelten: Keine Experimente! Doch in den fünfziger Jahren brachen einige konservative Intellektuelle auf, um ihr politisches Lager vom Muff einer rückwärtsgewandten Technologiefeindlichkeit zu befreien. Diese bald schon dominierende Strömung im bürgerlichen Lager plädierte für einen „technokratischen Konservatismus“, der den wissenschaftlichen Fortschritt und seine Folgen nicht mehr verdammen, sondern nutzen sollte. Die Gruhls wurden abgehängt und damit entstand ein freier Gefühlsraum, den später die Grünen besetzten. Genau genommen war bereits die Gründung der Grünen im Jahr 1980 ein schwarz-grünes Projekt – die CDU hat es nur nicht verstanden. In der neuen Partei verschmolzen linke und konservative Positionen zu einer apokalyptischen Weltanschauung. Antikapitalistische Ideologen und traditionsbewusste Heimatschützer hatten sich in Wyhl und anderswo beim Prostest gegen Atomkraftwerke beschnuppert und zur beidseitigen Überraschung viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Ob Lederjacke oder Trachtenjanker, darunter klopften romantische Herzen. Auch außen- und verteidigungspolitisch war man gar nicht so weit voneinander entfernt: Helmut Schmidts Nachrüstung mit amerikanischen Mittelstreckenraketen war für die einen ein Kotau vor dem US-Imperialismus und für die anderen eine Preisgabe der deutschen Nation. In den folgenden Jahren kämpften die Grünen gegen Atomkraftwerke, Straßenausbau, Kohlekraftwerke, Computer, PET-Flaschen, Mobiltelefone, den Transrapid, Flughäfen, PVC-Fensterrahmen, medizinische Gentechnik, ICE-Trassen, Pflanzengentechnik und eigentlich jede neue Technologie außer Windrädern und Solaranlagen. Und die SPD schloss sich – in abgemilderter Form – vielen dieser Blockaden an. Dadurch erschien die CDU eine Weile als Fortschrittspartei. Doch je stärker grünes Denken kulturell vorherrschend wurde – besonders auch in den Kirchen –, desto mehr Konservative kehrten zu ihren fortschrittsfeindlichen Wurzeln zurück. Nur keine Risiken eingehen, lautet die schwarz-grüne Devise. Das Streben nach absoluter Sicherheit beherrscht die gesellschaftliche Mentalität. Das Land des Wirtschaftswunders, das Land der Erfinder und Gründer wurde zum Land der subventionierten Biotonnen und Windräder. Der Rest der Welt staunt schmunzelnd über germanische Sonderwege und umarmt den Fortschritt. Dem Land wird Schwaz-Grün nicht gut tun, weil es die Realitätsflucht verstärkt. Statt Chancen einer globalisierten Welt zu erkennen und zu nutzen, starren die Deutschen weiterhin auf jedes noch so geringe Risiko. Das ist nicht sonderlich klug, kommt aber bei vielen Menschen gut an. Für solche Stimmungen hatte schon Adenauer einen guten Riecher. Als der CDU-Wahlkampfausschuss den Slogan „Keine Experimente“ ablehnte, entschied er: „Nee, Nee, meine Herren, wenn die Reklamefritzen dat meinen, dann machen wir dat so.“ Michael Miersch ist Publizist, Buch- und Filmautor mit Schwerpunkt Politik und Wissenschaft. Er bloggt auf www.achgut.de Foto: Picture Alliance

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