Deutsche Wirtschaft - Endlich Krise!

Die fetten Jahre sind vorbei. Die Wirtschaft schrumpft. Doch das ist kein Grund zur Panik. Im Gegenteil, so kann Deutschland wieder lernen, worauf es wirklich ankommt: nicht auf eine Fleischsteuer und nicht auf Freifahrten für Soldaten

Die fetten Jahre scheinen vorbei, vor allem in der Autobranche / picture alliance
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Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Kaum läuft die deutsche Wirtschaft nicht mehr unter Volldampf, schon ertönt der Ruf nach Konjunkturprogrammen. Das linke Lager wittert die Chance, endlich von der ungeliebten „schwarzen Null“ Abschied zu nehmen, um mit neuen Schulden wieder ordentlich Klientelpolitik treiben zu können. Olaf Scholz lässt seine Finanzbeamten bereits ein 50-Milliarden-Paket schnüren, mit dem er sich bei seinen Genossen als Anwalt der kleinen Leute profilieren und damit seine Aussichten auf den SPD-Vorsitz verbessern kann. Die Pläne der Grünen summieren sich mit Klimafonds, Grundeinkommen und drastisch höherem Kindergeld auf 140 Milliarden Euro. 

Die CDU begnügt sich noch mit Abwrackprämien für alte Ölheizungen. Doch je stärker sich die Konjunktur eintrübt, desto lauter werden allerhand Interessenverbände versuchen, für sich ein kleines Förderprogrämmchen herauszuschinden. Notfalls eben auf Pump.

Deutschland ist Krisen-entwöhnt und Hochsteuerland

Die Debatte zeigt, wie erfolgsverwöhnt Deutschland geworden ist. Oder genauer: wie Krisen-entwöhnt. Gejammert wird auf hohem Niveau: Unsere Wirtschaftsleistung (BSP) hat sich in den letzten 20 Jahren von zwei auf dreieinhalb Billionen Euro fast verdoppelt. Die Arbeitslosigkeit ist fast verschwunden, und mit rund 45 Millionen Erwerbstätigen steht mehr als die Hälfte der Bundesbürger in Lohn und Brot. Die Rentner sind überwiegend zufrieden, wie die Allensbacher Altersstudie von 2017 belegt. Das Geldvermögen der Deutschen erreicht mit 6,17 Billionen Euro (oder 74 000 Euro pro Kopf) eine neue Höchstmarke. 

Diese Erfolge sind auch das Verdienst des mittlerweile verfemten Gerhard Schröder (SPD), der mit seiner Agenda 2010 die Weichen aus der damaligen Krise gestellt hat. Der seit 2005 regierenden Angela Merkel (CDU) sind hingegen negative Rekorde anzulasten: Deutschland ist mittlerweile Hochsteuerland, sowohl für Arbeitnehmer wie für Unternehmen. Bund, Länder und Gemeinden können mit Einnahmen von 793,7 Milliarden Euro aus dem Vollen schöpfen, und lassen die Infrastruktur dennoch verkommen. Die Energiewende treibt vor allem die Stromkosten auf immer neue Spitzenwerte, ohne dass der CO₂-Ausstoß merklich sinkt. Mit 996 Milliarden Euro gibt Deutschland inzwischen 29,4 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Soziales aus. Tendenz steigend. Denn die schwarz-rote Regierung Merkel war vor allem bei neuen Ausgabenprogrammen eifrig: Bald tritt ein weiteres „Rentenpaket“ in Kraft, für Altenpfleger gibt es mehr Lohn, und die Krankenkassen werden zu neuen Leistungen verpflichtet. 

Zwar macht der Bund seit 2014 keine neuen Schulden, aber Vorsorge für magere Jahre wurde eben auch nicht getroffen. Das Land, dem „Nachhaltigkeit“ angeblich so wichtig ist, ignoriert diese Grundsätze in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Allein die Rentenausgaben werden sich bis 2045 von heute 282 auf 783 Milliarden Euro mehr als verdoppeln, derweil die Einnahmen lediglich auf 606 Milliarden Euro steigen, was natürlich auch an den veränderten demografischen Verhältnissen liegt. Auch bei den Beamtenpensionen, den Krankenkassen und bei der Pflege steht die Überalterung der Gesellschaft erst noch bevor. 

Die Herausforderungen der Zukunft

Das sind die Herausforderungen der Zukunft: Die Sozialkassen krisenfest zu machen, anstatt immer neue Ansprüche zu schaffen. Ob Brexit oder Handesstreit – irgendeine Krise ist immer. Kein Boom dauert ewig. Das biblische Gleichnis gilt auch für Nationen: Sieben fetten Jahren folgen sieben magere. Die Zyklen mögen sich verschieben, doch nirgends wachsen die Bäume in den Himmel. Wenn die konjunkturelle Eintrübung dafür den Blick schärft, ist dies durchaus auf der Habenseite zu verbuchen. 

Wohl und Wehe des Landes hängen weder von einer höheren Fleischsteuer noch von Freifahrten für Soldaten ab, sondern von der Fähigkeit der Industrie, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten. Autos, Chemie, Maschinenbau: das sind die Garanten des Wohlstands. Sie brauchen, wie es ifo-Präsident Clemens Fuest fordert, Entlastungen bei Steuern, Sozialabgaben und den Energiekosten. Wie folgenschwer die Einbrüche bei Daimler, VW, BMW oder Bosch sind, verdeutlicht der Konsumgüterkonzern Henkel: Weil die Autobranche weniger Klebstoffe ordern, brechen Umsatz und Ertrag ein.

Doch anstatt zu realisieren, dass Deutschland an seinem tragenden Ast sägt, sinnieren wir lieber darüber, wie man der Autobranche weiter an den Karren fahren kann. Hauptsache, der CO₂-Ausstoß geht zurück. Selbst um den Preis der eigenen Wohlstandsvernichtung.

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