Die SPD und der Wahlkampf - Ohne Wirtschaftskompetenz wird es nichts

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie wichtig die Zuschreibung von Wirtschaftskompetenz für den Wahlerfolg der SPD auch künftig sein wird. Kurz vor Beginn des Wahlkampfs für die Bundestagswahl 2021 aber sucht man bei den Sozialdemokraten eher vergeblich nach dieser Erkenntnis.

Wohin mit der Wirtschaft? Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken beim Debattencamp der SPD / dpa
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Autoreninfo

Nils Heisterhagen ist Sozialdemokrat und Publizist. Zuletzt sind von ihm im Dietz-Verlag erschienen: „Das Streben nach Freiheit“ und  „Die liberale Illusion“.

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Zu den Regelmäßigkeiten des jeden Monat neu erscheinenden ZDF-Politbarometers gehört es, die „Wirtschaftskompetenz“ abzufragen. Genauer werden nur die Bewertung der Wirtschaftskompetenz der CDU/CSU und SPD abgefragt (zumindest nur sie werden präsentiert).

Für den Dezember ergab die Befragung, dass 46 Prozent der Union Wirtschaftskompetenz zu billigen. Und lediglich 9 Prozent das auch über die SPD sagen. Im November lag die Union sogar bei 55 Prozent und die SPD bei 9 Prozent. Im November lag der Unterschied also bei 46 Prozent. Das sind gewaltige Unterschiede.

Abwärtstrend bei Wirtschaftskompetenz

Nun ist dieser Unterschied nichts Neues. Die Zeitreihe des ZDF-Politbarometers geht zurück bis 2004. Seitdem ist die SPD immer weit abgeschlagen unter der Union. Nur ein paar Mal hat sie es seit 2004 über 20 Prozent Wirtschaftskompetenz geschafft, während die Union zugleich nie unter 20 Prozent gefallen ist.
Erklärt diese Grafik nicht auch, zumindest zum Teil, warum die Union seit sehr langer Zeit in den Sonntagsumfragen weit vor der SPD steht und die SPD konstant Wähler und Wahlen verliert? Während die Union nämlich seit 2013 immer um die 40 Prozent liegt, ist die SPD von circa 20 Prozent immer weiter abgerutscht. Zuletzt hatte sich die Wirtschaftskompetenzzuschreibung bei 10 Prozent und weniger eingependelt. 2017 ging es im Frühjahr einmal etwas hoch, da wo der Martin Schulz Hype war. Seitdem Abwärtstrend.

2005 hatte Gerhard Schröder Angela Merkel aber auch ein sehr enges Rennen geliefert und holte deutlich über 30 Prozent der Stimmen. Obwohl die Wirtschaftskompetenz der Partei damals bei nur knapp 20 Prozent lag. 2005 allerdings, dem Jahr als Angela Merkel zum ersten Mal antrat und gemeinsam mit dem „Professor aus Heidelberg“, Paul Kirchhof, eine radikale Steuerpolitikreform forcierte, war die Wirtschaftskompetenzzuschreibung der Union so gering wie selten in den letzten 16 Jahren.

Union und SPD lagen einst nah beieinander

Offensichtlich irritierte der Merkel'sche Neoliberalismus des Leipziger Programms der CDU und die radikale Steuerpolitik der Union dieser Jahre – man denke auch an Friedrich Merz und seinen Bierdeckel – die Wähler und schreckte sie ab. Nach 2005 ging es dann für die Union nämlich schnell wieder nach oben, während die SPD im tiefen Kompetenztal verharrte. Seltsam ist es allerdings, dass die Werte der Union eigentlich nur Anfang 2005 sehr schlecht waren, aber sich im Laufe des Jahres erholten und um den Wahltermin herum schon wieder bei gut 40 Prozent lagen.

Eigentlich war also zur Wahl hin der Vorteil der guten Bewertung bei der Union – obwohl der Wahlkampf 2005 zum Endspurt immer mehr Richtung SPD drehte. Allein an der Wirtschaftskompetenz kann es also nicht gelegen haben, warum die SPD auftrumpfte. Der Unterschied zwischen Union und SPD lag aber eben zu Anfang 2005 nur bei ein paar Prozent – auch wenn auf geringem Niveau. Die Wirtschaftskompetenz einer Partei dominierte nicht – so wie sie es heute tut.

Korrelation zur Kompetenzzuschreibung

Noch aufschlussreicher ist eine Grafik über die Wirtschaftskompetenz, deren Zeitreihe bis 1998 zurückreicht, und die sich ausgerechnet in einem von der SPD selbst nach der Wahlniederlage 2017 beauftragten (und als Aufarbeitung der Niederlage gedachten) Bericht findet, nämlich „Aus Fehlern lernen“. Auf Seite 22 dieses Berichts ist zu lesen, dass die „Problemlösungskompetenz Wirtschaft“ – erhoben auch hier von „Forschungsgruppe Wahlen“, genauso wie das ZDF-Politbarometer – 1998 bei der SPD bei 33 Prozent lag und die der Union bei 37 Prozent. 2002 bei 31 Prozent (SPD) und 36 Prozent (Union). Also nah beieinander und die Wahlergebnisse der SPD waren deutlich jenseits der 30 Prozent. 1998 sogar bei über 40 Prozent.

Die Grafiken zur Wirtschaftskompetenz verraten demnach, dass die SPD zuletzt Wahlen gewann (1998 und 2002) als sie als wirtschaftskompetent eingestuft wurde. Im Bericht „Aus Fehlern lernen“ erfährt man auch, dass die „Problemlösungskompetenz Arbeitsmarktpolitik“ und die „Problemlösungskompetenz Zukunft“ seit 1998 nur einen Weg kennen: nach unten. Man muss kein schlauer Fuchs sein, um hier mehr als eine Korrelation zwischen Wahlergebnissen der SPD seit 1998 (die kennen auch nur den Weg nach unten) und ihrer Kompetenzzuschreibung auszumachen.

Die SPD ist ziemlich blank

Man darf, ohne Demoskopen verärgern zu wollen, auch von einer Kausalität sprechen. Aber warum setzt die SPD dann heute so wenig auf Wirtschaft, Arbeit, Industrie? Warum versucht sie nicht alles, um in diesen Bereichen ihre Werte zu verbessern? Insbesondere bei Wirtschaft? Einen Beschluss des SPD-Parteivorstands zu einer neuen Industriepolitik sucht man seit langem vergebens. Zur Transformation der Autoindustrie gibt es keinen Beschluss – auch wenn die SPD zwischenzeitlich mal mit Hilfeideen für Autozulieferer auffiel. Zur Digitalisierung gibt es auch nichts. Die SPD ist da einfach ziemlich blank. Und kommt in den Umfragen zeitgleich nicht von der Stelle. Mag man hier einen Zusammenhang erkennen?

In einem sehr unschönen Verriss der SPD, schrieb der SZ-Journalist Mike Szymanski gerade: „Der letzte wirkliche Impuls aus dem Willy-Brandt-Haus war das Sozialstaatskonzept, das die Hartz-IV-Politik ablösen soll; Andrea Nahles hatte es 2019 präsentiert.“ Das ist nun bald zwei Jahre her.
Wenn die SPD wirklich ins Kanzleramt will, und Olaf Scholz glaubt man es, dass er es wirklich will, dann muss in der Partei grundsätzlich und in der Parteizentrale im Besonderen, nun ein radikales Umdenken stattfinden. Weniger Identitätspolitik, weniger Social Media, und mehr Inhalt, Konzepte und Kompetenz.

Daher soll es hier eine rhetorische Frage sein, ob folgende Stellenausschreibungen, die sich Anfang Dezember auf der Internetseite der SPD fanden, so Sinn ergeben:

– Referent/in in der Artdirektion
– Sachbearbeiter/in in der Pressestelle
– Mitarbeiter/in im Referat Projektorganisation
– Referent/in für Online Marketing
– Zwei Referent/Innen für Social Media
– Referent/in für Personal
– Redakteur/in Text
– Referent/in in der Pressestelle
– Drei Mitarbeiter/Innen Beteiligung und Mobilisierung

Leider fand sich dort keine einzige Ausschreibung für einen Referenten, der etwas Inhaltliches tun soll. Die sinkende Kurve der Kompetenzzuschreibung sollte da niemanden wirklich wundern. Die Wahlergebnisse dann auch nicht – wenn man eine Kausalität unterstellt. Sowas kommt eben von sowas.

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