Seitenwechsel von Schröder und Wulff - Lasst sie doch

Altkanzler Gerhard Schröder und Ex-Bundespräsident Christian Wulff wollen sich etwas dazu verdienen. Der eine bei Putins Energiefirma, der andere bei einem türkischen Modelabel. Dagegen spricht erstmal nichts. Aber es sollte eine Bedingung geben

Gerhard Schröder und Christian Wulff fühlten sich arbeitstechnisch wohl nicht ganz ausgelastet / picture alliance
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Ludwig Greven ist freier Journalist und Autor. Er unterrichtet politischen Journalismus.

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Es gibt immer wieder Mitarbeiter, die sich von ihren Arbeitgebern heraus- oder an den Rand gedrängt fühlen. Das gilt manchmal immer noch für ehemalige Angestellte. Im Fall von Gerhard Schröder waren es die Wähler, die ihn 2005 unsanft aus dem Amt gemobbt haben. Im Fall von Christian Wulff waren es 2012 die Presse, die Öffentlichkeit und die Justiz in Form eifriger Staatsanwälte. Schröder und Wulff fühlen sich mit den Repräsentationsaufgaben, die sich aus ihren Ämtern als Kanzler und Bundespräsident ergeben haben, offenbar nicht ausgelastet. Mit ihren bisherigen Nebentätigkeiten in Anwaltskanzleien in Hannover und Hamburg augenscheinlich auch nicht. Wahrscheinlich auch in finanzieller Hinsicht. 

Schröder und Putin, Brüder im Geiste

Schröder möchte deshalb nicht nur Aufsichtsratsmitglied bei der russischen Pipelinegesellschaft Nord Stream bleiben, die Erdgas nach Deutschland und Westeuropa liefert – in seinen letzten Tagen als Kanzler verhalf er zur Lizenz (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Jetzt soll es auch noch ein Aufsichtsratsposten im kremlnahen, staatlichen Mutterkonzern Rosneft sein. Berufen durch seinen Männerfreund Wladimir Putin.

Der hat schon dafür gesorgt, dass Rosneft zum größten und wichtigsten russischen Öl- und Gasunternehmen aufstieg. Erreicht hat Putin das durch staatlich beförderten Raub des Vermögens seines politischen Gegenspielers und postkommunistischen Raubtier-Oligarchen Michail Chodorkowski, dessen mehrjährige Verbannung in ein Straflager und Zerschlagung und die Einverleibung von dessen Erdölkonzern Yukos. Alles zum Wohle des Kreml-Herrschers. Warum sollte er dort nicht seinen deutschen Bruder im Geiste unterbringen und versorgen?

Win-Win-Situation für Wähler und SPD

Den deutschen Wählern kann das ebenso wie Schröders Altpartei SPD nur recht sein. Jetzt fällt er dem Steuerzahler nicht mehr zur Last. Denn Schröder wird, so großmütig wie er nun mal ist, im Fall seiner Wahl in das Rosneft-Aufsichts- und Lenkungsgremium sicher auf all seine Bezüge als früherer Bundeskanzler, niedersächsischer Ministerpräsident sowie ehemaliger Bundestags- und Landtagsabgeordneter verzichten. Dann wird er die deutsche Öffentlichkeit nicht mehr mit unerbetenen Ratschlägen und Interviews behelligen und seine Genossen nicht mehr mit kämpferischen Reden wie auf dem jüngstem Parteitag nerven.

Deshalb ist es unverständlich, weshalb sich die Kanzlerin, Abgeordnete quer durch alle Parteien und Kommentatoren in den Medien derart erregen und empören. Sogar Martin Schulz grummelt von „Privatsache“ und „würde ich nicht machen“. Dabei sehen sie alle die Großherzigkeit, die im Angebot von Schröder und Putin liegt nicht. Eine Hand wäscht die andere. Diese geradezu biblische Losung schwebt auch über dem Gasdeal. Zum Nutzen und Frommen der Beschäftigten bei Rosneft (Schröder ist schließlich noch immer Sozialdemokrat), der deutschen Erdgasbezieher und nahezu allen anderen. Es bestünde auch absolut gar keine Gefahr mehr, dass Schröder jemals zum Jobcenter muss und dem von ihm geschaffenen Hartz-IV-System zur Last fiele.

Nacheiferer Wulff

Bei Christian Wulff ist es noch einfacher. Er hat immer schon seinem von ihm bewunderten niedersächsischen Vorgänger und Vorbild Schröder im Kleinen nachgeeifert. Für kurze Zeit hat er ihn sogar formal übertroffen, indem er Bundespräsident und nicht nur Kanzler wurde. Sonst eher nicht. Schröder hat Deutschland die Agenda 2010 hinterlassen, sein Nein zu Bushs Irak-Krieg und seinen Beinahe-Wahlsieg 2005. Wulff hinterlässt den Satz: „Der Islam gehört auch zu Deutschland.“ Warum soll er jetzt nicht bei einem türkischen Modeunternehmen arbeiten – als Dankeschön – wenn er das möchte? Er sollte allerdings  die entsprechenden Bedingungen erfüllen und auf seinen Ehrensold als Altbundespräsident verzichten.

Eines sollten Öffentlichkeit und Politik jedoch verlangen: dass beide auf ihre Ehrentitel verzichten und auf weitere repräsentative Termine im Auftrag des Staates, den sie einmal vertreten haben. Sie dürfen sich nicht mehr damit schmücken, dass sie einmal Bundeskanzler und Bundespräsident waren. Das wäre ein wirklich sauberer Deal.

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