Opel vor dem Verkauf - „Das wird verdammt schwer“

General Motors will seine Europa-Tochter Opel an den französischen Konzern PSA verkaufen. Kommt die traditionsreiche Firma so endlich wieder in die Spur? Klaus Franz, ehemaliger Gesamtbetriebsratschef, sieht seinen früheren Arbeitgeber vor einer Mammutaufgabe

Von dem Glanz der Vergangenheit ist bei Opel nicht mehr viel übrig / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

So erreichen Sie Constantin Wißmann:

Anzeige

Herr Franz, Ihr Spitzname war „Mr. Opel“, noch heute sind Sie hervorragend mit den Mitarbeitern vernetzt. Haben Sie damit gerechnet, dass General Motors mit dem französischen Konzern PSA, dem Peugeot und Citroën gehören, über den Verkauf von Opel verhandelt?
Das Angebot kam total überraschend. Es war mir aber klar, dass sich jetzt bei Opel etwas ändern wird. Entgegen aller Versprechungen ist es Opel doch nicht gelungen, 2016 auf die schwarze Null zu kommen. Die Marke hat Verluste in Höhe von mehr als 250 Millionen US-Dollar bilanzieren müssen. Das wollte General Motors sicher nicht länger mitmachen. Die haben 15 bis 18 Milliarden US-Dollar in den vergangenen Jahren in Opel gesteckt und bisher nichts davon gesehen. Jetzt würden wieder große Investitionen durch gesetzliche CO2-Bestimmungen und Investitionen in die neue Mobilität anstehen. Da hat sich General Motors sicher die Grundsatzfrage gestellt: Steht das noch im Verhältnis zu sieben Prozent Marktanteil in Europa, die Opel hat? Dass sie das in Zweifel ziehen, ist nachvollziehbar. Der Konzern ist schon länger nicht mehr nach Volumen ausgerichtet, sondern nach Rentabilität. 

Doch was will PSA mit Opel? Peugeot, Citroën und Opel bauen doch mehr oder weniger die gleichen Autos, alle sind in der Kompakt- und Mittelklasse stark, nicht aber bei den margenträchtigen Oberklasse-Modellen.
Man muss sehen, dass die Automobilindustrie vor den fundamentalsten Veränderungen ihrer Geschichte steht. Die Zukunft gehört umweltfreundlichen Fahrzeugen, der Elektromobilität und selbstfahrenden Autos. Die großen Hersteller, VW, Daimler, BMW, Toyota und so weiter, die haben die Finanzkraft, diese Veränderungen zu stemmen. Da wird sich PSA sagen: Mit Opel können wir deutlich an Masse zulegen – und dadurch Kosten bei Forschung und Entwicklung sowie beim Einkauf sparen sowie die Produktionskapazitäten besser auslasten.

Klaus Franz während der Krise Opel-Krise 2008/09

Aber gerade in den Zukunftstechnologien sieht es bei beiden eher mau aus. Bei Opel sollte eigentlich bald der Ampera-E vorgestellt werden, ein Elektrofahrzeug mit 500 Kilometern Reichweite. Der wird aber in den USA gebaut.
Ja, das ist eine hundertprozentige US-Entwicklung und -Produktion. Alle Patente und das Know-How in der Batterie- und Wasserstoff-Technologie sind systematisch von Deutschland abgezogen und in die USA verlagert worden. Opel selbst verfügt nur noch über eine Handvoll Ingenieure für dieses Thema. Diese technologische Innovationskraft hat das Unternehmen derzeit nicht mehr. Das sind aber Dinge, die beim Verkauf, wenn er denn stattfindet, noch geregelt werden müssen und können, die sind überbrückbar. Letztlich ist das momentan nicht das Entscheidende. 

Was ist denn das Entscheidende?
Ich habe damals in der Krise 2009 erfahren, dass es ganz wichtig ist, dass die Öffentlichkeit hinter Opel steht. Sonst sagen die Leute, „bei Opel gibt es alle fünf bis sieben Jahre eine große Krise, dann werkeln sie wieder rum, und dann geht es wieder schief, was soll ich mich darum kümmern“. Auch diesmal wird es nicht ohne die Unterstützung des Staates und der wohlgesonnen Öffentlichkeit gehen. Ich zähle auf diese positive Unterstützung gerade jetzt, zumal wir in Frankreich und Deutschland in diesem Jahr Wahlen haben. Aber das geht nicht ohne das Wohlwollen der Öffentlichkeit. Da müssen alle Beteiligten, Management, Gewerkschaft und Betriebsrat, schleunigst daran arbeiten. Es werden schon viel zu viele Spekulationen quasi postfaktisch zur Wahrheit erklärt.

Was müsste getan werden?
Wie werden die Standorte beschaffen sein? Wie werden diese ausgelastet? Wie sollen die Werke aussehen? Wo sind Synergien? Wo können wir was dazugewinnen? Wo werden wir was verlieren? Wie läuft die Kooperation mit den französischen Gewerkschaften? All diese Fragen müssen schnell geklärt werden.

Wie ist die Stimmung unter den Beschäftigten?
Es herrscht verständlicherweise eine Verunsicherung. Die Leute haben gerade ein bisschen Luft holen und sich auf die Arbeit konzentrieren können. Sie sehnen sich nach Halt und Orientierung. Sie wollen wissen, wo es langgeht. 

Bei der Krise 2008/2009 war der Einstieg des Zulieferers Magna eigentlich schon beschlossene Sache. Im letzten Moment entschied sich General Motors Opel doch zu behalten und stieß alle anderen vor den Kopf. Spielen die Amerikaner wieder ein Spiel?
General Motors ist unberechenbar. Das waren sie immer. Auch jetzt hatte Opel-Chef Karl-Thomas Neumann gesagt, er habe die besten Drähte in die Konzernzentrale. Dann ist er aber offenbar nur ganz kurzfristig über die Entwicklung informiert worden.

Angenommen, der Verkauf findet statt. Kann das auch eine Chance für Opel sein, nicht mehr unter dem Joch der Amerikaner zu stehen?
Eine Chance bestünde darin, endlich nicht mehr im europäischen Markt eingesperrt und beispielsweise auch im chinesischen Markt präsent zu sein, was bisher von General Motors verhindert wurde. Dazu könnten dann auch die gemeinsamen Vertriebswege von Opel und PSA genutzt werden. Aber auch PSA ist in China schwach vertreten. Außerdem ist die Frage, ob General Motors es in den Verhandlungen zulässt, dass in China Opel-Fahrzeuge verkauft werden dürfen. Schließlich stünden die in direkter Konkurrenz zu den GM-Marken Buick und Chevrolet. 

Aus dem Bauch heraus, wäre der Verkauf für Opel eine gute Sache?
Das kommt darauf an, was man daraus macht. Aber es wird verdammt schwer. Der europäische Markt ist eigentlich gesättigt, der Verdrängungswettbewerb brutal und die technologischen Herausforderungen bedürfen enormer Investitionen. Das wird ein großer Ritt werden, das zu schaffen, ohne dass Werke geschlossen werden und die Beschäftigten unter die Räder kommen. Das wird eine Mammutaufgabe, die viele Unterstützer, aber vor allem einer wohlwollenden Öffentlichkeit bedarf.

Klaus Franz, 64, arbeitete 37 Jahre bei Opel und war bis zu seinem Ruhestand 2011 Chef des Gesamtbetriebsrats. Während der für den Hersteller turbulenten Jahre 2008 und 2009 wurde er als Gesicht der Opel-Rettung bundesweit bekannt. Gerade hat er über diese Zeit ein Buch veröffentlicht: „Die Rettung von Opel vor der Insolvenz. Das Beispiel gelebter Mitbestimmung“ ist im Verlag im Bücherhaus, Ginsheim-Gustavsburg erschienen.

Anzeige