Neymar-Transfer - Der ganz normale Wahnsinn

222 Millionen Euro Ablöse hat der französische Fußballverein Paris Saint-Germain für den Brasilianer Neymar an den FC Barcelona gezahlt. Das sei wahnsinnig und pervers, ist seitdem überall zu hören. Doch das Geschrei ist heuchlerisch. Den Preis zahlen die Fans freiwillig

Ist Neymar 222 Millionen Euro wert? / picture alliance
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222 Millionen Euro. Man muss erst einmal schlucken, wenn man diese Zahl sieht. Davon könnte man sich drei Boeing-Flugzeuge kaufen, Mossul wiederaufbauen oder 55,5 Millionen Happy Meals bei McDonald‘s essen. Der französische Verein Paris Saint-Germain (PSG) aber hat diese Summe für den brasilianischen Fußballer Neymar an den FC Barcelona überwiesen. So hoch war die festgeschriebene Ablösesumme, eine Schnapszahl, die schon zeigt, dass bei Barcelona niemand damit gerechnet hat, dass irgendjemand diese Fantasiesumme wirklich aufbringen will. Aber es geht noch größer. Insgesamt wird der Transfer PSG wohl an die 800 Millionen Euro kosten.

Seitdem ist das Geschrei laut. Der Fußball sei wahnsinnig geworden, heißt es allerorten, diese Summen seien pervers und würden das Spiel kaputt machen. Doch spätestens als auch José Mourinho, der portugiesische Trainer von Manchester United, ins Klagelied miteinstimmte, drängte sich ein Verdacht auf. Ist das Ganze nicht ein wenig heuchlerisch? So war es doch Mourinho, der schon im vergangenen Jahr 105 Millionen Euro in den eher durchschnittlich kickenden Franzosen Paul Pogba investierte, und in diesem Jahr 85 Millionen ausgab für den außerhalb der englischen Premier-League kaum bekannten belgischen Stürmer Romelu Lukaku.

Der Fan zahlt die Summen

Aber all diese Summen würde es nicht geben ohne uns, den Fußball-Fans oder eher den Fußball-Konsumenten. Schließlich sind wir es, die weiterhin ins Stadion rennen und dafür immer höhere Eintrittspreise zahlen; Trikots kaufen, die mehr als 80 Euro pro Stück kosten oder jeden Monat 20 Euro ans Pay-TV überweisen, um kein noch so langweiliges Bundesliga-Spiel zu verpassen. 45.000 kamen ins Pariser Prinzenpark-Stadion, um Neymar das erste Mal spielen zu sehen. Beim Training wohlgemerkt. Und einige von ihnen schlugen sich danach, um die ersten Neymar-Trikots zu ergattern.

So sind die Fans, so sind wir Menschen. Nach Niederlagen brüllt man gern „Scheiß-Millionäre“, um nach dem nächsten Tor wieder um ein Autogramm zu betteln. Die Verantwortlichen in den Vereinen wissen das. Scheich Nasser Al-Khelaifi aus Katar, Präsident von PSG, hat nach dem Transfer gesagt: „Das ist nicht teuer. Wir werden mehr Geld verdienen, als wir bezahlt haben.“ Ob er Recht behält, lässt sich jetzt noch nicht sagen.

Vorerst sind die 222 Millionen Euro ein Liebhaberpreis, wie bei einem Bild von Picasso. Auch da weiß niemand, wie viel es wert ist, bis jemand einen Preis bezahlt. Die Chancen, dass sich die Kosten amortisieren, stehen aber nicht schlecht. Der FC Barcelona zum Beispiel hat in den vergangenen 7 Jahren seinen Umsatz um 70 Prozent steigern können. Fast alle europäischen Spitzenklubs sind ähnlich stark gewachsen. Das Konzept ist immer das Gleiche: Die besten Spieler kaufen, Erfolg garantieren, dadurch die globale Reichweite vergrößern und den Gewinn maximieren.

Fußball auf dem Zenit?

Dennoch könnte es sein, dass der Fußball mit dem Neymar-Transfer das erreicht hat, was US-amerikanische Ökonomen einen Tipping Point nennen, einen Moment des Umkippens. Einer der bekanntesten Sätze Sepp Herbergers lautet: „Die Menschen gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie’s ausgeht.“ Das stimmt nicht mehr. Und auch das Otto Rehhagel-Diktum, dass Geld keine Tore schießt, ist längst widerlegt. In der Bundesliga kann man sich kaum noch vorstellen, dass ein anderes Team als Bayern München Meister wird, in der Champions-League kommt es nur noch darauf an, welche spanische Mannschaft sich am Ende durchsetzt. Schon gibt es zarte Anzeichen dafür, dass die Fußball-Begeisterung nachlässt. Die deutsche Nationalmannschaft hat mittlerweile Schwierigkeiten, die Stadien zu füllen, der FC Bayern öffnete vor einem Jahr gegen Ingolstadt erstmals die Tageskasse der Allianz-Arena.

Es gibt also eine einfache Methode, dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Einfach nicht mehr hingehen, keine Trikots mehr kaufen und den Fernseher mal ausschalten, wenn Fußball läuft. Ersatzprogramme gibt es genug. Zum Beispiel im Amateurfußball. Da kickt keiner so gut wie Neymar, aber hin und wieder gelingt sogar in der Kreisklasse eine Flanke. Und man weiß nicht, wie’s ausgeht.

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