Lufthansa in der Coronakrise - Vom Niedergang der Airlines

Das Schicksal der wirtschaftlich weitgehend gesunden Lufthansa zeigt, wie sehr die Coronaviruskrise unsere Wirtschaft trifft. Denn unser Mobilitätsverhalten hat sich dramatisch verändert. Und fest steht bereits jetzt, die Mitarbeiter der Flugbranche werden die größten Veränderungen zu spüren bekommen.

Wie viel werden wir noch fliegen? / dpa
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Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Piloten machen normalerweise von sich reden, wenn sie fast alljährlich für höhere Gehälter streiken. Meist ist ihr Arbeitskampf dabei auch von Erfolg gekrönt, denn sie sitzen nicht nur im Cockpit, sondern auch an einem der wichtigsten Schalthebel in unserer globalisierten Welt. Der Hebel heißt schnelle und grenzenlose Mobilität und er ist zugeich Gradmesser für unsere wirtschaftliche Entwicklung. Ob Güter- oder Personenverkehr, ob Schiff, Schiene, Straße oder Flugzeug: Die Anzahl dessen, was lokal, regional und global unterwegs ist, zeigt an, wie es um Handel, Tourismus und Business bestellt ist. Die Folgen der Corona-Pandemie aber haben dem Verkehr der Welt einen plötzlichen Stillstand verpasst. Während die Konjunktur in vielen Bereichen der Welt wieder an Fahrt aufnimmt, die Flugzeuge bleiben in vielen Fällen noch immer am Boden.

Dass nun die Piloten der Lufthansa anbieten, in der Corona-Krise freiwillig auf bis zu 45 Prozent ihres Gehalts zu verzichten, ist ein einmaliger Vorgang. Und er zeigt, wie schlimm es um die Branche stehen muss. Die Piloten hoffen, auf diese Weise irgendwie die Arbeitsplätze zu erhalten. Laut der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (Ufo) spricht die Lufthansa derzeit von einem „Überhang von 26.000 Arbeitsplätzen im Konzern“. Die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust trotz Staatshilfen von rund 9 Milliarden Euro ist groß. Zurecht. Denn unsere Mobilität wird sich voraussichtlich grundlegend verändern.

Flugverkehr von jeher konjunkturabhängig

Zwar gehen die Restriktionen durch Corona allmählich zurück. Und es steht außer Frage: Lokale, regionale und überregionale Mobilitätsangebote bleiben wichtig – privat und beruflich. Für urbane Megatrends wie Elektromobilität, Sharing-Angebote, Fahrradverkehr und ÖPNV könnte die Coronakrise langfristig sogar als Katalysator wirken. Rufe nach einem Aussetzen der CO2-Ziele werden zwar laut. Aber die Politik wird die Weichen kaum umstellen. In diesen Segmenten erscheint benötigtes Wachstum durch Innovation möglich, und der Klimawandel ist nicht plötzlich verschwunden. Zwar meiden viele Menschen derzeit noch immer die Bahn und den ÖPNV, langfristig aber wird die Nutzung zwangsläufig wieder zunehmen, ergänzt durch einen womöglich stärkeren Fahrradverkehr.

Anders aber auf der Langstrecke. Von allen Mobilitätsformen dürfte der Flugverkehr auf Jahre am stärksten betroffen sein. Von jeher konjunkturabhängig, werden hier Krisen und wirtschaftliche Verwerfungen sofort sichtbar – so war es bei 9/11, bei der Sars-Pandemie 2002/2003 und auch bei der Finanzkrise 2008/2009. Noch im Dezember 2019 hatte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein globales Prognosemodell für den weltweiten Luftverkehr im Jahr 2040 vorgestellt. Darin rechneten die Forscher mit einer Verdopplung der Passagierzahlen in den nächsten 20 Jahren – von rund 4 Milliarden 2016 auf mehr als 9,4 Milliarden 2040. Die Forscher bleiben zwar in einem Statement vom Frühjahr optimistisch; es sei „nach Beendigung der Corona-Krise von einem raschen Aufwärtstrend auszugehen“. Aber die Situation, so das DLR, sei „sehr volatil“.

Die Unternehmensberatung Roland Berger zeichnete in einer Expertise hingegen bereits im April düstere Szenarien. Denn von der Luftfahrtkrise sind neben den Airlines wie Lufthansa auch Hersteller wie Boeing oder Airbus betroffen, Wartungsbetriebe und Zulieferer. Statt für eine wirtschaftliche V- oder U-Entwicklung spricht immer mehr für ein langgezogenes L. Bis ein Impfstoff gefunden ist, werden Reisebeschränkungen wohl weltweit anhalten. Zumindest droht hier immer wieder der kurzfristige Lockdown der Grenzen. Es gibt kaum eine Branche, die samt ihrer einheitlichen Standards derart globalisiert aufgestellt ist und deshalb auch derart verwundbar ist. Auch bei einem „new normal“ auf niedrigerem Niveau ab Sommerflugplan 2022, so die Berger-Expertise, würde das Reisevolumen nur 80 Prozent des Vorkrisenniveaus erreichen.

Die Gefahr des „rasenden Stillstands"

Doch es sind längst nicht nur die Restriktionen und die Gefahr vor immer wiederkehrenden Pandemie-Wellen, die der Flugbranche zu schaffen machen werden. Hinzu kommt voraussichtlich, was das Institut für Mobilitätsforschung, eine Forschungseinrichtung der BMW Group, bereits 2010 in einem von drei Szenarien für den Verkehr 2030 als „rasenden Stillstand“ beschrieben hatte. In diesem so benannten Zukunftsszenario führen mehrere krisenhafte Entwicklungen zu starken konjunkturellen Schwankungen, zu kurzfristig orientierter Politik und zu stagnierender und sinkender Mobilitätsnachfrage im Personen- und im Güterverkehr. Sinkender Außenhandel, neue Handelsbarrieren und re-regionalisierte Lieferketten könnten das Luftfrachtaufkommen empfindlich senken.

Teurere Tickets einer sich konsolidierenden Luftfahrtbranche mit weniger Billigfliegern stünden dann sinkenden Einkommen einer kostenorientierteren, pragmatischeren und wohl auch ökologischer agierenden Bevölkerung und einem rückläufigen internationalen Geschäftsreiseverkehr gegenüber. Viele Konzerne haben in der Coronakrise bemerkt, wie gut Meetings, Konfenzen und selbst ganze Events auch per Video-Call funktionieren können. Geht es den Unternehmen in der Wirtschaftskrise ans Geld, wird ohnehin besonders genau auf die Reisekosten der Angestellten geschaut. Die global vernetzten Homeoffice, sie könnten den Niedergang der Airlines weiter beschleunigen. Insbesondere die Business-Class-Tickets mit ihren höheren Margen dürften fehlen.

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