Analyse des Klimaschutzpakets - „Die Zeit der Billigflüge ist vorbei“

Die Große Koalition hat heute ihre Maßnahmen zum Klimaschutz präsentiert. Manuel Frondel, Professor für Energie-Ökonomik, findet viele Punkte sinnvoll, sieht aber auch eklatante Fehlgriffe. Im Interview erklärt er, welche

Schluss mit den Billigflügen: Die Bundesregierung will die Preise für Ryanair & Co. deutlich anheben / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Manuel Frondel ist Professor für Energie-Ökonomik an der Ruhr-Universität Bochum. 

Herr Professor Frondel, die Große Koalition hat heute ihr Klimaschutzpaket vorgestellt. Nach erster Betrachtung – ist das aus Ihrer Sicht ein großer Wurf oder eher heiße Luft?
Es ist eher ein großer Wurf als heiße Luft. Insbesondere findet sich die CO2-Bepreisung darin wieder, die Ökonomen ja präferiert haben und mit der vor einem Jahr kaum jemand gerechnet hätte. Und zwar sogar in der von mir persönlich favorisierten Variante, nämlich als Emissionshandelssystem. Zwar ist es übergangsweise mehr ein Steuer- als ein Emissionshandelssystem, aber es ist jedenfalls möglich, dass sich dieses System nahtlos in einen Emissionshandel auf EU-Ebene überführen und integrieren lässt. Die meisten Ökonomen hätten es aber am liebsten bei einer CO2-Bepreisung belassen und auf andere Maßnahmen verzichtet, die teuer sind. Beispielsweise auf Prämien für Elektrofahrzeuge.

Der wichtigste Punkt ist ja die Einführung einer CO2-Bepreisung für die Sektoren Verkehr und Wärme ab dem Jahr 2021, und zwar preislich gestaffelt: Von zehn Euro pro Tonne im Jahr 2021 bis auf 35 Euro pro Tonne im Jahr 2025. Wie bewerten Sie die Preise und die Staffelung? Ist das effizient, und was bedeutet es für die Bürger?
Ich finde das einen sehr guten Vorschlag. Es ist sinnvoll, dass es mit so niedrigen Preisen losgeht, und auch, dass die Preise anfangs fix sind. Meine größte Befürchtung war, dass es zunächst auf einen nationalen Emissionshandel in den beiden Sektoren Verkehr und Wärme hinausläuft – und wenn sich der Preis von Anfang an frei auf dem Markt hätte bilden können, dann wäre wegen der hohen Vermeidungskosten in beiden Bereichen zu vermuten gewesen, dass der Preis sehr schnell sehr hoch geht. Ein solches Szenario hat man mit fixierten, aber gestaffelt ansteigenden Preisen auf jeden Fall verhindert.

Aber teurer wird es schon. 
Aber nur schrittweise  – nicht massiv, die Leute werden also nicht überfordert. Ein CO2-Preis von 25 Euro je Tonne bedeutet netto einen Anstieg des Dieselpreises um 6,6 Cent pro Liter und bei Benzin um 5,9 Cent pro Liter. Und da man ja doch wesentlich niedriger anfängt, nämlich bei zehn Euro je Tonne CO2, heißt das, dass es gerade mal ein paar Cent sind, die da zunächst hinzukommen. Das tut dem Einzelnen kaum weh, solange er nicht allzu viel fährt. Die Bürger wissen aber gleichzeitig, dass es in Zukunft schrittweise immer teurer wird und werden sich beim nächsten Autokauf für ein effizienteres Auto entscheiden. Zumindest dann, wenn sie nicht ganz irrational handeln.

Gleichzeitig soll ja die EEG-Umlage sinken, indem sie künftig aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert wird. Worin besteht denn da die Logik?
Zunächst ist es positiv, dass die Politik sagt: Wir wollen keine Einnahmen generieren, die wir dann behalten und für andere, völlig willkürliche Zwecke ausgeben. Es geht hier also ganz klar darum, den Bürgern Geld wieder zurückgeben, und zwar mit der klaren Ansage, wofür. Den Strompreis zu reduzieren, indem man die EEG-Umlage senkt, ist eine gute Idee. Denn Strom ist im Vergleich zu allen anderen Energieträgern zu hoch belastet mit Umlagen und Abgaben, insbesondere mit der EEG-Umlage. Die Bürger beim Strom zu entlasten, während man sie bei Heizöl und Erdgas belastet, ist im Sinne einer Sektorkopplung sinnvoll. Insgesamt hätte ich es zwar besser gefunden, dass man die Stromsteuer senkt anstatt der EEG-Umlage. Aber für den Verbraucher ist dies letztendlich egal. Hauptsache der Strompreis sinkt.

Gleichzeitig soll die Entfernungspauschale für Pendler angehoben werden. Das ist doch eigentlich kontraproduktiv.
Genau, das ist absolut kontraproduktiv. Das ist das Widersprüchlichste in diesem ganzen Konzept. Auf der einen Seite den Diesel- und Benzinpreis zu erhöhen durch eine CO2-Bepreisung und auf der anderen Seite die Kilometerkosten wieder zu senken durch die Entfernungspauschale, ist absolut widersinnig.

Das Argument dafür lautet ja, dass die Leute, die auf dem Land wohnen, die es weit zur Arbeit und keinen Zugang zum öffentlichem Nahverkehr haben, am Schluss nicht die Leidtragenden sein sollen.
Richtig. Aber die werden ja teilweise über den Strompreis entlastet. Klar: Wenn sie viel fahren, werden sie durch die niedrigeren Strompreise nur bedingt entlastet. Von Seiten der Politik ist man sich natürlich bewusst, dass das kontraproduktiv ist, aber man möchte die Pendler eben nicht im Regen stehen lassen. Das kann ich unter sozialpolitischen Aspekten auch nachvollziehen, aber unter klimaökonomischen Aspekten ist es völlig kontraproduktiv.

Manuel Frondel / privat 

Bis zum Jahr 2030 sollen eine Million Ladepunkte für Elektroautos entstehen. Glauben Sie, das wird den Absatz der E-Autos erhöhen?
Eher nicht. Die Prämie für Elektrofahrzeuge hat ja auch nur beschränkte Wirkung gezeigt. Die Crux wird sein, dass die Kosten für Elektroautos deutlich sinken müssen – und damit insbesondere die Batteriekosten. Anderenfalls werden wir da keinen Wahnsinnsboom bei Elektrofahrzeugen erleben und auch nicht die entsprechenden Quoten erfüllen, die für das Jahr 2030 von der EU implizit verlangt werden.

Bahnfahren soll günstiger werden, nämlich durch eine Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 7 Prozent. Reicht das, um das Bahnfahren attraktiver zu machen?
Ich persönlich finde es natürlich toll, dass ich da als Fernpendler ein bisschen was spare. Aber natürlich reicht das nicht. Die Bahn ist im Vergleich zum Auto immer noch zu teuer – zumindest, wenn man nicht gerade eine Bahn-Card hat und die Fixkosten für das Auto nicht mitrechnet. Und die meisten Menschen haben eben keine Bahn-Card. Aber selbst mit Bahn-Card 50 ist Bahnfahren letztendlich immer noch relativ teuer.

Die Mehrwertsteuersenkung ist also nur ein marginaler Anreiz, der da geboten wird?
Es ist aber ein immerhin ein Signal, das vielleicht eine kleine Wirkung zeigen wird. Aber damit wird man die große Masse nicht in die Züge holen. Zudem sind die Züge besonders vor dem Wochenende sehr voll, und insofern müsste man erst einmal, wenn man einen Schwenk hin zum Bahnfahren bewirken möchte, zu diesen Stoßzeiten sehr viel mehr Kapazitäten auf den Schienen schaffen.

Fliegen wiederum soll teurer werden, indem die Ticketpreise nicht günstiger sein dürfen als die Summe für Steuern, Zuschläge und Entgelte. Sind damit die Zeiten der Billigflüge, wie wir sie bisher kennen – etwa für 19 Euro nach Mallorca – vorbei?
Vermutlich ja.

Wird Ihrer Ansicht nach das heute präsentierte Klimaschutzpaket eine Signalwirkung für andere Länder haben?
Zumindest hoffe ich das. Insbesondere die nationale CO2-Bepreisung, die wir jetzt in Deutschland einführen, wird hoffentlich noch viele andere Länder zum Umdenken bringen. Ich hoffe sehr, dass wir dann vom Jahr 2030 an einen EU-weiten Emissionshandel haben werden. Und dass wir dann auf gutem Wege sind, nach 2030 auch global einen einheitlichen CO2-Preis zu haben.

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