Mögliche Kaufprämie nach Autogipfel - Die Autohersteller sollten die Corona-Krise selbst stemmen können

Noch verzichten VW, Daimler und Co. auf direkte Staatshilfen. Dafür soll der Steuerzahler neben dem Kurzarbeitergeld nun auch möglicherweise den Autokauf mit hohen Prämien subventionieren. Warum eigentlich?

Kaufhilfen für die Automobilbranche? / dpa
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Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Die deutschen Autobauer finden Gefallen am modernen Staatskapitalismus: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Jetzt, da die Geldschleusen geöffnet und die Politiker mit der Gießkanne gegen allerhand Corona-Dürren übers Land ziehen, will auch die stolze Kernbranche nicht im Trockenen stehen. Zwar sind VW, Daimler und BMW nicht so verwegen, wie Lufthansa oder der Reiseprimus Tui direkte Milliardenhilfen zu fordern; aber massive Kaufhilfen sollten es schon sein.

Nachdem sich VW-Chef Herbert Diess bereits früh entsprechende Forderungen gestellt hat, wird nun die neue Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) aufs politische Verhandlungsparkett geschickt. Spätestens Anfang Juni solle über Kaufprämien entschieden werden, stellt Hildegard Müller vor dem Autogipfel im Kanzleramt an diesem Dienstag klar. Dort war Müller (CDU) von 2005 bis 2008 Staatsministerin unter Angela Merkel, mit der sie dem Vernehmen nach noch immer gut kann.

Kein Fachwissen sondern geschicktes Lobbying

So gesehen zahlt sich die Berufung einer ehemaligen Parteipolitikerin an die hoch dotierte VDA-Spitze (angeblich rund 700 000 Euro Gehalt pro Jahr) für die Branche aus: Jetzt ist nicht technologisches Fachwissen gefragt, sondern geschicktes politisches Lobbying auf höchster Ebene. Dass die Umsätze der deutschen Autobranche drastisch eingebrochen sind, ist keine Übertreibung. Doch helfen dagegen Kaufprämien? Immerhin hat selbst der bayerische Ministerpräsident Söder die Summe von 10 000 Euro ins Spiel gebracht, wenn auch zunächst nur für jedes E-Auto.

Das ist sozusagen der Köder, den auch VW-Chef Diess gerne auswirft: Um die politisch gewollte Mobilitätswende – weg vom Verbrenner und hin zum Stromer – zu beschleunigen, müsse der Staat eben Anreize schaffen, die über die bisherigen 6000 Euro pro Neuwagen hinausgehen. Denn entgegen allen Prognosen und Hoffnungen liegen die Batterie betriebenen Fahrzeuge wie Blei in den Showrooms.

Das wird teuer

VAD-Lobbyistin Müller nützt nun das grüne Argument, um die Geldschleusen für eine „breite Förderung“ aufzustoßen: Selbstredend soll die Prämien nicht nur auf Elektro- und Hybrid-Modelle beschränkt bleiben, sondern auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gelten. Benziner wie Diesel. Wenn schon Differenzierung, dass könne man sich „ein Stufenmodell vorstellen, bei dem bestimmte Antriebe noch zusätzliche Prämien bekommen.“ Das wird teuer. Zumal die Zulieferer, die dank der Verteufelung der Verbrennungstechnologie doppelt gebeutelt sind, erst Recht Anspruch auf Staatshilfen erheben.

Damit drängen sich gleich mehrere Fragen auf: Liegt es wirklich am Geld, dass zu wenige Neuwagen gekauft werden? Oder nicht vielmehr an einer überzogenen Abgasdebatte sowie den drastischen Corona-Beschränkungen, welche die Autobranche wie andere auf freien Konsum basierende Branchen nach unten zieht? Und was nützen Prämien in Deutschland, wenn die Hauptabsatzmärkte in China oder den USA liegen? Vor allem aber: Wenn der Preis ausschlaggebend ist, warum können die Autobauer die Preise dann nicht aus eigener Kraft senken?

Rekordgewinne und Bonuszahlungen

Die Kritik von Teilen der SPD und der Grünen, erst mal die eigenen Rekordgewinne aufzuzehren, ist jedenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen: Volkswagen ist es im vergangenen Jahr trotz schwächer werdender Autokonjunktur gelungen, Umsatz und Ertrag zu steigen. Mit 10,98 Millionen ausgelieferten Fahrzeugen legte der Konzern gegen den Trend um 1,3 Prozent zu und steigerte den Umsatz sogar um 7,1 Prozent auf 252,6 Milliarden Euro. Weil vor allem teurere SUVs nachgefragt wurden, stieg der operative Gewinn gar um 12,8 Prozent auf 19,3 Milliarden Euro. Ein Höchststand.

Obwohl die Corona-Krise schon absehbar war, zahlte der Wolfsburger Konzern Mitte März den rund 100 000 Tarifbeschäftigen in den deutschen Werken einen Bonus von je 4950 Euro. Die Konzerntochter Porsche überwies jedem Mitarbeiter sogar 9700 Euro – und erdreistete sich kurz darauf, für alle Werke Kurzarbeitergeld zu beantragen. Auch Daimler, BMW und die VW-Tochter Audi schütteten für das vergangen Geschäftsjahr hohe Prämien aus, wenn auch nicht mehr ganz so üppig wie bisher.

Das Mitleid hält sich in Grenzen

In den Regionen um Wolfsburg, Stuttgart, Ingolstadt, Neckarsulm oder München und Regensburg, wo die deutschen Top-Marken von den Bändern laufen, hält sich das Mitleid mit den Auto-Werkern daher in Grenzen. Hinter vorgehaltener Hand hört man missgünstige Verstimmung nach dem Motto: „Sollen sie doch erst einmal von ihren hohen Gehältern und Bonuszahlungen zehren, bevor sie beim Staat über Kurzarbeitergeld und Kaufprämien die Hand aufhalten!“

Nicht wenige sehen mit einer gewissen Genugtuung, dass diejenigen, die lange Zeit die Preise verdorben und die Löhne nach oben getrieben haben, nun die Nasen nicht mehr gar so hoch halten können. Deshalb ist die Frage durchaus berechtigt: Müssen die deutschen Autobauer nicht erst einmal selbst dafür sorgen, dass ihre Produkte auch in Krisenzeiten preislich attraktiv sind?

Neu wäre das Modell der Lohnsenkung nicht: Zur Jahrtausendwende wurde in Wolfsburg das Tarifprojekt „5000 für 5000“ auf den Weg gebracht. Um Beschäftigung zu sichern, wurden die Löhne auf 5000 D-Mark gedrosselt – mit Zustimmung der IG-Metall. Denn wenn Kaufanreize über Steuergelder geschaffen werden müssen, heißt dies nichts anderes als: Die Preise sind zu hoch. Diese der gesunkenen Nachfrage anzupassen, sollte in einer Markwirtschaft zunächst einmal Aufgabe der preisgestaltenden Anbieter selbst sein. Schließlich ist Arbeitgebern wie Gewerkschaften die Tarifautonomie sonst auch heilig. Jetzt muss sich diese Freiheit zur Lohnfestsetzung in der Krise beweisen. Schließlich ist Tarifautonomie keine Einbahnstraße.

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