Imagekampagne von Facebook - Für dumm verkauft

Facebook hat eine groß angelegte Imagekampagne gestartet, doch den wahren Problemen geht es aus dem Weg. In Zeiten von Hasskommentaren und Falschnachrichten entzieht sich der Konzern seiner Verantwortung

Mit Facebook-Gründer Zuckerberg hat der Papst gesprochen, über Donald Trump nicht. Bei Facebook stand es anders / picture alliance
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Lange Zeit hatte ich zu Facebook keine Meinung. Für mich war die Seite vor allem eine nützliche Möglichkeit, um mit meinen Freunden in aller Welt in Kontakt zu bleiben. Ja, ich muss zugeben, auch ich habe Dinge auf Facebook gepostet, um mir die billige Genugtuung möglichst vieler Gefällt-mir-Daumen zu holen, obwohl mir die Selbstdarstellung vieler auf die Nerven ging. Die Kritik daran wirkte auf mich in etwa wie die meiner gut situierten Bekannten, die in einen Szenebezirk zogen und sich fortan dort über die Gentrifizierung beklagten. Auch die Beschwerde darüber, dass Facebook fleißig die privaten Daten seiner Nutzer einsammelt, fand ich irgendwie lächerlich. Das ist nun einmal das Geschäftsmodell von Facebook, schließlich ist es ein Unternehmen, sogar eines der wertvollsten der Welt, und keine soziale Einrichtung. Niemand hat die Leute dazu gezwungen, dort ein Profil einzurichten. Wem die Bedingungen nicht gefallen, der soll es halt lassen. Dass mir dort „gezielte Werbung“ vorgesetzt wird, finde ich nicht schlimm. Besser als Werbung für Dinge, mit denen ich überhaupt nichts anfangen kann.

Auch in der realen Welt nicht mehr zu entkommen

Doch nun ist Facebook von der virtuellen in die reale Welt vorgedrungen, und das gefällt nicht. Einerseits hat die Firma eine groß angelegte Imagekampagne gestartet, die auch in den traditionellen Kanälen läuft, also im Fernsehen und auf Plakaten. Andererseits hat die Seite die Ausbreitung von Hasskommentaren und Falschmeldungen gefördert, wenn auch wohl nicht absichtlich. Das wirkt sich eventuell entscheidend auf das Wahlverhalten der Menschen aus und auf jeden Fall auf das gesellschaftliche Miteinander.

Die Probleme hängen miteinander zusammen. Auch wenn ich wollte, kann ich Facebook nicht mehr entkommen. Jeden Tag laufe ich nun an einer Anzeige an einer Bushaltestelle vorbei. Dort erzählt mir eine junge Frau, dass sie etwas gepostet hat, was sie nie, nie, nie (tatsächlich drei Mal) hätte teilen sollen. Darunter steht ein kurzer Text von Facebook, wie Inhalte gelöscht werden können. Überall in der Stadt sind  ähnliche Motive zu verwandten Themen zu finden: von einer besseren Kontrolle der Privatsphäre bis hin zur Löschung eines Kontos. Angeblich sind die Motive das Resultat von Gesprächen mit 850 Deutschen, mit denen Facebook gesprochen hat, um die „echten Fragen und Sorgen von Menschen aus Deutschland herauszufinden."

Echte Probleme ignoriert 

Ach ja? Sind die „echten Probleme“ der Deutschen die Löschung eines Posts oder eines Kontos bei Facebook, und nicht etwa Angst vor Terror, Extremismus und dem Kontrollverlust des Staates, wie es in der Ängste-Studie steht? Und selbst wenn, sind nicht die Löschungen von Posts in Wahrheit viel schwieriger und die eines Kontos mitsamt aller Daten so gut wie unmöglich, weil Facebook seine Privatsphäre-Einstellungen gerade im vergangenen Jahr immer weiter aufgeweicht hat, ohne darauf hinzuweisen?

Noch schwerer wiegt aber, dass Facebook die Probleme ignoriert, die derzeit am meisten im Zusammenhang mit Facebook diskutiert werden. Da ist einerseits die Sache mit den Hasskommentaren. Es gibt immer wieder Beschwerden, dass Facebook rechtlich fragwürdige oder sogar strafbare Posts gar nicht oder nicht schnell genug löscht. Und wenn deutsche Ermittler die Urheber jagen wollen, verweigert die Firma die Zusammenarbeit. Stattdessen entzieht sie sich immer wieder geschickt und mit beschwichtigen Worten deutschem Recht. Erst kürzlich hat Justizminister Heiko Maas wieder mit gesetzlichen Maßnahmen gedroht. In der Imagekampagne ist davon nichts zu sehen.

Fatale Verbreitung von Falschmeldungen 

Ähnlich sieht es aus bei der Verbreitung von Falschmeldungen. Die meisten davon, etwa die Meldung, dass der Papst Donald Trump gelobt habe, werden von Betrügern in die Welt gesetzt, die einfach und schnell Geld verdienen wollen. Aber Facebook ermöglicht es, dass solche Meldungen innerhalb von Sekunden millionenfach geteilt werden können. Eine Blockierung ist viel mühsamer und langsamer, wenn sie überhaupt erfolgt. So kommt es dazu, dass laut einer Datenanalyse von BuzzFeed-News, die 20 Top-Falschmeldungen während der letzten drei Monate der Präsidentschafts-Kampagne in den USA  mehr Teilungen, Likes und Kommentare der Nutzer generierten als die 20 Top-Geschichten von seriösen Nachrichtenseiten.

Inwieweit das tatsächlich zum Wahlerfolg Donald Trumps beigetragen hat, darüber kann nur spekuliert werden. Unstrittig aber ist, dass Facebook mit seinen weltweit 1,8 Milliarden Nutzern eine besondere Verantwortung hat, die Verbreitung von Falschmeldungen zu stoppen. In Myanmar haben irreführende Internetinhalte angeblich zu ethnischer Gewalt beigetragen. Und sie haben die Wahlen in Indonesien, den Philippinen und anderswo beeinflusst. Social-Media-Seiten wurden auch benutzt, um Falschinformationen über den Volksentscheid zum Friedensvertrag in Kolumbien und Panik über Ebola in Westafrika zu streuen.

Facebook wehrt sich gegen den Vorwurf, die echten Probleme zu ignorieren. Die Kampagne stehe erst am Anfang. Natürlich hätten sie Hassrede, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auf dem Schirm, nähmen das sehr ernst, stünden zu ihrer Verantwortung, heißt es aus dem Unternehmen. Nur sei das Thema „eben sehr komplex“. Ach nee. Das haben wirkliche Probleme eben so an sich. Das Löschen eines Posts hingegen bekommt wohl so ziemlich jeder hin, auch ohne Plakatanleitung. Bisher hat uns Facebook mit seiner Kampagne für dumm verkauft. 

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