Dürre bei den Bauern - Teurere Pommes sind noch keine Naturkatastrophe

Das Wetter ist das größte Risiko des Bauern, gehört aber zu seinem Beruf dazu. Der Bauernverband fordert eine Milliarde Euro Soforthilfe, weil die Erträge wegen der Dürre schrumpfen. Aber muss deshalb gleich der Steuerzahler einspringen?

Vertrocknetes Maisfeld: Wir haben Hochsommer / picture alliance
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Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Der Landwirt hat es nicht leicht. Trotz reichlich Technik und modernstem Maschinenpark kennt er weder regelmäßigen Feierabend noch freie Wochenenden. Die Bauern zählen zu den letzten Malochern im Land, die auch finanziell selten auf Rosen gebettet sind. Man bringt also Verständnis auf, wenn der Deutsche Bauernverband (DBV) vom Bund eine Milliarde Euro Soforthilfe für hitzegeschädigte Ackerbauern und Viehzüchter fordert. Was ist schon eine Milliarde bei Steuereinnahmen, die von Rekord zu Rekord eilen und bald schon an der 800 Milliarden-Schwelle kratzen? Ein Lobby-Verband muss die Gunst der Stunde nutzen. 

Die CDU, die sich nach wie vor als Bauernpartei versteht, obwohl die Wählerschaft aus der Landwirtschaft mittlerweile kaum mehr drei Prozent erreicht, will auch schon mal eilig das Füllhorn öffnen. „Vor allem kleinen und mittleren Betrieben geht die Luft aus. Ihnen fehlt Liquidität“, sagt Gitta Connenmann, stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion. Sie möchte eine „rasche Entscheidung, den Notstand zu erklären“. Der nämlich ist Voraussetzung, damit staatliche Hilfen nicht gegen das Wettbewerbs- und EU-Recht verstoßen und gewährt werden können.

Ist Hochsommer ein Extrem?

Doch kann man wirklich von einem „Notstand“ sprechen, weil das Thermometer für mehr als ein paar Tage über die 30-Grad-Marke klettert und der Regen ausbleibt? Wir haben Hochsommer – und Hitzetage sollten in dieser Jahreszeit nicht gleich zum Extrem erklärt werden. Hält sich das Wetter nicht an den Kalender und die Erwartungen der umsorgten Bürger, neigen wir sogleich zu Übertreibungen. Kräftige Schauer werden zu „Starkregen“, Hitze zum „tropischen Glutofen“, heftiger Wind zum Orkan. Als Ursache wird der „vom Menschen gemachte Klimawandel“ angeführt, der ja ohnehin an allem Schuld ist und als Rechtfertigung herhalten muss, um die Steuerzahler für diese und jene Unbill in Haftung zu nehmen. Bundeswirtschaftsministerin Julia Klöckner nennt „den Klimawandel“, als Grund dafür, warum sich Deutschland und Frankreich entschieden gegen Kürzungen der EU bei der Landwirtschaft stemmen wollen. 

Die CDU-Politikerin gehört übrigens derselben Bundesregierung an, die von Brüssel zugleich mehr „Zukunftsinvestitionen“ fordert. Vor allem „in Digitales“. Dabei verschlingt der Agrarhaushalt stattliche 39 Prozent des EU-Etats und wäre auch nach bescheidenen Kürzungen noch immer der größte Etatposten in Brüssel. Von dort erhalten die Bauern schon jetzt gut 30 bis 45 Prozent ihrer Einnahmen. 

Probleme auch Folgen von Entscheidungen der Bauern

Schwer nachvollziehbar ist auch die Argumentation, wegen Ausfällen bei der Maisernte fehle nun ausreichend Futter für Rinder und Schweine. Denn wenn etwas wächst in diesem Land, dann sind es die Monokulturen an Maisplantagen, die sich in die Landschaft fressen. Bleibt für das Vieh trotzdem zu wenig, dann wohl deshalb, weil die Bauern-Kollegen das Grünzeug lieber an Biogasanlagen verscherbeln. Hier ließen sich doch Subventionen umschichten: Etwas weniger für Biogas und mehr für die Rinder. Oder wie wäre es mit einer Kürzung der horrenden Zuschüsse für Solarstromanlagen, deren Betreiber bei dieser Sonnenintensität doch prächtig verdienen müssen? Darunter sind nicht wenige Energiewirte, die jeden Flecken Dach mit Photovoltaikplatten zugepflastert haben. Und für den klagenden Bauern im ZDF („heute“, 19 Uhr vom 30. Juli), der sein Land mit Windrädern gepflastert hat, muss man auch kein Mitleid haben. 

Zudem: Etwas weniger Fleisch auf deutschen Herden und Grillen rechtfertigt noch keinen „Notstand“. Schnitzel & Co. sind ohnehin zu billig. Wenn sich mit der sommerlichen Knappheit die Preise den tatsächlichen Gesamtkosten annähern, und so das Bewusstsein der Verbraucher für den Wert von Lebensmitteln steigt, kann dies sogar als Nutzwert der aktuellen Hitzewelle verbucht werden. Etwas teurere Pommes Frites sind noch keine Katastrophe.

Erntebericht sollte abgewartet werden

Dass nun die SPD die Fahne der Marktwirtschaft hochhält, überrascht nur auf den ersten Blick. Denn Landwirte zählen nicht zur Kernwählerschaft der Genossen. Von daher kann deren agrarpolitischer Sprecher Rainer Spierling leicht darauf verweisen, dass sich die „moderne Landwirtschaft als Unternehmer in unserem Land begreift“ und Hilfen für Bauern einen „wirtschaftspolitischen Präzedenzfall“ schaffen würden. Glaubwürdiger wäre diese Warnung, würden die Sozialdemokraten auch bei ihrer Klientel diese liberale Messlatte anlegen. Die Grünen wiederum sollten erkennen, dass hitzeresistente Pflanzen ohne grüne Gentechnik so schnell nicht zu Verfügung stehen werden. Bio-Landwirte bringen bis heute kaum zehn Prozent der Lebensmittel auf den Markt. 

Vernünftig ist es zweifellos, erst einmal den Erntebericht Ende August abzuwarten. Dann gibt es Daten, ob die jetzt prognostizierten Ausfälle von bis zu 30 Prozent tatsächlich eintreffen und ob die Verluste nicht zu den natürlichen Schwankungen einer Sparte gehören, die wie etwa der Tourismus traditionell stark vom Wetter abhängig ist. Auch die Winzer haben 2017 wegen des Frühjahr-Frosts über drastische Ernteausfälle geklagt, die sich dann aber als reichlich übertrieben herausgestellt haben. Sinnvoll ist indes gewiss die von DBV-Präsident Joachim Rukwied geforderte „steuerfreie Risikoausgleichsrücklage“, mit der die Bauern selbst für schwierige Jahre vorsorgen können. Aber dazu brauchen Landwirtschaftsbetriebe eigentlich keine neue Rechtsgrundlage. Der kluge Bauer sorgt vor und hat ohnehin genügend Abschreibeposten, um die Steuerlast gering zu halten. Auch Zuschussquellen gibt es für den Nährstand genug (Die Welt, 31. Juli 2018, Seite 12). Vom kühlen Glashaus lässt sich darüber freilich locker richten.  

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