Diesel-Fahrverbote - „Die Städte brauchen die blaue Plakette“

Fahrverbote für Diesel-Pkw sind jetzt zulässig. Ungeklärt ist jedoch, wie solche Verbote umgesetzt werden sollen. Ein Weg wäre die blaue Plakette für saubere Diesel, schreibt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Doch auch die Autoindustrie müsse sich ihrer Verantwortung stellen

Die Einführung einer blauen Plakette darf die eigentliche Ursache der Problematik nicht überdecken / picture alliance
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Helmut Dedy ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.

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Keine Stadt will Fahrverbote, wir wollen sie weiterhin vermeiden. Nur: In der Hand haben die Städte das nicht. Sie wollen die Gesundheit der Menschen in der Stadt schützen und können mit ihren Maßnahmen das Hauptproblem nicht beseitigen – den zu hohen Stickoxid-Ausstoß der Dieselautos. Der Schlüssel dafür, die Grenzwerte einzuhalten, liegt vor allem bei der Automobilindustrie. Wir dürfen sie nicht aus der Verantwortung entlassen.

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gibt es nun etwas mehr Klarheit in der Diskussion. Fahrverbote sind grundsätzlich zulässig. Offen bleibt jedoch, was im Einzelfall geschieht. In den in Leipzig verhandelten Fällen von Stuttgart und Düsseldorf sind jetzt die Länder am Zug, die Luftreinhaltepläne anzupassen. Die Länder müssen beantworten, welche konkreten Maßnahmen dabei helfen, die Grenzwerte einzuhalten und ob Fahrverbote zum Schutz der Gesundheit von Menschen nötig sind.

Fahrverbot wirft viele Fragen auf

In etwa 70 deutschen Städten werden derzeit die EU-Grenzwerte für Stickoxide von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten. Erste Schritte in Richtung Fahrverbot werden bereits in Hamburg unternommen. In welchen weiteren Städten es zu Sperrungen kommen könnte, lässt sich noch nicht abschätzen. Städte, in denen mit 42 oder 43 Mikrogramm der Grenzwert von 40 Mikrogramm nur wenig überschritten wird, können die Schadstoffe wahrscheinlich mit verkehrssteuernden Maßnahmen wie etwa Tempolimits oder Fahrbahnverengungen senken. Solche Überlegungen fließen in die aktuelle Überarbeitung der Luftreinhaltepläne ein. Bei den Städten, in denen die Grenzwerte sehr deutlich überschritten werden, ist aber nicht in Sicht, wie Fahrverbote abgewendet werden sollen.

Um die Stickoxid-Belastungen in Städten zu entschärfen, könnten dann bestimmte, besonders belastete Streckenabschnitte für Diesel-Kfz gesperrt werden. Das klingt auf den ersten Blick attraktiv, klingt nach einer einfachen Lösung. In der Praxis wirft eine solche Maßnahme allerdings viele Fragen auf. Wenn Autofahrer dann, um Sperrungen zu umfahren, auf alternative Routen ausweichen, verlagern sich die Emissionen auf andere Bereiche der Stadt. Dass Diesel-Fahrzeuge mit zu hohen Schadstoffwerten etwa verstärkt durch Wohngebiete oder an Schulen oder Kindertagesstätten vorbei fahren, kann niemand wollen. Ein solches Ergebnis würde die verkehrspolitischen Anstrengungen von Jahrzehnten zunichte machen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich solche punktuellen Verbote nicht praktikabel kontrollieren lassen. Den Autos ist nicht anzusehen, ob sie Diesel oder Benziner sind und ob sie die Grenzwerte einhalten oder nicht. Daran wird deutlich, wie wichtig eine Kennzeichnung von sauberen Diesel-Fahrzeugen für den Fall ist, dass Fahrverbote verhängt werden: Die Diskussion um die blaue Plakette ist aktueller denn je! 

Flickenteppich vermeiden

Und hier gibt es ein großes Missverständnis. Die blaue Plakette ist gerade nicht der Weg zu Fahrverboten, wie dies immer wieder behauptet wird. Die Plakette sorgt in den Fällen, in denen letztendlich Gerichte Fahrverbote zum Gesundheitsschutz anordnen, dafür, dass diese Verbote überhaupt kontrollierbar sind. Und sie sendet ein kluges industriepolitisches Signal: Der Diesel ist nicht tot, wenn er nur sauber genug ist. Moderne oder nachgerüstete Diesel bekommen die Plakette ja gerade. 

Nur mit der blauen Plakette wird es eine bundeseinheitliche Lösung geben, die einen Flickenteppich mit ganz unterschiedlichen kommunalen Lösungen vermeiden kann. Ein Szenario, bei dem Diesel-Fahrer nicht mehr wissen, in welche Stadt sie fahren dürfen und in welche nicht, ist nicht akzeptabel. Mit der blauen Plakette wäre es für die Städte auch einfacher, Ausnahmen bei Fahrverboten zu regeln, beispielsweise für Lieferverkehre und Handwerker. Alle, die die Abgaswerte einhalten oder eine Ausnahmegenehmigung bekommen, müssen weiterhin in den Städten fahren können. Die Haltung der Bundesregierung zur blauen Plakette ist nicht rund, es braucht nach der Vereidigung des neuen Kabinetts eine Neubewertung.

Autoindustrie in die Pflicht nehmen

Allerdings darf die Diskussion um Fahrverbote und die Einführung einer blauen Plakette die eigentliche Ursache der Problematik nicht überdecken: 75 Prozent der Stickstoffoxid-Belastungen im Verkehr in den Städten werden von Diesel-Pkw ausgestoßen. Dort muss das Problem gelöst werden. Umso ärgerlicher ist, wenn die Städte ausbaden müssen, was von der Autoindustrie verursacht wurde. Außerdem werden sie am Ende auch noch als Urheber der Verkehrseinschränkungen wahrgenommen. Das kann nicht der richtige Weg sein!

Die Bundesregierung muss endlich deutlich machen, an welcher Stellschraube gedreht werden muss: Die Autoindustrie hat bislang nicht nachgewiesen, wie stark die bisherigen Software-Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen wirken und die Luftschadstoffe verringern. Wenn es sich bestätigt, dass nur mit Hardware-Nachrüstungen wirkliche Erfolge für eine bessere Luft möglich sind, müssen diese umgesetzt werden – und zwar auf Kosten der Hersteller. Die Automobilindustrie muss erkennen, welchen Fingerzeig das Bundesverwaltungsgericht hier gegeben hat. Das Gericht hat dargelegt, dass in Stuttgart bereits in diesem Sommer Diesel-Fahrzeuge bis zur Euro-4-Norm ausgesperrt werden könnten, Diesel-Fahrzeuge mit der Euro-5-Norm dagegen frühestens im September 2019. Diese Zeit sollte genutzt werden. Denn: 40 Prozent der Diesel-Pkw in Deutschland erfüllen die Euro 5-Norm. Diese mit Hardware nachträglich sauberer zu machen, würde entscheidend dazu beitragen, Fahrverbote in den Städten zu verhindern. 

Städte setzen auf nachhaltige Mobilität

Die Städte selbst leisten bereits seit Jahren ihren Beitrag zur Luftreinhaltung. Es ist viel passiert – vom Ausbau der Radinfrastruktur über die Verbesserung des Verkehrsflusses bis zur Modernisierung von Bussen und Bahnen. Die Erfolge bei der Feinstaubproblematik, die im Übrigen mit Hilfe einer Plakettenlösung erreicht worden sind, beweisen die Qualität der Lösungsansätze: In Deutschland gibt es fast kein Feinstaub-Problem mehr.

Die Städte der Zukunft brauchen andere Verkehrsstrukturen als jene, die wir heute vorfinden. Daran arbeiten wir. Der Öffentliche Nahverkehr muss noch attraktiver werden. Die Verbindungen ins Umland müssen gestärkt werden. Der Radverkehr muss ausgebaut, nachhaltige Mobilität in ganzer Breite gefördert werden. Dafür brauchen die Städte größere Investitionsspielräume. Bund und Länder müssen gemeinsam mehr Mittel für diese Aufgaben zur Verfügung stellen. Eine kurzfristige Förderung von Maßnahmen, um die Stickoxid-Belastung zu senken, reicht nicht aus. Für eine nachhaltige Mobilität in den Städten müssen jetzt langfristig die Weichen gestellt werden. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, um die Mobilität der Zukunft zu gestalten.

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