Verbraucherschutz - Wie wenigermiete.de zum Durchbruch für Legal Tech wird

Der Gründer Daniel Halmer hat sich das Recht erstritten, mit seinem Start-up Lexfox als Inkassounternehmen gegenüber Vermietern aufzutreten. Der höchstinstanzliche Erfolg seiner Marke wenigermiete.de könnte der Startschuss für die sogenannte Legal-Tech-Szene sein

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Daniel Halmer findet skandalös, wie teilweise gegen Gesetze verstoßen werde / Foto: Gordon Welters
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Alexandra Duong ist freie Journalistin und lebt in Berlin.

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Daniel Halmer und seine Frau suchen gerade eine neue Wohnung, sie sind jetzt zu dritt. Das ist schwierig, aber nicht nur wegen des Berliner Mietmarkts: Ihm würde wahrscheinlich kein Berliner Vermieter mehr eine Wohnung vermieten, sagt Halmer, sie müssten also eher kaufen. Denn Halmer, Gründer der Firma Lexfox, hat vor dem Bundesgerichtshof Ende November triumphiert, in einem Fall, der Mieter stärken – und Vermieter schwächen wird.

Lexfox betreibt das ­Onlineportal ­wenigermiete.de. Dort können Mieter prüfen lassen, ob sie zu viel zahlen, weil ihr Vermieter etwa gegen die Mietpreisbremse verstößt. Der Mieter tritt seine Ansprüche an das Start-up ab. Es agiert als Inkassounternehmen und erstreitet Forderungen, wenn nötig vor Gericht. In dem Fall, den Lexfox bis vor den BGH getragen hatte, ging es um einen monatlichen Betrag von rund 23 Euro. Die Richter bestätigten mit ihrem Urteil auch grundsätzlich das Geschäftsmodell. Die Berliner Anwaltskammer hatte Lexfox schon wegen unzulässiger Rechtsdienstleistungen verklagt.

Die Mietpreisbremse sei kein schlechtes Gesetz

Der promovierte Jurist Daniel Halmer arbeitete selbst jahrelang in großen Wirtschaftskanzleien. Leider, sagt er, nutze man dort oft das juristische Rüstzeug, um reiche Leute noch reicher zu machen. Mehr als mit Firmenfusionen habe er sich mit der Aufklärung von Korruptionsskandalen um Siemens oder die BayernLB identifizieren können. „Ich bin politisch nicht sehr links“, sagt er. Skandalös finde er nur, wie teilweise gegen Gesetze verstoßen werde.

Halmer arbeitete ab 2014 bei einem Fintech-Start-up in Berlin. Im Sommer 2016, erinnert er sich, steht er am Flughafen Schönefeld. Er beschäftigt sich da schon länger mit Legal Tech, der Automatisierung systematischer, kleinteiliger anwaltlicher Arbeit. Auf seinem Smartphone liest er einen Artikel über die Mietpreisbremse. „Die Presse war ja im Sommer 2016 voller Spott“, sagt er, „Mietpreisbremse, Totgeburt, funktioniert nicht“. Dabei sei es kein schlechtes Gesetz, es funktioniere, wenn man es denn anwende. Wenige Monate später gründet er mit einem Partner das Start-up, damals noch unter dem Namen Mietright.

Legal Tech stützt die Mieterrechte

Die Ansprüche seien bei Verbraucherrechten meist klein, die Chancen, sie durchzusetzen, gering. Laufend würden Gesetze gemacht, die nicht durchgesetzt werden könnten, sagt Halmer. „Das ist Gesetzgebung für die Tonne.“ Und weil die Firmen wüssten, dass Verbraucher nicht handeln würden, glaubten irgendwann beide Seiten nicht mehr an den Rechtsstaat. Mieter sind in Deutschland zwar recht gut geschützt. Trotzdem gingen die Leute auf die Straße, weil sie sich ohnmächtig fühlten, sie ihre Rechte nicht durchsetzen könnten. „Es hat sich über die Jahre so eine Untertanenmentalität bei vielen Mietern breitgemacht – und umgekehrt bei den Vermietern so eine Art Gutsherrenmentalität.“

Halmer nennt drei Gründe, warum Mieter den Rechtsweg meist nicht gehen: Kostenrisiko, zeitlicher Aufwand und emotionaler Stress, einen Rechtsstreit zu beginnen. Legal Tech adressiere diese Gründe. Beauftragen Verbraucher wenigermiete.de, zahlen sie im Erfolgsfall eine Provision. Lexfox wickelt den Schriftverkehr mit der Gegenseite ab. Die Kosten sind im Vergleich zu klassischen Mandaten geringer. Eine Software generiert die Rügen an die Vermieter. Gibt es keine Einigung, zieht ein Anwalt – manchmal noch Halmer selbst – für den Mieter vor Gericht. Das schafft Respekt. Die Erfolgsquote der Fälle – vor Gericht und außergerichtlich – liegt nach eigenen Angaben bei 80 Prozent.

Noch fehlt Rückhalt aus der Politik

Trotz des laufenden BGH-Verfahrens waren im Sommer Earlybird und Target Global als Wagniskapitalgeber eingestiegen. Der Umsatz von Lexfox liegt nun im Millionenbereich. Knapp 30 Mitarbeiter – hinzu kommen etwa Anwälte auf Honorarbasis – bearbeiten monatlich eine niedrige vierstellige Fallzahl. Noch rentiert sich das nicht – auch weil das Start-up Provisionen oft erst nach monatelangen Rechtsstreits erhält. Doch nach dem Urteil kann Lexfox hunderte pausierte Verfahren wieder aufnehmen.

Halmer plant ein Verbrauchsportal, bei dem wenigermiete.de und auch die Marken weniger-internetkosten.de und mehrabfindung.de nur ein Teil sein sollen. „Wir sind eigentlich in der Poleposition, um als Wirtschaftsstandort die Legal-Tech-Bewegung in Europa anzuführen.“ Rechtsstaat, Technologie und Juristenausbildung seien führend – was fehle, sei Rückenwind aus der Politik.

Dieser Text ist in der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

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