Bertelsmann kauft US-Verlag Simon & Schuster - Das deutsche „Buchungeheuer“ übernimmt den US-Markt

Penguin Random House gehört dem Gütersloher Konzern Bertelsmann und ist schon heute der größte Buchverlag der Welt. Jetzt will das Unternehmen auch den US-amerikanischen Großverlag Simon & Schuster schlucken. In den USA ist nicht jeder begeistert von der Übernahme.

Penguin Random House-Chef Markus Dole verspricht Simon & Schuster verlegerische Autonomie / dpa
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Die Deutschen übernehmen den amerikanischen Buchmarkt — scheibchenweise. Bertelsmann, die Muttergesellschaft von Penguin Random House, will für 2,2 Milliarden Dollar den Großverlag Simon & Schuster erwerben, eine Tochter des amerikanischen Medienkonzerns ViacomCBS.

Penguin Random House, heute bereits der größte Buchverlag der Welt, schlug HarperCollins aus dem Feld, seinerseits das zweitgrößte US-Buchverlagshaus und im Besitz des Medienmoguls Rupert Murdoch. Bei Simon & Schuster sind etwa die Bestsellerautoren Stephen King und John Irving unter Vertrag, der Verlag gibt aber auch Sachbücher heraus, etwa die Generalabrechnung der Präsidentennichte Mary Trump mit ihrem Onkel. Bei Penguin Random House werden John Grisham und Stieg Larsson verlegt, aber auch die Obamas.

Der Markt hat sich bislang nicht geöffnet

Die Fusion wird einen „Winner-takes-it-all“-Markt schaffen, wie die New York Times besorgt bemerkte. Damit setzt sich ein Konsolidierungstrend in der amerikanischen Buchindustrie fort, der schon vor ein paar Jahrzehnten angefangen hat. Wie groß der Marktanteil nach der Fusion sein wird, ist umstritten, gehandelt werden zwischen 15 und 50 Prozent. Allerdings steht noch eine Genehmigung der US-Kartellbehörde aus. Aber Penguin Random House-Chef Markus Dole geht davon aus, dass die kommen wird.

Wenn das geschieht, wäre ein erheblicher Teil der amerikanischen Buchindustrie in europäischer, vornehmlich deutscher Hand. Von den sogenannten „Big Five“, die fünf großen Buchkonglomerate der USA, die jährlich zehntausende von Titeln produzieren und hunderte von Verlagen besitzen, gehörten damit zwei dem Bertelsmann-Konzern; Macmillan ist im Besitz der deutschen Holtzbrinck Publishing Group und Hachette ist ein französisches Unternehmen. Einzig HarperCollins ist noch in amerikanischem Besitz; andererseits, die Murdochs stammen aus Australien und die Murdoch-Söhne sind Briten. Aber bislang hat das den extrem abgeschotteten Buchmarkt der USA, der vor allen englischsprachige US-Autoren verlegt und vor Übersetzungen zurückscheut, nicht für ausländische Schriftsteller geöffnet. Die Zahl deutscher Autoren, die in den USA groß herauskommen, liegt immer noch im niedrigen zweistelligen Bereich.

„The German Problem“

Dass Bertelsmann zu einem US-Großverleger wurde, begann 1998. Damals kauften die Gütersloher den Verlag Random House. Kenner der Branche waren skeptisch. Die Deutschen hätten zu viel für den Großverlag bezahlt, hieß es, und: Seien Bücher nicht sowieso von gestern? Andere störten sich an der Internationalisierung der amerikanischen Verlagslandschaft. Schon kurz, nachdem Bertelsmann Random House erworben hatte, beschwerte sich die New York Times unter der Schlagzeile „The German Problem“ über den deutschen „Kulturimperialismus“ auf dem Buchmarkt — eine Retourkutsche, nachdem Deutschland sich weigerte, Truppen in den Irak zu schicken.

Inzwischen hat Random House noch mehrere altehrwürdige Verlage aus den USA und Großbritannien geschluckt, darunter Crown Publishing, Knopf und Doubleday und zuletzt Penguin. Markus Dohle, der in einem Wolkenkratzer nahe dem Times Square über das weltweite Imperium wacht, hat heute 320 Verlage und um die 10.000 Mitarbeiter unter sich, die jährlich 15.000 Titel produzieren; die Verlagsgruppe ist nach Südamerika, China und Indien expandiert. Von dieser Globaldominanz soll nun auch Simon & Schuster profitieren, denen Dohle verlegerische Autonomie versprach.

Alle gegen Amazon

Denn die Buchverlage müssen wachsen, um Amazon Paroli bieten zu können. Der Internetgigant versucht immer wieder, Verlegern ungünstige Bedingungen zu diktieren. Hachette hatte bereits 2014 den Aufstand gegen Amazon geprobt, gefolgt von Macmillan. Die Verlage wollten sich mit Apple zusammenschließen, um zu verhindern, dass Amazon die Preise für E-Books drückt. Das war letztlich am Kartellamt gescheitert.

Dass das Kartellamt nun auch gegen diese neuerliche Fusion vorgeht, wünscht sich die Washington Post an, die Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört. Die Konsolidierung der Buchindustrie sei „schlecht für Autoren, schlecht für Leser und schlecht für die amerikanische Kultur“, schreibt Ron Charles. Autoren hätten nun weniger Verlage zur Auswahl, Leser würden mit leichtverkäuflicher Massenware versorgt statt mit riskanten Büchern.

Die Schriftstellervertretung Authors Guild warnte vor weniger Konkurrenz und weniger Diversität und fordert das Justizministerium auf, die Fusion zu verhindern. Und die American Booksellers Association findet es „alarmierend“, wenn ein einzelner Konzern so viel Macht hat. Auch aus dem Hause Murdoch kamen Warnungen. News-Corp-Geschäftsführer Robert Thomson erklärte, Bertelsmann kaufe nicht nur einfach ein Verlagshaus. Die Firma „kauft die Dominierung des Marktes als Buchungeheuer.“

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