Bauern-Proteste in Berlin - „Wir kämpfen gegen Windmühlen“

Tausende Landwirte demonstrieren heute in Berlin gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Aber um was genau geht es ihnen? Was bedeutet das sogenannte Agrar-Paket für die Landwirtschaftsbetriebe? Hier erzählen drei der Demonstranten, warum sie in die Hauptstadt gekommen sind

Großer Bahnhof vorm Großen Stern: Mit ihren Traktoren legten die Bauern den Verkehr in Berlin lahm / Aufn. (4): Marguier
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Mit tausenden Treckern legen aufgebrachte Landwirte seit Dienstagmorgen den Verkehr in der Berliner City lahm. Sie protestieren insbesondere gegen das zwischen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ausgehandelte Agrar-Paket – und die damit einhergehende Verschärfung der Umweltschutzauflagen. Wir haben drei Bauern gefragt, was sie heute auf die Straße treibt.

Markus Streuling

Markus Streuling aus Tarnow, Mecklenburg-Vorpommern: 

„Ich bin Angestellter auf einem Hof, der auf einer Fläche von 2.600 Hektar konventionelle Landwirtschaft betreibt – Getreide, Raps, Rüben und Marktfrüchte. Insgesamt sind wir bei uns zwölf Festangestellte und fünf Erntehelfer. Wir haben uns heute Morgen mit anderen Landwirten in Neustrelitz gesammelt und sind um zwei Uhr in der Frühe zusammen nach Berlin weitergefahren. Alles auf dem Trecker über die Landstraße. Ich bin hier, um dagegen zu demonstrieren, dass die Politik über unsere Köpfe hinweg entscheidet. Das Agrarpaket kam nämlich von oben über uns herab; im Endeffekt bedeuten die ganzen Vorschriften für uns erheblichen Mehraufwand.

Viele der Studien, die dem Paket zugrunde liegen, kann ich übrigens nicht nachvollziehen. Und es ist auch einfach nicht wahr, dass es keine Insekten mehr geben würde. Das war vielleicht Anfang der 1990er Jahre mal so, aber inzwischen hat sich die Situation deutlich verbessert. Die Politik schießt da komplett übers Ziel hinaus, zumal die neuen Vorschriften ja nur für Deutschland gelten sollen und nicht europaweit. Dabei haben wir hier doch schon die höchsten Standards. Konkret würde das Agrarpaket bedeuten, dass wir Flächen verkleinern und zusätzliche Blühstreifen anlegen müssen. So etwas wird ja auch schon längst praktiziert, aber es soll jetzt eben nochmal eins draufgesetzt werden. Natürlich bedeutet das für die Betriebe mal wieder einen bürokratischen Mehraufwand. Künftig müssen wir dann also noch teurer produzieren, und die Supermärkte kaufen ihre Waren günstig im Ausland. Ich erwarte von der Politik ganz einfach, dass sie auch mit uns Bauern redet, anstatt über unsere Köpfe hinweg zu entscheiden. Ich gehe jetzt erstmal mit den Kollegen lautstark demonstrieren, und heute Abend fahre ich auf dem Trecker die 200 Kilometer wieder zurück nach Hause.“

Sven Schröder aus Selsingen, Niedersachsen: 

Sven Schröder 

„Ich bin 30 Jahre alt und selbständiger Landwirt, wir haben Milchvieh und Mastschweine mit Ackerbau. Also 150 Milchkühe mit weiblicher Nachzucht sowie 2.200 Mastplätze für die Schweine. Und zwar alles auf Grundlage der Tierwohl-Kriterien. Mir geht es darum, dass wir Landwirte heute in Berlin einfach Flagge zeigen, damit die Leute uns überhaupt mal wahrnehmen. Ich bin mit dem Schlepper hierhergekommen, in Kremmen, nördlich von Berlin, habe ich mich mit einigen Kollegen getroffen. Von dort sind wir heute Morgen um halb fünf auf unseren Treckern bis hierher weitergefahren. Laut der Kriterien, die die Politik jetzt von uns einfordert, sollen wir 20 Prozent weniger düngen – als ob einzig und allein wir Bauern für die Qualität des Grundwassers verantwortlich wären.

Keiner von uns Landwirten hat doch ein Interesse daran, mehr zu düngen als nötig. Aber wir müssen bei der Düngung eben auch auf die vollwertige Ernährung der Pflanzen achten. Mit den Vorschriften aus dem Agrar-Paket müsste ich ungefähr 20 Prozent zusätzliche Flächen pachten, um auf den gleichen Ertrag zu kommen. Und dann noch der bürokratische Mehraufwand. Die Politik schießt hier komplett übers Ziel hinaus; unsere Argumente spielen da einfach keine Rolle. Ich wünsche mir von Politikern wie der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, dass sie offen auf uns Landwirte zugehen und den Dialog suchen, anstatt immer nur über uns zu bestimmen. Immerhin freut es mich, dass sogar hier in Berlin viele Leute uns vom Straßenrand zuwinken. Natürlich zeigen auch manche den ausgestreckten Mittelfinger, aber das ist wirklich die Ausnahme.“

Frank Spörner aus Rothenburg ob der Tauber, Bayern:

Frank Spörner 

Ich betreibe im Zuerwerb Ackerbau auf einer Fläche von rund 45 Hektar – Biogas-Mais, Weizen, Gerste und Körnerraps. Außerdem arbeite ich noch als Berater für Pflanzenbau. Heute bin ich mit Kollegen vom Bauernverband im Bus nach Berlin gekommen. Mich stört am Agrar-Paket, dass darin sehr viele Dinge nicht nach Sachlage geregelt werden, sondern nach Ideologie. Wenn ich höre, dass die Politiker sich von Umwelt-NGOs getrieben fühlen, wird mir klar, dass dabei keine bürgernahe Politik herauskommen kann. Diese Nichtregierungsorganisationen vertreten nämlich Einzelinteressen – und von der Politik erwarte ich, dass sie das gesamte gesellschaftliche Spektrum im Blick hat.

Ich finde es wirklich hoch problematisch, dass der Einfluss der NGOs auf politische Entscheidungen immer größer wird, obwohl diese Organisationen demokratisch nicht legitimiert sind. Außerdem stört mich, dass die einzelnen Vorschriften des Agrar-Pakets nur tröpfchenweise zu uns Landwirten durchgesickert sind. So soll zum Beispiel in Vogelschutzgebieten nur noch biologischer Anbau möglich sein. Das heißt, dass etwa der Ochsenfurter Gau, also das beste Stück Ackerland in ganz Nordbayern, komplett auf Bio-Anbau umgestellt werden müsste. Das macht ökonomisch aber überhaupt keinen Sinn, weil die Nachfrage nach Bio-Produkten längst nicht so groß ist.

Mir ist es wichtig, dass in unserer Branche gleiche Standards für alle herrschen – dass also Importwaren den gleichen Regeln unterliegen wie heimische Produkte. Oder dass zumindest eine Kennzeichnungspflicht besteht, wenn das nicht der Fall ist. Aber nichts davon passiert, wir kämpfen da gegen Windmühlen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die meisten Medien ein völlig verzerrtes Bild der deutschen Landwirte zeichnen. Ich bin übrigens auf unterer Stufe im Deutschen Bauernverband tätig – und muss leider feststellen, dass die Spitzen unseres Verbands eine zu große Nähe zur Politik pflegen: Wenn da gewisse Leute selbst politische Positionen anstreben, können sie die Interessen der Mitglieder aber nicht mehr aufrichtig vertreten. Sollte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner jetzt nicht einlenken, werden wir weiter auf die Straßen gehen.“

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