A&O Hostels und Corona - Winters Erwachen

Seit ihrer Gründung sind A&O Hostels eine Erfolgsgeschichte. Dann kam Corona und CEO Oliver Winter musste 600 Mitarbeiter entlassen. Jetzt wartet er auf März.

CEO Oliver Winter will trotz Corona expandieren / Nils Stelte
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Autoreninfo

Jan Schulte, Jahrgang 1994, studierte Volkswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln und besuchte die  Kölner Journalistenschule. Er ist Mitgründer des Wirtschaftsjournalistenbüros dreimaldrei.

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Geschlossene Restaurants und Hotels, obwohl sie nicht als Infektionstreiber gelten. Eigens entwickelte, aber nutzlose Hygienekonzepte. Das Beherbergungsverbot – kopfloses Symbolhandeln der Politik. So zumindest sieht es der Hotelverband IHA.

Aber Oliver Winter möchte trotzdem nicht jammern. „Für Corona kann ja keiner was“, sagt der CEO von A&O Hostels. Er kommt gerade von einem Meeting mit seinem Personalchef. A&O ist nach eigenen Angaben die größte Hostelkette Europas. Derzeit gehören 39 preisgünstige Hostels dazu, verteilt auf acht Länder. Allein in Deutschland beschäftige seine Kette normalerweise 1000 Mitarbeiter während der Hauptsaison von März bis Oktober, sagt Winter. Normalerweise sinke die Zahl zum Ende des Jahres auf 800.

Aktuell arbeiten bei A&O nur 400 Leute in Deutschland. Monat für Monat verschlingen Winters Hostels gut fünf Millionen Euro. Nur 56 statt geplanter 172 Millionen Euro Umsatz wird er 2020 wohl machen. Das ist mehr, als zu Beginn der Pandemie befürchtet, reicht aber längst nicht, um die Kosten zu decken. Ein ungutes Gefühl für Winter, der sagt, jedes Jahr Gewinn gemacht zu haben.

Obdachlose, Prostituierte oder Menschen in Quarantäne

Den CEO stört vor allem die Untätigkeit der Regierung über den Sommer. „Es sind Monate versäumt worden, Prozesse zu digitalisieren und die Gesundheitsämter aufzurüsten“, sagt er und denkt lieber an die Zukunft: „Bis Februar oder März rechnen wir noch kaum mit Reisenden, dann wird es wieder losgehen.“ Gut 300 neue Mitarbeiter will er dann einstellen. „Das ist eine gigantische Herausforderung, so viele mussten wir noch nie auf einmal suchen“, sagt er.

Bis es so weit ist, hofft er auf die staatlichen Novemberhilfen. Winter braucht Fortschritt. Jedes Jahr will er zwei neue Hostels eröffnen, weiter wachsen. 2020 sind trotz Corona sogar drei hinzugekommen: in Budapest, Warschau und Kopenhagen. Er will alle wesentlichen Urlaubsdestinationen in Europa abdecken. Eigentlich sind seine Kunden Schulklassen, Sportgruppen, Familien, Traveller oder Handwerker, die für längere Zeit in einer anderen Stadt wohnen müssen. Das Konzept: Erschwinglich für jeden soll es sein. Derzeit dienen die wenigen geöffneten Hostels Obdachlosen, Prostituierten oder Menschen in Quarantäne.

Finanziert vom Vermieter

Sein erstes Hostel eröffnete Winter im Jahr 2000 an der Boxhagener Straße in Berlin-Friedrichshain. Mit seinem Freund Andreas Bloch saß er zuvor viele Monate im Keller ihres selbst aufgebauten Getränkehandels. Winter studierte auf Lehramt. Nach einer Rucksackreise wollte er lieber ein Hostel aufbauen, was es in Berlin damals kaum gab. Noch vor der Jahrtausendwende versuchte er über zwei Jahre, das erste zu eröffnen. Aber keine Bank wollte das finanzieren.

Nach zwei Jahren erblickte ihr Vermieter die Pläne im Keller. Michael Kluge, erfolgreicher Bauunternehmer, bot eine komplette Finanzierung an, wenn er die Mehrheit der Anteile bekäme. Bloch war dagegen. Winter aber wollte loslegen und zog es ohne den Freund durch. „Anders hätten wir nie einen Geldgeber gefunden“, sagt Winter. Der Name A&O als Abkürzung für ihre Vornamen blieb. „Wir wollten immer ganz oben in den Katalogen stehen, das ging damit sehr gut.“

Athen, Florenz und Heidelberg

Winters ehemaliger Vermieter Michael Kluge ist inzwischen raus. 2017 übernahm dafür der Private Equity Fonds TPG Real Estate. Der hilft Winter bei seinen Expansionsplänen, hält aber auch 93 Prozent der Anteile. Während des ersten Lockdowns war das jedoch ein Segen. A&O fiel wegen seiner Größe durchs Raster des Hilfsprogramms für mittelständische Unternehmen bei der staatlichen Förderbank KfW. Keine Chance, an Hilfsgelder zu kommen. Dann aber gewährte eine britische Bank ein Darlehen von 35 Millionen Euro.

Und nun? Eigentlich will Winter 2021 zwei weitere Hostels eröffnen. Ob es gelingt, ist ungewiss. Ein Haus in Athen soll übernommen werden. „Da sind wir aber noch mitten in der technischen Prüfung.“ 2019 hat er drei Verträge für noch nicht eröffnete Hostels unterschrieben, deren Eröffnungen sich wegen Corona verschieben. 2022 soll es in Barcelona und Florenz weitergehen. Und dann ist da noch Heidelberg. Der Vertrag ist zwar schon unterschrieben, doch fehlt es gerade noch an der Finanzierung, die wegen Corona ins Stocken geraten ist. Aber Winter bleibt betont optimistisch. „Dann werden es halt 2022 mehr als zwei, um wieder aufzuholen.“

Dieser Text stammt aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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