Aktivisten besetzen Wald - Hambach, die Zweite

In Hessen sollen Teile des Dannenröder Forstes gerodet werden, um Platz für die A49 zu schaffen. Befürworter hoffen auf bessere wirtschaftliche Anbindung, Aktivisten sprechen von einem „Affront gegen den Naturschutz“. Mittendrin: Die Linke, die ihre Fraktionssitzung in einem Baumhaus abhält.

Um die Vorbereitung für den Ausbau der A49 zu verhindern, setzte sich ein Aktivist auf das Dach eines Bulldozers / dpa
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Autoreninfo

Johanna Jürgens hospitiert bei Cicero. Sie studiert Publizistik und Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Zuvor arbeitete sie als Redaktionsassistenz beim Inforadio des RBB.

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Junge Menschen in den Bäumen und auf dem Dach eines Bulldozers – vermummt, nicht wegen der Ansteckungsgefahr, sondern für die Sache – , ein Großaufgebot der Polizei am Boden. Bagger entfernen Barrikaden aus Baumstämmen und Geäst, Umweltschützer hängen auf sogenannten Tripods in der Luft. Nicht lange ist es her, da entstanden solche Bilder in einem nur noch wenige hundert Hektar großen Wald zwischen Köln und Aachen: Der Hambacher Forst, den der Energieversorger RWE jahrelang gerodet hatte, wurde zum Symbol des Widerstandes gegen die Braunkohle. Auch nach dem offiziellen Rodungsstopp finden dort noch vereinzelt Proteste statt. Unter besonderem Schutz von Umweltaktivisten steht aktuell jedoch nicht mehr der „Hambi“, sondern der „Danni“: Ein Laub- und Mischwald zwischen dem hessischen Homberg und Stadtallendorf. 

Seit mehr als 40 Jahren schon gibt es Streit um den Dannenröder Forst, der nun zu eskalieren droht: Am Montag beteiligten sich 50 Aktivisten an einer Blockade, um gegen die Vorbereitungsarbeiten zum Ausbau der A49 zu protestieren. Aufgerufen hatte unter anderem die Kapitänin der Sea-Watch 3, Carola Rackete: „Plakate reichen nicht. Kommt in den Dannenröder Wald, damit Scheuer nicht für ne Autobahn hunderte Jahre alte Bäume absägt."

Ausbau soll wirtschaftliche Anbindung sichern

Der geplante Teilabschnitt der A49 führt von Stadtallendorf nach Gemünden (Felda) und soll Kassel und Gießen miteinander verbinden. Für den Bau sollen ab dem 1. Oktober etwa 64 Hektar Wald gefällt werden, davon 27 Hektar im Dannenröder Forst. Der zugehörige Planfeststellungsbeschluss stammt aus dem Jahr 2012, die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen hat die Auftragsverwaltung übernommen, ab kommendem Jahr ist die Autobahn GmbH des Bundes für den Bau verantwortlich. 

Der Ausbau der A49 hat vor allem wirtschaftliche Gründe: In Stadtallendorf sind mehrere große Firmen ansässig, die von einer besseren Anbindung profitieren würden, unter anderem der Süßwarenhersteller Ferrero und die Eisengießerei Winter. Außerdem soll die Erweiterung des Autobahnnetzes umliegende Ortschaften entlasten. Insbesondere die Anwohner nahe der Bundesstraßen B3 und B 62 litten unter dem hohen Verkehrsaufkommen und der damit einhergehenden Lärmbelästigung, so rechtfertigt das hessische Wirtschaftsministerium das Projekt. 

„Vorzeigewald für nachhaltige Forstwirtschaft“

Für das Aktionsbündnis „Keine A49" im Dannenröder Forst zählen diese Argumente nicht. Mit den Slogans „Danni bleibt“ und „Wald statt Asphalt“ wollen die Umweltschützer die Rodung des Waldes durch dessen Besetzung verhindern. Stand der „Hambi“ für die Energiewende, geht es im „Danni“ nun um eine neue, klimafreundlichere Mobilität. Bereits seit September letzten Jahres haben Aktivisten den Forst besetzt. 

Einige der Bäume im Dannenröder Forst, die für die A49 weichen sollen, sind mehr als 250 Jahre alt, der Mischwald gilt als „Vorzeigewald für nachhaltige Forstwirtschaft“ - er ist aufgrund seiner Biodiversität besonders gut auf den Klimawandel vorbereitet. Zwar will die Autobahngesellschaft DEGES die Rodung des Waldes durch 750 Hektar Aufforstung wieder ausgleichen, die Aktivisten besänftigt das allerdings nicht: Es brauche Jahrzehnte, bis die Wiederaufforstungsmaßnahmen ihre volle Wirkung als CO2- Senke entfalten können, so das Aktionsbündnis „Keine A49“, dessen Vorhaben von Organisationen wie BUND, Robin Wood und Campact unterstützt werden. 

Außerdem sehen die Gegner des Bauvorhabens bedeutende Wasserschutzgebiete gefährdet, unter anderem das Vogelsberggebiet, aus dem Frankfurt etwa ein Viertel seines gesamten Trinkwassers bezieht. Sie wollen Verstöße gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie ahnden, die europaweit den Rahmen für Schutz und Bewirtschaftung des Wassers festlegt.

Fraktionssitzung im Baumhaus

Der juristische Streit über das Bauvorhaben zu Lasten des Dannenröder Forstes scheint allerdings ausgefochten: Erst kürzlich hat das Bundesverwaltungsgericht zwei Klagen gegen den Ausbau der A49 abgelehnt. Zwar haben die Richter Fehler bei der wasserrechtlichen Prüfung erkannt, die Legitimation des Bauvorhabens jedoch nicht grundsätzlich infrage gestellt. 

Im „Danni“ bleibt man trotzdem optimistisch, auch aus Erfahrung: „Wir hatten damals auch nicht geglaubt, dass wir einen Multimilliardenkonzern wie den RWE in die Knie zwingen können, und im Endeffekt haben wir es geschafft“, sagt einer der Aktivisten. 

Unterstützung erhalten sie von der hessischen Linken: Insgesamt neun Abgeordnete, darunter auch die Bundesvorsitzende Janine Wissler, kamen zu einer „öffentlichen Fraktionssitzung“ in den „Danni“, schauten sich die Baumhäuser der Besetzer von innen an. In einem offenen Brief an Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir und Umweltministerin Priska Hinz forderten sie ein sofortiges Bau-Moratorium.

Streit ohne Grundlage

Auf Landesebene ist eine Lösung des Konfliktes jedoch nicht in Sicht: Die A49 ist eine Bundesautobahn, der Auftraggeber ist die Bundesregierung. Zwar verwaltet das hessische Wirtschaftsministerium unter dem Grünen Landesminister Al-Wazir das Projekt, Einfluss auf einen möglichen Baustopp hat er nach eigenen Angaben jedoch nicht. Die Grünen im Bundestag sehen den Verkehrsminister Scheuer in der Verantwortung, den Weiterbau der A49 zu beenden und haben einen entsprechenden Antrag gestellt. 

Währenddessen dürfen die „Danni bleibt“-Aktivisten vorerst weiterhin ihren Protestcamps übernachten – unter Auflagen. Wie schnell sich das ändern und eine Räumung eskalieren kann, haben einige der Aktivsten bereits im „Hambi“ erlebt. Sie haben aber auch gelernt, dass ihre Aktionen etwas bewirken können: Die Rodungen im Hambacher Forst wurden beendet. 

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