Strafzölle auf Aluminium, Autos und Stahl - „Die USA wären ein ärmeres Land, aber autark“

Die USA führen längst einen Handelskrieg, sagt der Direktor des ifo Zentrums für Außenwirtschaft, Gabriel Felbermayr. Der Plan Donald Trumps, Amerika immer mehr abzuschotten, könnte aufgehen. Deutschland hingegen ist zur Partnerschaft gezwungen

Donald Trump setzt weiterhin auf „America first“/ picture alliance
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Herr Felbermayr, US-Präsident Trump will hohe Einfuhrzölle auf Stahl, Aluminium und Autos einführen. Befinden wir uns schon in einem Handelskrieg?
Ja, ich denke schon. Auch wenn mir der Begriff missfällt, wir verwenden ihn ja relativ locker. Wir haben in der Vergangenheit auch vom „Rindfleischkrieg“, „Bananenkrieg“ oder „Hähnchenkrieg“ gesprochen. Jetzt haben wir eben auch im Bereich Stahl einen Handelskrieg.

Aber gehören zu einem Krieg nicht zwei Seiten?
Das muss gar nicht notwendig sein. Auch eine Invasion ohne Gegenwehr ist eine kriegerische Handlung. Wenn wir diese martialische Vokabel angesichts von Auseinandersetzungen, die auf Märkten stattfinden, schon verwenden, gibt es einen Fakt: Von den USA gehen seit Trumps Präsidentschaft zunehmend aggressive Handlungen in der Handelspolitik aus. Dafür muss, wie gesagt, noch gar keine Gegenwehr stattfinden, um von einem Handelskrieg zu sprechen. Außerdem ist der Stahlbereich ja nicht der erste Fall. Wir hatten schon Strafzölle gegen spanische Oliven, Maßnahmen gegen Waschmaschinen oder Solarzellen. Viele Branchen sind betroffen. Das ist eine deutliche Abkehr von einer kooperativen Strategie.

„Wir sind bei fast allen Handelsverträgen auf der Verliererseite“, hat Donald Trump unter anderem getwittert. Hat er Recht?
Ich bin mir nicht sicher, wen er wirklich mit Verlierern meint. Grob würde ich sagen: Nein, er hat nicht Recht. Viele Handelsabkommen der Amerikaner, wie das Nafta-Abkommen mit Mexiko und Kanada, wurden evaluiert und man hat herausgefunden, dass diese für die USA weitgehend positiv waren. Auch wenn die USA Leistungsbilanzdefizite mit ihren Handelspartnern haben, heißt das zum Beispiel nicht, dass die US-Konsumenten davon nicht profitieren. Dass Amerikaner günstiger an deutsche Autos kommen, als mit hohen Einfuhrzöllen, finden die sicher gut. Deren durchschnittliche Kaufkraft ist so hoch wie in kaum einem anderen Industrieland. Das heißt aber natürlich nicht, dass es nicht auch Verlierer gab, zum Beispiel in Regionen, in denen Arbeitsplätze verschwanden.

Eine Romantisierung der Schwerindustrie

Prof. Gabriel Felbermayr ist
Direktor des ifo Zentrums für
Außenwirtschaft

Ist es denn realistisch, wenn Trump jenen Verlierergruppen in der Stahlindustrie neue Jobs verspricht?
Nein, der Zug ist abgefahren. Selbst wenn die Stahlindustrie nach Amerika zurückkehren sollte, wird das eine Hightech-Industrie sein, die mit sehr viel weniger Arbeitern auskommt, als das in den siebziger Jahren der Fall war. Die Hochöfen im sogenannten Rustbelt sind aus und diese romantische Vorstellung von rußgeschwärzten Gesichtern in Michigan oder Pennsylvania wird es im Zeitalter von Industrie 4.0 schlicht nicht mehr geben. Man darf den Amerikanern auch nicht unterstellen, dass sie unbedingt wieder Stahlarbeiter sein wollten.

Auch die US-Autobauer benötigen Importe von Aluminium und Stahl und protestieren gegen Trumps Vorhaben. Für wen kämpft der Präsident eigentlich?
Das hat durchaus mit Psychologie zu tun. Dieser Kampf mag zunächst paradox erscheinen, aber es scheint so zu sein, als ob Trump mit seiner Romantisierung der Schwerindustrie bei vielen Wählern positive Fantasien auslösen kann. Ein Revival in Kohle und Stahl scheinen viele, die in dieser Branche mal tätig waren, als attraktive Vorstellung zu empfinden. Das ist natürlich nicht rational. Denn die Wertschöpfung der Zukunft wird nun mal nicht im Stahl liegen. Die USA haben ja längst große Wettbewerbsvorteile in ganz anderen Branchen. Nicht ohne Grund machen die Internetgiganten des Silicon Valley Riesengewinne.

Die EU-Finanzminister wollen diese US-Digitalkonzerne wie Apple, Facebook und Google härter besteuern. Ist das auch Teil dieses Handelskrieges?
Ja, das gehört schon alles zusammen. Das ist auch nicht etwas, das jetzt erst durch diese Stahl-Diskussion aktuell wurde. Wir sehen global seit geraumer Zeit ein nicht-kooperatives Vorgehen beim Wettbewerbsrecht, bei der Regulierung von Banken und vielen anderen Bereichen. Wir halten amerikanische Software-Unternehmen, wie Uber oder Airbnb, mit Regulierung aus unseren Märkten raus. Die Amerikaner machen das wiederum mit unseren Branchen so. Der Stickoxid-Skandal in Kalifornien ist letztlich Diskriminierung durch Regulierung, weil dort kleine Dieselmaschinen, die meist aus Europa kommen, mit sehr strengen Abgasnormen stark reguliert werden. Für große Dieselmaschinen, die in Traktoren, Lastwagen oder Schiffen verbaut werden und die die Amerikaner selber herstellen, gelten hingegen sehr viel großzügigere Standards.

Die Muskelspiel-Rhetorik von Trump kommt an

Jeder denkt also letztlich „America first“, „Germany first“ oder „China first“?
Ja, wir haben seit langem eine Art Protektionismus-Wettlauf, in dem jeder diejenigen Branchen besonders stark gängelt, bei denen er selbst keinen Wettbewerbsvorteil hat.

Als „nicht klug“, „großer Fehler“ oder „verrückt“ bezeichnen selbst viele Republikaner im Kongress diese Strategie von Trump. Sie fürchten durch den Handelskrieg eine Schwächung der US-Wirtschaft.
Die Frage ist, welches Gewicht diese Stimmen haben. Bei vielen Amerikanern kommt die Muskelspiel-Rhetorik von Trump eben an. Es mal den anderen, die einen angeblich ausgenutzt haben, zu zeigen, zieht leider bei vielen.

Das heißt, der Kampf wird am Ende durch Machtpsychologie und nicht durch die reale Wirtschaft gewonnen?
Genau, es geht um ein Machtspiel und man darf nicht vergessen, dass nicht nur Trumps Wähler, sondern auch weite Teile der Industrie zu dieser Politik stehen. Die Unternehmen wurden durch die für sie großzügige Steuerreform auf die Trump’sche Seite gezogen. Für die allermeisten, die Lobbymacht haben, ist Trump bislang ein ausgezeichneter Präsident gewesen. Wenn jetzt die Stahlpreise etwa für die Autobauer steigen, überwiegen dennoch diese unglaublichen Steuergeschenke.

Die USA könnten autark leben, wären aber ärmer

Die USA sind ein Land mit vielen Rohstoffen und einem großen Binnenabsatzmarkt. Könnten die Amerikaner in einer globalisierten Welt denn mit einer „America first“-Strategie weitgehend autark agieren?
Für jedes Land ist es prinzipiell vorstellbar, sich aus der internationalen Arbeitsteilung auszuklinken. Die Frage ist immer, wie hoch dann die volkswirtschaftlichen Schäden sind, und die wären auch in Amerika beträchtlich. Nur wären die USA davon tatsächlich deutlich weniger betroffen, als es Europa oder Deutschland wären. Sie haben fast alle Ressourcen, die sie benötigen, im eigenen Land, außer vielleicht einige seltene Erden. Aber wir wissen auch, wohin Protektionismus langfristig führt: Wettbewerb hat immer den Vorteil, dass er Druck erzeugt. Dieser Druck bedeutet effizientere Geschäftsmodelle, höhere Qualität der Produkte, bessere Dienstleistungen für Konsumenten. Wenn man überall Mauern errichtet, fällt dieser Druck weg. Die USA wären ein ärmeres Land – aber sie wären autark.

Wie könnte Deutschland überhaupt auf die US-Regierung einwirken?
Ich glaube, wir brauchen drei Dinge:

Erstens muss klar sein, dass ein Abweichen von den Richtlinien der Welthandelsorganisation (WTO) Konsequenzen nach sich zieht. Da kommen wir nicht drum herum, auch wenn uns das schmerzen wird.

Zweitens brauchen wir ähnlich wie beim Brexit mit den EU27-Staaten eine enge Kooperation mit den übrigen G19-Staaten, also den G20 ohne die USA. Diese Zusammenarbeit muss halten, um das nicht-kooperative Verhalten der USA wirksam sanktionieren zu können.

Drittens müssen wir die Tür zu Verhandlungen offen halten. Die Botschaft muss sein: Wir können jetzt nicht anders als unsererseits mit Sanktionierungen zu reagieren. Aber wir müssen auch einsehen, dass es im transatlantischen Handel Probleme gibt. Wenn Trump sagt, wir hätten massive Autozölle, hat er nämlich Recht. Wir haben zehn Prozent Importzölle auf amerikanische Autos. Die USA hatten bislang nur zweieinhalb. Da lassen sich viele Produkte auf beiden Seiten anführen. Es gäbe also durchaus Lösungen am Verhandlungstisch. Was wir brauchen, ist ein neuer TTIP-Anlauf ohne den ganzen Sondermüll, den man dabei mitverhandeln wollte. Mit einem transatlantischen Zollabkommen würde das Hauptargument von Trump wegfallen, der transatlantische Handel sei unfair.

Sind Sie optimistisch oder pessimistisch: Dürfen wir mit einer Harmonisierung rechnen oder wird Trump, wie schon angedroht, mit den USA die WTO verlassen?
Ich glaube, dass wir zunächst eine auf- und abschwellende Phase der Nicht-Kooperation haben werden, vielleicht sogar so lange, bis Trump nicht mehr Präsident sein wird. Aber langfristig wird man erkennen, dass Verhandlungen notwendig sein werden. Angesichts der wachsenden Unsicherheiten werden alle erkennen, dass man Handelsstreitigkeiten besser im Verhandlungsraum als auf Twitter-Accounts oder in aufgeregten Pressekonferenzen beilegt.

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