Sachsens Panzerwagen - Ein Logo mit Beigeschmack

Eine NS-ähnliche Stickerei auf den Sitzen eines sächsischen Panzerwagen irritiert: Ist die Polizei des Freistaates auf dem rechten Auge blind? Der neue Ministerpräsident Michael Kretschmer hat gleich zu Beginn seiner Amtszeit viel zu tun

Stickerei des „Spezialkommandos Sachsen“/ picture alliance
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Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Seit gerade mal einer Woche hat Sachsen eine neue Landesregierung. Der neue Ministerpräsident Michael Kretschmer – bislang Generalsekretär der Sachsen-CDU – hat kaum die historische Wahlniederlage gegen die AfD verdauen können, da steht ihm eine unappetitliche Rechtsaußen-Kontroverse ins Haus. Erneut stellt sich die Frage: Gibt es in Teilen der sächsischen Polizei eine rechte Gesinnung?

Es begann, als die sächsische Polizei in Leipzig ihren neuen Panzerwagen „Survivor R“ vorstellte. SEK-Beamte marschierten auf, es wurden Hände geschüttelt, Reden gehalten; ein Tag vor dem Breitscheid-Platz-Gedenken demonstrierte das Landeskriminalamt, dass es nun auch auf große Terrorlagen reagieren könne.

Ein Logo erinnert an NS-Symbolik

Was keiner bedachte – den Innenraum des Fahrzeuges schmückt ein pikantes Detail. Auf die Sitze wurde in Frakturschrift „Spezialeinsatzkommando Sachsen“ gestickt, darunter stilisierte Adlerschwingen sowie ein Wappen mit Krone, Löwen und Lorbeerkranz. Das Logo erinnerte zunächst vor allem einige Nutzer in den sozialen Netzwerken an NS-Symbolik.

Die Stickerei erregte auch deswegen so viel Aufsehen, weil den Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren immer wieder eine Nähe zum rechten Rand vorgeworfen wurde.

„Ja, es stimmt“, sagte Kretschmers Vorgänger, Ex-Ministerpräsident Stanislaw Tillich, im Februar 2016: „Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus und es ist größer, als viele – ich sage ehrlich: auch ich – wahrhaben wollten.“

Dass Tillich sein Amt nun nach neun Jahren abgab, hat auch mit seinem Versagen im Kampf gegen Rechts zu tun. Bei der Bundestagswahl kam die Sachsen-CDU nur auf knapp 31 Prozent – ein Minus von 16 Punkten –, die AfD holte in Sachsen hingegen 25 Prozent. Sein 42-jähriger Nachfolger Kretschmer, der sein Görlitzer Direktmandat ausgerechnet gegen einen AfD-Mann verlor, muss nun mehr liefern als Lippenbekenntnisse.

Das Logo wurde auf Wunsch so bestellt

Bei dem Panzer stellte sich am Montag schnell heraus, dass der Hersteller Rheinmetall den umstrittenen Polsteraufnäher auf Wunsch des Freistaates Sachsen genau so gestaltet hatte – „auch mit Wissen der Amtsleitung“. Grüne und Linke im sächsischen Landtag waren empört. Das SEK-Logo zeuge von „mangelndem Problembewusstsein und unzureichender Kontrolle der Aufsichtsstrukturen“, erklärte Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Das Innenministerium wies jeglichen Vorwurf einer rechten Attitüde „entschieden zurück“. Und LKA-Sprecher Tom Bernhardt fragte zurück: „Die FAZ verwendet Fraktur im Titel, ist sie deshalb eine rechtsextreme Zeitung?“

Am Dienstagabend lenkte die sächsische Polizei dennoch ein. Die Stickerei solle verschwinden, erklärte Bernhardt. Der „in Teilen der Öffentlichkeit wahrgenommene Kontext“ sei „unter allen Umständen zu korrigieren“. Für die sächsischen Beamten war die Debatte damit beendet – nicht aber für deren Kritiker.

Viele Fragen bleiben unbeantwortet

Tatsächlich sind viele Fragen noch nicht beantwortet. Dass das Logo, das beim SEK seit 1991 intern verwendet wurde, überhaupt öffentlich wurde, ist einem aufmerksamen Lokalfotografen zu verdanken. Warum will niemandem im SEK und im Innenministerium diese augenscheinliche Ähnlichkeit zur NS-Symbolik aufgefallen sein? Und warum diese jahrelange Verschwiegenheit nach außen? Hat man doch etwas geahnt oder befürchtet?

Es mag Zufall sein, dass am Montag noch eine weitere Personalie bekannt wurde: Kretschmer entfernte Innenminister Markus Ulbig von seinem Posten. Den Rausschmiss begründete der neue Ministerpräsident damit, dass er „die Tür für Veränderungen“ aufstoßen wolle.

Ulbig war in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen worden, mutmaßlich rechte Umtriebe nicht richtig im Griff zu haben. Anfang 2015 beschwerten sich bei ihm Gegner des Leipziger Pegida-Ablegers „Legida“, dass die Polizei mögliche rechtsradikale Straftaten nicht streng genug ahndete. Klare Konsequenzen: Fehlanzeige.

Immer wieder rechte Verstrickungen der Polizei

Wenige Monate später tauchten dann Chat-Protokolle auf, die angeblich Verbindungen der sächsischen Polizei zur rechtsextremen Szene belegten. Mindestens drei Leipziger Beamte sollen sich regelmäßig mit Mitgliedern der Neonazi-Szene ausgetauscht haben. Das Operative Abwehrzentrum untersuchte. In Dresden wiederum gab es interne Ermittlungen der Polizei wegen eines mutmaßlichen „Pegida“-Maulwurfs.

Und in Freital standen drei Beamte im Verdacht, Dienstgeheimnisse per WhatsApp an eine rechtsterroristische Gruppierung verraten zu haben. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen jedoch relativ bald ein.

Unvergessen auch das Vorgehen der Polizei in Clausnitz: Als sich Flüchtlinge in einem ankommenden Bus weigerten auszusteigen – das Fahrzeug war von einem pöbelnden Mob umstellt worden – zerrten Beamte die Personen teilweise mit Zwang aus dem Bus, darunter auch einen 15-jährigen Jungen. Gegen die rund 100 ausländerfeindlichen Demonstranten schritten die Polizisten nicht ein. Später verteidigte der Leiter der zuständigen Polizeidirektion Chemnitz den Einsatz noch und sprach von „Provokationen“ durch die Flüchtlinge.

Zwar gibt es auch in Sachsen Polizisten, die sich Neonazis immer wieder in den Weg stellen, die friedliche Bürger schützen und sich bei rechtsextremen Ausschreitungen beschimpfen, treten und bewerfen lassen. Doch so verheerend war der Eindruck, dass sich damals auch Sachsens Vize-Regierungschef Martin Dulig (SPD) fragte, „ob die Sympathien für Pegida und die AfD innerhalb der sächsischen Polizei größer sind als im Bevölkerungsdurchschnitt“.

Kretschmer empörte sich über Studie 

Politikwissenschaftler des Göttinger Instituts für Demokratieforschung fanden dafür durchaus Belege. In der Zusammenfassung ihrer Studie „Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland“ schrieben sie dazu: „Die in der Sekundärliteratur vielfach kritisierte Neigung der sächsischen  Behörden, eine allzu verengte Perspektive hinsichtlich der Definition dessen, was als rechtsextrem gilt, einzunehmen (…) haben wir vor allem in Freital bestätigt gefunden.“

Ministerpräsident Kretschmer täte gut daran, die Ergebnisse der Studie ernst zu nehmen. Die 22 Seiten wären eine gute Anregung für seine künftige Arbeit mit Polizei und Behörden in Sachsen. Kretschmer will davon gar nichts wissen: Er sei über die Studie „entsetzt“, sagte er im Mai, und warf den Forschern „Pauschalisierung“ und Unwissenschaftlichkeit vor. Diese Vorwürfe wiesen die Forscher selbst umgehend zurück.

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