Wim Wenders Film über Papst Franziskus - Monolog für zwei Stimmen

Wim Wenders drehte ein ödes Propagandawerk für und mit Franziskus. Der Papst erscheint als Gewerkschaftsführer und Kapitalismuskritiker ohne Sinn für Spiritualität. So wirft der Film am Ende die Frage auf, ob der Papst häretisch ist. Von Alexander Kissler

Hat Papst Franziskus „mehr als die meisten seiner Vorgänger die Kirche vorangebracht“? / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Jede Zeit bringt ihre Lobredner hervor. Kaiser Trajan hatte seinen Plinius, Kanzlerin Merkel hat ihren Kretschmann – und Papst Franziskus fand Wim Wenders. Genauer gesagt: Jorge Mario Bergoglios Mediensekretär Don Viganò ließ nach Wenders ausschwärmen. Ein Film sollte entstehen, mit Bergoglio im Zentrum und Sympathie als Haltung. Entstanden ist ein Auftragswerk ganz nach dem Geschmack, wenngleich nicht zum Segen des Initiators. Don Vignanò musste im Mai zurücktreten, nachdem er einen Privatbrief Benedikts XVI. unautorisiert veröffentlicht, so Vertrauen gebrochen und diesen Brief zudem entstellt, also manipuliert hatte. Frei nach Schiller: Viganò heißt die Kanaille, und nun haben wir den Salat.

Als Panegyriker, also in einer Lobrede auf den Papst, ist Wenders ungeübt, während Propaganda zum Kerngeschäft der Kirche zählt. Eine „Congregatio de Propaganda Fide“ gab es bis 1967, heute nennt sie sich „Kongregation für die Evangelisierung der Völker“. Nichts Anrüchiges muss es sein, eine Botschaft, die man für gut hält, zu verbreiten. Die Lüge ist der Propaganda keineswegs eingeschrieben, wohl aber das Register. Laut und klar muss die Posaune erschallen; sie ruft ein So-und-nicht-anders. In diesem Sinn kann „Ein Mann seines Wortes“ formvollendet genannt werden. Hier ist jede Abwägung ans Ende gelangt, bleibt alle Widerrede draußen. Amen steht stumm über den Szenen.

Eine Lobhymne auf Papst Franziskus

Der Titel „Ein Mann seines Wortes“ meint: Der gegenwärtige Papst, der uns auf der Basis von vier Face-to-Face-Gesprächen im selten unterbrochenen Dauermonolog vorgeführt wird, lebe das, was er predigt. Das eigene Wort sei die Richtschnur des Handelns. Wenders glaubt fest daran und offenbart seine Dienerschaft gleich zu Beginn auf der Tonspur, wenn er im näselnden Singsang bekennt: „Genau das, was heute gebraucht wird“, sei „ein totaler Sinneswandel“, sei „neue Brüderlichkeit unter den Menschen“, sei wieder ein „franziskanischer Wind“, der „durch die Welt fährt“. Dann bläst er die Backen auf.

Wenders zeigt Bergoglio als globalen Gewerkschaftsführer und lachenden Kapitalismuskritiker. Die fünf großen Themen des Papstes sind Umweltschutz, Armut, Waffenhandel, Globalisierung und Weltfrieden. Wenden wir die These vom „Mann seines Wortes“ an, heißt das: Bergoglio persönlich verklappt keine Schweröle, bereichert sich nicht, handelt nicht mit Waffen, kauft keine multinationalen Konzerne und tritt keine Kriege los. Das dürfte stimmen. Ist damit das päpstliche Amt hinreichend ausgefüllt? Wenders vermisst nichts. Er ist orthodoxer Bergoglianer.

Machen wir dreimal die Probe aufs Exempel und nehmen den nahezu unentwegt plaudernden Papst beim Wort. Plaudert Bergoglio nicht, verdoppelt Wenders aus dem Off das Gesagte oder lässt Szenen aus dem Leben des heiligen Franziskus nachstellen, was beides schlimmer ist. Ein Kind, Lieblingssubjekt aller Propagandisten, fragt den Pontifex, warum er auf eine „luxuriöse Wohnung“ verzichtet habe. So geht die Fabel vom Daueraufenthalt im vatikanischen Gästehaus Sanctae Marthae, das freilich eher ein Hotel ist und dessen Patriarchen-Appartement Tag für Tag mit hohen Kosten zu Buche schlägt, während die Dienstwohnung im Apostolischen Palast ungenutzt verdämmert. Das Kind gibt die PR-Fassung der päpstlichen Wohnverhältnisse wieder, die von Bergoglio als Abflugschneise zur Pointe genutzt wird: Es gebe „so viel Armut auf der Welt“, da sollten wir uns fragen, „ob wir nicht alle etwas ärmer werden können.“ Strahlen, Applaus, Geigen.

Wer nicht arbeitet, verliert seine Würde?

Man stutzt, wenn sich die Rührung verzieht. Der chinesische Reisbauer, die Obsthändlerin in Guinea-Bissau, die verarmten Familien im sozialistischen ruinierten Venezuela, die Inuit und Aborigines sollen „etwas ärmer werden“? Ei, Franz, warum? Damit sie elender sind? Oder meint „wir alle“ gar nicht „alle“? Wo bleibt dann der Jesuitenkopf? Meint es nur die, die alles zum Leben haben, die Abteilungsleiter und Geschäftsführer und Doppelverdiener? Diese sollen „ärmer“ werden, auf Gehalt verzichten, auf Kleider, auf Wohnraum? Was nutzte das unmittelbar den Menschen von Haiti und Kiribati? Was nutzt es ihnen, wenn ein Papst im Hotel lebt? So hat Bergoglio letztlich eine interessante Dummheit von sich gegeben. An ihnen herrscht kein Mangel. Es ist ein ehrlicher Film.

Oder nehmen wir diesen Satz: „Wenn man sein Brot nicht verdienen kann, verliert man seine Würde.“ Damit wendet sich der Pontifex Maximus gegen die gesamte katholische Soziallehre und gegen die christliche Grundüberzeugung von der Gottebenbildlichkeit eines jeden Menschen, unbeschadet dessen, was er tut oder nicht tut, besitzt oder nicht besitzt, verdient oder nicht verdient. Die Menschenwürde ist unverlierbar. So dachten es sich auch die Väter des deutschen Grundgesetzes. So dachten es sich die Autoren der Bibel, als sie die Arbeit als nachparadiesische Strafe interpretierten. Bergoglio sieht es anders. Würde muss man sich durch Arbeit verdienen – und kann man sich durch Arbeitslosigkeit verscherzen. Der stellungslose wäre der würdelose Mensch? Das ist zynischer, als es klang.

Ein neues Kapitel der Offenbarung

Oder drittens: „Niemals sollten wir die Haltung einnehmen, bekehren zu wollen.“ Theologen mögen entscheiden, ob solche Sätze häretisch sind. Unbiblisch sind sie gewiss, ist doch das gesamte Neue Testament ein einziger Aufruf zur Metanoia, zur Umkehr, zur Mission. Davon will Bergoglio nichts wissen. Muslime sollen Muslime bleiben, Atheisten Atheisten, sofern es sich nicht zufällig anders ergibt, denn wer das Gute tut – die Umwelt schützt, den Frieden bewahrt –, den müssen wir uns von Gott gerechtfertigt vorstellen. Wenders rühmt kurz danach Franziskus, er habe „mehr als die meisten seiner Vorgänger die Kirche vorangebracht“. Der Beweis freilich steht aus, sofern man einen Sound nicht für das Wirkliche nimmt, also keinem magischen Denken verfällt, und sofern man nicht Entspiritualisierung als Gewinn sieht. Franziskus ist hier der Papst, den römisch-katholische Belange nicht umtreiben, den Katholiken nicht bekümmern. Er will „Mutter Erde“ dienen. Gaia heißt das Credo.

Am Ende dieses Monologs für zwei Stimmen verabschiedet sich Bergoglio mit einem buddhistischen Gruß, und jemand singt „Nature gives us everything“. Ein neues Kapitel der Offenbarung ist aufgeschlagen. Statt der Märtyrer lehren Braunbär, Berggorilla und Enzian den rechten Weg. Propaganda ohne Fides: Das kann man einen Fortschritt nennen. Muss es aber nicht.

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