Oscar-Nominierung - And the Oscar goes to: Streaming-Dienste!

Bei der 93. Oscar-Verleihung werden Netflix und Amazon viele Trophäen abräumen und Hollywood alt aussehen lassen. Einen Vorgeschmack gab die gestrige Nominierung der Favoriten. Noch nie waren darunter so viele People of Colour wie in diesem Jahr.

Eine Oscar-Statue vor dem Dolby Theater / dpa
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Autoreninfo

Marga Boehle ist Journalistin und Filmkritikerin. Boehle war Mitglied im Auswahlkomitee der Berlinale. Sie lebt in München.

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Es ist schon verquer: Eigentlich ist „Mank“ eine Hommage an das Golden Age des Studiosystems in Hollywood. Doch produziert hat das grandiose Schwarzweiß-Drama um den Autor von „Citizen Kane“, das mit zehn Nominierungen zu den Favoriten bei der Oscar-Verleihung am 26. April zählt, ausgerechnet Netflix. Und mit David Fincher („The Social Network“) führte auch noch einer aus Hollywoods erster Garde Regie. In diesem Jahr, in dem keiner der gestern nominierten Filme im Kino die Chance zum Reüssieren hatte, ist Fincher als „alter weißer Mann“ ziemlich allein auf weiter Nominierungs-Flur. Es scheint, als hätten die Academy Members in diesen ungewöhnlichen Zeiten ihre Lektion in Sachen political correctness aus #metoo und #blacklivesmatter gelernt. Zumindest fielen die Nominierungen gestern so divers aus wie nie zuvor. In den Darstellerkategorien gingen neun von 20 Nominierungen an People of Color. 

Und in der wichtigen Kategorie Regie haben gleich zwei asiatischstämmige Regisseurinnen die Chance zu gewinnen: Die in Peking geborene Chloé Zhao, die für ihren gefeierten und bereits mehrfach ausgezeichneten „Nomadland“ bereits in Venedig den Goldenen Löwen holte, ist als erste asiatischstämmige Frau überhaupt für einen Regie-Oscar nominiert. Sie könnte vier Preise absahnen: Als Produzentin in der Kategorie „Bester Film“, aber auch als Regisseurin, Drehbuchautorin und Editorin.

Für ihr Roadmovie um eine Frau, die auf der Suche nach immer neuen Jobs durch den Westen der USA reist und in ihrem Auto lebt, ist auch die großartige Frances McDormand als Hauptdarstellerin im Rennen. Ihr Kampf ums Überleben der vom American Dream Vergessenen soll, so Filmstarts wieder möglich werden, nach Ostern in die Kinos kommen. Regisseur Lee Isaac Chung, für „Minari“ nominiert, verarbeitet seine Kindheit als Sohn koreanischer Einwanderer auf einer Farm in Arkansas. Auch sie suchen den amerikanischen Traum in der berührenden Familiengeschichte, die ebenfalls im April in die Kinos kommen soll einige der Academy Award-nominierten Filme wollen den Hype um die Preisverleihung am 25. April nutzen und streben Kinostarts im Umfeld an. 

Emerald Fennell ist in fünf Kategorien nominiert

Mit der Britin Emerald Fennell ist in der bislang männlich dominierten Kategorie eine weitere Regisseurin nominiert. Der Filmtitel ist Programm: „Promising Young Woman“, ein Thriller um eine junge Medizinstudentin, die der Selbstmord ihrer besten Freundin aus der Bahn wirft, feierte beim Sundance Festival Premiere und ist in insgesamt fünf Kategorien nominiert, darunter auch als Bester Film. Auch der Däne Thomas Vinterberg ist mit seinem für den Auslands-Oscar aufgestellten „Der Rausch“ (Filmstart ebenfalls im April) als „Bester Regisseur“ dabei. Bei der Vorauswahl für den Auslands-Oscar hatte sich der deutsche Beitrag von Julia von Heinz, „Und morgen die ganze Welt“, nicht durchsetzen können.

Bei den Hauptdarstellerinnen können sich neben Frances McDormand noch Vanesse Kirby, bereits in Venedig für „Pieces of A Woman“ ausgezeichnet, Carey Mulligan für „Promising Young Woman“ sowie Viola Davis für „Ma Rainey’s Black Bottom“ und Golden-Globe-Preisträgerin Andra Day in Lee Daniels Biopic „The United States vs. Billie Holiday“ (Starttermin 22. April) über eine Nominierung freuen. Auf eine Auszeichnung hoffen auch ihre Kollegen Gary Oldman für „Mank“, Anthony Hopkins für „The Father“, Riz Ahmed für „Sound of Metal“ und Steven Yeun für „Minari“.

Diversity matters

In der Königskategorie „Bester Film“ gibt es acht Konkurrenten: Neben „Nomadland“, „Minari“ und „Promising Young Woman“ Aaron Sorkins sensationelles Gerichtssaal-Drama „The Trial of the Chicago 7“ und „Mank“ für Netflix, die Amazon-Produktion „Sound of Metal“, das Regiedebüt „The Father“ und mit „Judas and the Black Messiah“ eine der wenigen Studioproduktionen. Insgesamt geht Netflix mit 35 Nominierungen ins Rennen, gefolgt von Amazon mit zwölf. Sieger stehen also in jedem Fall schon fest bei der Verleihung, die diesmal nicht nur im Dolby Theatre, sondern auch noch in der Union Station, einem Bahnhof in Los Angeles, stattfinden soll. Die Streamer, vor kurzem noch so gut wie geächtet bei den Academy Awards, halten Einzug in den Film-Olymp. Dem kann das neue Motto „Diversity matters“ sicherlich nur guttun vorausgesetzt, es bleibt keine der Pandemie geschuldete Ausnahme.

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