Nachruf auf Eddie Van Halen - Der Usain Bolt der elektrischen Gitarre

Den Sound seiner Band Van Halen hat er unsterblich gemacht: Eddie Van Halen war einer der letzten Größen des Rock ’n’ Roll. Er war ein Poser, aber auch ein technisches Genie, das neue Maßstäbe gesetzt hat. Nun ist er im Alter von 65 Jahren gestorben.

Im Alter von 65 Jahren gestorben: Rock-Legende Eddie van Halen / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Wie oft hat er uns Luftgitarristen junger Jahre an die Grenzen unserer Kunst geführt. Und an den Rand der Verzweiflung. Das Problem waren nicht die fetten Riffs, bei denen er etwa im Kinks-Klassiker „You Really Got Me“ einfach mal zwei Lagen dicker auftrug als Dave Davies im Geniestreich seines Bruders Ray. Nein, es ging um diese Wechsel vom Filigranen ins Fette. Bestes Beispiel: „Take your Whiskey Home“,  das Intro auf der Akustischen so bluesig wie ein alter Baumwollpflücker aus den Sümpfen des Mississippi, dann der Tritt auf den Verzerrer (oder der fliegende Wechsel zu elektrischen Klampfe), dann dieser Vorwärtsdrang, grundiert von einer treibenden Bassline und den Drums seines Bruders Alex. Und das Ganze im einzigartigen Duett mit dem kieksenden Gesang eines David Lee Roth, der sich sein ganzes Sängerleben lang anhörte, als sei er im ewigen Stimmbruch.

Was uns wie Kokain ins Hirn stieß

Eddie Van Halen ist tot. Gestorben mit 65 Jahren. Wieder einer der ganz Großen der Rock ’n’ Roll-Vergangenheit. Wie bei jedem richtig guten Gitarristen war sein Sound unique, man hört sein Spiel ebenso schnell heraus wie jenes eines Ritchie Blackmore, Stevie Ray Vaughan, Tony Iommi, Frank Zappa, Jimi sowieso. 

Was uns wie Kokain ins Hirn stieß, war seine – wie soll man das beschreiben – einzigartige Kunst, eines verwaschenen und doch präzise klingenden Entrees. Am besten zu hören bei „And The Cradle Will Rock“:  Der Song, die Gitarre kommt aus dem Irgendwo. Klingt am Anfang wie ein startender Düsenjet mit Zündstörung. Und gibt dann Vollgas. 

Der Usain Bolt der elektrischen Gitarre   

Eddie war ein Poser, klar. Das war zwingender Teil der Performance. In fast schon obszön selbstverliebter Weise führt Eddie in „Eruption“ vor, wessen Finger zu jener Zeit am schnellsten und dabei am melodischsten unterwegs waren. Er war der Usain Bolt der elektrischen Gitarre.    

Keine Ahnung, wie Eddie das technisch hinbekommen hat. Das müssten und könnten wahrhaftige Gitarristen kundig erklären. Ebenso wie sein Tapping, also das Spielen mit beiden Händen auf dem Gitarrenhals. 

Ein unsterblicher Sound

Bei Freunden der härteren Gangart hat das Duo Eddie Van Halen und David Lee Roth neue Maßstäbe gesetzt. Der größte Banderfolg (das vergleichsweise stupide und zeitgeistig synthesizerbetonte „Jump“) ist da gar nicht die Referenz. Sondern harte und schnelle Nummern wie „Loss Of Control“, Mitgrölsongs wie „Ain‘t Talking About Love“ oder swingartige Stücke, in denen die Lust von David Lee Roth auf das Genre eines Dean Martin oder Frank Sinatra schon aufblitzte, der er später in Solo-Alben freien Lauf ließ. Im Grunde waren sich David Lee Roth und Eddie bei Van Halen wechselseitig das, was sich bei Queen Ausnahmegitarrist Brian May und der ins Opernfach tendierende Freddie Mercury waren. 

Van Halen war schon seit dem Ausscheiden von David Lee Roth und dem Einstieg von Allzweckröhre Sammy Hagar als Band gestorben. Nun ist nach langer, schwerer Krebserkrankung Eddie Van Halen der Band nachgefolgt, deren Sound er unsterblich gemacht hat. 

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