Jason Bourne - „Vielleicht muss Bourne einmal die Welt vor Trump retten“

Heute läuft der vierte Teil der Actionserie um den Agenten ohne Gedächtnis, Jason Bourne, bei uns an. Schauspieler Matt Damon spricht im Interview über seine Angst vor Überwachung, das Brexit-Votum und Donald Trump

Matt Damon bei der Deutschland-Premiere des neuen „Jason Bourne“-Films in Berlin / picture alliance
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Dieter Oßwald studierte Empirische Kulturwissenschaft und schreibt als freier Journalist über Filme, Stars und Festivals. Seit einem Vierteljahrhundert besucht er Berlinale, Cannes und Co. Die lustigsten Interviews führte er mit Loriot, Wim Wenders und der Witwe von Stanley Kubrick.

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Matt Damon gilt als einer der profitabelsten Schauspieler von Hollywood. Doch er macht nicht nur Kasse, sondern ist auch gut für Kino-Kunst. Ob mit „Good Will Hunting“, wofür er als Drehbuchautor gemeinsam mit seinem Kumpel Ben Affleck den Oscar bekam. Ob als charmanter Hochstapler in „Der talentierte Mr. Ripley“, als wackerer „Soldat James Ryan“ oder in Martin Scorseses „Departed“. Auch dank der „Ocean's Eleven“-Abenteuer avancierte der Harvard-Absolvent zum Publikumsliebling. Als Agent Jason Bourne ist er längst Kult, nun kommt der vierte Teil in die Kinos. Einige Szenen wurden traditionell in Berlin gedreht.

Herr Damon, wieder einmal haben Sie der deutschen Hauptstadt filmisch die Ehre gegeben. Wie lange haben Sie für „Jason Bourne“ in Berlin gedreht?
Damon: Das war dieses Mal leider nicht sehr lang, der Dreh in Berlin hat nur eine knappe Woche gedauert. Dabei liebe ich Berlin, beim zweiten Teil von „Jason Bourne“ habe ich fast ein halbes Jahr in der Stadt gelebt.

Was gefällt Ihnen an Berlin?
Berlin ist eine Stadt, die einfach alles hat. Beim zweiten Teil von „Jason Bourne“ diente sie als perfektes Double für Moskau. Die Berliner haben darüber natürlich alle gelacht, weil sie die Schauplätze wiedererkannten, anderswo hat das allerdings niemand bemerkt. Für den aktuellen „Jason Bourne“ bot sich Berlin als Kulisse an, weil es hier eine große Hacker-Szene gibt.

„Jason Bourne“ bietet wieder Action satt. Fällt Ihnen der Körpereinsatz mittlerweile schwerer als am Anfang?
Auf jeden Fall! Beim ersten „Bourne“-Film war ich 29 Jahre alt, heute bin ich 45 da wird alles schwerer. (Lacht)

Was hat Sie zu diesem vierten Teil motiviert?
Die Ansage von Regisseur Paul Greengrass war: Wenn wir diese Figur nochmals auferstehen lassen, muss im ersten Bild deutlich werden, wie sehr sie die letzten zehn Jahre gelitten hat. Wir wollten für diesen Film den vollen Einsatz liefern, das waren wir dem Publikum schuldig. Genau dieser Anspruch war meine Motivation. Dafür habe ich zweimal täglich im Fitnessstudio trainiert. Wobei ich überhaupt nicht so dem Muskel-Typ entspreche. Das brauche ich nicht, ich bin sehr zufrieden in meiner Haut.

Gab es keine Überlegungen, Bourne in Pension zu schicken?
Bourne wurde nie auf Eis gelegt. Wir waren nur skeptisch, ob es noch eine weitere Folge geben sollte. Aber dann kamen immer mehr Leute auf uns zu, die eine Fortsetzung wollten. Solche Reaktionen gibt es nicht oft und sie geben dir ein wunderbares Gefühl. Ich habe schon viele Filme gedreht, die niemand sehen wollte.

In der Zwischenzeit gab es mit „Das Bourne Vermächtnis“ einen Film, der ohne Sie und die Figur des Agenten auskommt. Wie kam das zustande?
Das Filmstudio hat einen Vertrag mit den Nachlassverwaltern von Robert Ludlum, dem Erfinder von „Bourne“ und musste 2012 einen Film ins Kino bringen. Man fragte uns, ob wir das machen wollten, aber wir hatten damals noch keine Geschichte parat. Also entstand eben dieser Franchise-Ableger, ganz so wie bei „X-Man“ und „Wolverine“.

Ist für Sie Bourne der bessere Bond, weil er politisch relevante Themen behandelt?
Wir wollten mit „Bourne“ immer auf der Höhe der Zeit sein. Die ersten Folgen spielten während der Präsidentschaft von Bush, es ging um den Kampf gegen Terrorismus. Jetzt haben wir es mit einer völlig neuen Welt zu tun. Der Film beginnt an der Grenze von Griechenland, die so viele Flüchtlinge passieren. Es gibt eine Actionszene mitten in einer Protestdemonstration in Athen. Und vor allem geht es um die Frage von Privatsphäre versus Sicherheit. Das ist wirklich das zentrale Thema dieser Tage.

Für wie realistisch halten Sie die raffinierten Ausspäh-Methoden in „Jason Bourne“?
Vor Kurzem habe ich in der New York Times einen sehr beunruhigenden Artikel gelesen. Für ein Experiment haben zwei Hacker das Leben einer Großmutter aus Oregon ausgekundschaftet. Es war unglaublich, was die beiden dabei alles herausfanden. Noch schockierender ist allerdings, dass die Hacker entdeckten, dass sie nicht die Ersten waren, die bei dieser harmlosen alten Dame herumgeschnüffelt haben. Es ist alarmierend zu sehen, was alles möglich ist.

Reagiert die Gesellschaft zu lethargisch auf diese Entwicklung?
Diese Technologie entwickelt sich derart rasant, dass unser Verständnis dafür erst langsam erwacht. Viele Menschen sind von der Entwicklung überrascht. Welchen Einfluss hat das alles auf unser Leben und auf unsere Demokratie? Darüber muss es eine öffentliche Debatte geben und wir müssen Grenzen festlegen. Die Sicherheitsapparate werden naturgemäß immer danach trachten, so viele Informationen wie möglich zu sammeln und Hintertüren in alle Bereiche zu finden. Deswegen müssen wir Gesetze schaffen, die festlegen, was zulässig ist und was nicht. 

Wie steht es mit Ihrem Vertrauen in die Privatsphäre? Schreiben Sie noch unbekümmert E-Mails?
Ich schreibe noch Mails, aber die sind alle ziemlich langweilig. Wenn die irgendjemand mitlesen sollte, hätte er wenig Vergnügen damit. (Lacht) Wie jeder andere auch benutze ich natürlich ständig mein Smartphone. Nicht nur, um mit meinen Kindern in Kontakt zu sein. Praktisch mein ganzes Leben wird davon bestimmt. Aber ich lasse die Finger von den Sozialen Medien, ich twittere nicht, ich poste nicht auf Facebook. Das macht mich ein bisschen altmodisch.

Könnten Sie sich vorstellen, den Beruf an den Nagel zu hängen und sich nur noch um die Kinder zu kümmern?
Clint Eastwood sagte mir einmal, wie satt er es habe, sich auf der Leinwand zu sehen. Ich kann mir gut vorstellen, künftig ein bisschen langsamer zu machen. Aber ans Aufhören denke ich sicherlich nicht, dafür liebe ich das Filmemachen einfach viel zu sehr.

Haben Sie noch Kontakt zu Franka Potente, Ihrer Partnerin aus „Bourne 2“?
Nein, ich habe mit Franka seit Langem nicht mehr gesprochen. So geht es in diesem Geschäft einfach zu. Man verbringt gemeinsam eine wunderbare Zeit, danach geht man getrennte Wege und verliert den Kontakt. Ich weiß, dass Franka jetzt eine Familie hat und ich wünsche ihr alles Gute.

Stimmt es, dass Sie im US-Remake von „Honig im Kopf“ von Til Schweiger mitspielen werden?
Davon habe ich noch nie etwas gehört. (Lacht)

Wird es einen weiteren Bourne-Einsatz für Sie geben?
Ich weiß nicht, das liegt bei Paul Greengrass. Der dreht jetzt aber erst noch zwei andere Filme. Danach schauen wir, wie die Welt inzwischen aussieht. Vielleicht wird Jason Bourne irgendwann gebraucht, um die Welt vor einem Präsidenten Trump zu retten.

Glauben Sie, dass Trump eine Chance hat?
Nach dem Brexit kann ich mir alles vorstellen. Ich war wirklich schockiert, als das passierte. Damit hätte ich niemals gerechnet. Und plötzlich scheint auch der Aufstieg von Trump viel wahrscheinlicher. Auch da geht es um die Emotionen wütender Menschen, die sich vom System allein gelassen fühlen. Überall bekommen Rechtsextreme Auftrieb und es herrscht diese „Wir bauen eine Mauer“-Mentalität. Es ist unglaublich, dass ich das jetzt sage, denn vor einem Jahr hätte das keiner von uns gedacht: Aber es könnte wirklich sein, dass dieser Mann gewinnt.

Herr Damon, vielen Dank für das Gespräch.

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