Papst Benedikt und der sexuelle Missbrauch - Die 68er waren's

Der massenhafte sexuelle Missbrauch von Kindern hat die Katholische Kirche unter Druck gesetzt. Um seinen Nachfolger Franziskus zu unterstützen, hat sich Benedikt XVI. plötzlich zu Wort gemeldet. Sein Beitrag dürfte jedoch nicht dazu beitragen, die Aufarbeitung zu befördern

91 Jahre alt und kein bisschen einsichtig: Papst Benedikt XVI. / picture alliance
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Hatte er nicht nach seinem Rücktritt versprochen, er wolle in Zukunft nur noch beten und schweigen? Hätte er sich daran gehalten, wären Papst Benedikt und der Katholischen Kirche eine riesige Blamage erspart geblieben. Benedikt, mittlerweile fast 92 Jahre alt, hat sich in der Diskussion um massenhaften sexuellen Missbrauch unter dem Dach seiner Kirche zu Wort gemeldet. Die hat nicht nur seinen Nachfolger gewaltig in Bedrängnis gebracht, sondern auch die Frage aufgeworfen, warum er nicht schon mit der Aufarbeitung begonnen hatte. Als er 2013 plötzlich zurücktrat, war das Problem längst bekannt.

Jetzt muss also ein Bauernopfer her, ein Buhmann – am besten einer, der mit der Katholischen Kirche so wenig zu tun hat wie der Papst – nun sagen wir mal – mit feministischen Pornos. Und den glaubt Benedikt jetzt gefunden zu haben: Die 68er-Bewegung wars. Nein, es ist kein Witz. Der ehemalige Papst hat das wirklich geschrieben. Man kann es nachlesen in einem Artikel, den er nach Rücksprache mit Papst Franziskus für das Bayerische Klerusblatt geschrieben hat. Die 68er-Bewegung sei Schuld daran, dass die Maßstäbe für Sexualität verlorengegangen seien, auch in der Katholischen Kirche. „Zu der Physiognomie der 68er-Revolution gehörte, dass nun auch Pädophilie als erlaubt und angemessen diagnostiziert wurde.“

Verschanzt hinter einer Lüge

Das Geständnis eigener Fehler, Versäumnisse oder Vertuschungsversuche der Kirche? Fehlanzeige. Mit einem einzigen Artikel hat es Benedikt geschafft, das Bemühen seiner Nachfolger um Aufklärung als unglaubwürdig zu diskreditieren. Und man fragt sich, was einen mehr erschrecken soll: Dass sich der greise Papst hinter dicken Klostermauern hinter einer noch dickeren Lüge versteckt. Oder dass die meisten Medien die Darstellung des Papstes einfach wiedergeben, ohne sie kritisch zu hinterfragen.

Wie gut, dass es noch die taz gibt, das Zentralorgan der Alt-68er. In einem bitter-bösen Kommentar räumt die Zeitung mit der „Verleumdung“ und der „Heuchelei“ des Papstes auf. „Es ist das alte Bild des in Versuchung geführten Gelehrten. Und wieder einmal wird das Opfer zum Täter erklärt.“ Ein  verzweifelter Versuch, das eigene Ansehen zu retten? Oder der längst überfällige, sprichwörtliche Tritt in den Hintern eines Geistlichen, der sich mit letzter Kraft an der Macht festklammert und sich weigert, der Realität ins Auge zu sehen?  Urteilen Sie selbst.  

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