Adel - "Ich brauche kein Schloss"

Selbstbewusst spricht er von der Rückkehr seiner Familie nach Berlin und Potsdam: Hohenzollernprinz Georg Friedrich von Preußen will kein boulevardesker Spaßadeliger sein, sondern die historische Bedeutung seiner Familie ins rechte Licht rücken – ein politischer Drahtseilakt.

() Georg Friedrich Prinz von Preußen vor Schloß Sanssouci in Potsdam
Anzeige

Die Preußen sind wieder da. Nach Jahrzehnten kehren sie zurück an ihre angestammten Wirkungsstätten: In Berlins Mitte wird das Hohenzollernschloss wieder aufgebaut, in Potsdam erfolgreich für Garnisonkirche und Stadtschloss gesammelt. Mit der Wiederannäherung an die steinernen Zeugen der Preußenherrschaft kommen die Familienmitglieder aus den entlegenen Winkeln der Republik wieder ins Zentrum. Nun soll auch die Generalverwaltung des „ehemals regierenden Herrscherhauses“ ihren Sitz wieder in der alten Heimat nehmen.

Der Chef des Hauses Hohenzollern will es so. Prinz Georg Friedrich ist direkter Nachfolger der Preußenkönige. Doch die Deutschen haben 1918 ihren König von Potsdam aus gründlich verabschiedet. Als wir am Denkmal des Alten Fritz vorbeikommen, zeigt Prinz Georg erst auf dessen, dann auf seine Nase: „Ist diese Familien-Ähnlichkeit nicht unglaublich?“ Dabei erinnert dieser gänzlich unprätentiöse und moderne junge Mann mehr an den Kronprinzen Felipe aus Spanien, mit dem er befreundet ist. In offenem Hemd und orangefarbenem Pullover – preußisch-orange, wie er erklärt, in der Familientradition mit den Oraniern – ist er der Typ idealer Schwiegersohn. In Frage kommt freilich nur eine Dame von Stand, das heißt aus dem Hoch-adel: Denn der blonde, hoch gewachsene Student der Betriebswirtschaft, der lachend durch Park Sanssouci flaniert, bleibt das Oberhaupt seiner Familie nur, wenn er sich standesgemäß vermählt. Der 28 Jahre alte Junggeselle wohnt neuerdings in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin mit Blick auf den Reichstag und ist sehr zufrieden damit.

Wenn Prinz Georg seinen grünen Audi durch Potsdam lenkt, halten ihn weder Geschwindigkeitsbegrenzungen noch Parkverbote auf. So forsch ist er im politischen Auftritt nicht. Die Usurpation seiner Familienstätten gelingt ihm genau so weit, wie eine Charme-Offensive reicht.

%paywall%

Welches Signal setzen Sie mit Ihrer Rückkehr nach Berlin und Brandenburg?
Mit der Wiedervereinigung war uns klar, dass wir in die märkische Heimat meiner Vorfahren zurückkehren werden, und ich freue mich, dass immer mehr Familienmitglieder hierher ziehen.

Wie reagiert die Politik?
Sehr positiv. Schon zur Zeit meines Großvaters war der Kontakt zur brandenburgischen, aber auch Berliner Landesregierung sehr eng. Dies führe ich weiter und so habe ich mich besonders über den Besuch des brandenburgischen Ministerpräsidenten im Januar auf der Burg Hohenzollern gefreut. Ob ich die Generalverwaltung unseres Hauses nun in Potsdam oder Berlin installiere, ist allerdings noch offen.

Genügend schöne Immobilien gäbe es ja schließlich.
Wir werden sehen, was sich ergibt. Der ursprüngliche Sitz der Generalverwaltung war Unter den Linden im Niederländischen Palais, nach dem Krieg dann in Bremen. Im Moment halten wir unsere Verwaltung noch bewusst klein und improvisieren erfolgreich. Das nächste Jahr können wir noch überbrücken.

Was erwarten Sie von Potsdam – Berlin – Deutschland?
Ich habe die gleichen Erwartungen an mein Land wie jeder Bürger. Für mich persönlich geht es darum, meinen Job gut zu machen, meine Familie möglichst würdig und zeitgemäß nach innen und außen zu vertreten und die Geschichte und Traditionen unseres Hauses zu bewahren. Wichtig ist mir auch, dass meine Familie als Institution wahrgenommen wird. Dazu brauche ich kein Schloss, das geht auch, wenn ich mit Laptop im Café sitze. ich bin in einem Häuschen in Fischerhude aufgewachsen und war der glücklichste Mensch. Das Letzte, was ich brauche, um mich zu definieren, ist ein Schloss. Wir sind auch ohne handlungsfähig.

Aber ich würde mich freuen, wenn in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen würde, wie viele Leihgaben wir für die Museen und Schlösser in Berlin und Brandenburg, aber auch in ganz Deutschland, zur Verfügung stellen und deren Arbeit auf vielfältige Weise unterstützen.

Erwarten Sie Widerstände, wenn Sie ein Büro, sagen wir nicht in Sanssouci, aber im Marmorpalais nähmen?
Mein Großvater hatte unmittelbar nach der Wende von der Landesregierung die Rückgabe des Marmorpalais an die Familie in Aussicht gestellt bekommen. Er hatte zu diesem Schloss, in dem er geboren wurde, eine sehr enge Beziehung. Zu seinem Bedauern ließ sich das nicht realisieren. Es sind noch immer einige Restitutionsansprüche nicht geklärt.

Was halten Sie von Gemäldeverkäufen, um Apanagen zahlen zu können?
Wir haben bislang zwei Auktionen durchgeführt. Es mussten Pflichtteile und steuerliche Auflagen erfüllt werden. Mir fiel dies sehr schwer. Von Preußen bleibt vor allem der kulturelle Nachlass meiner Vorfahren und ich bemühe mich, diesen möglichst komplett zu erhalten. Ich bin nicht der junge Schnösel, der mit dem Lieferwagen vorfährt, um Museen auszuräumen. Ganz im Gegenteil.

Wie sprechen die aufgeklärten Repräsentanten der Bundesrepublik Sie an?
Oft werden Mitglieder meines Hauses mit „Königliche Hoheit“ angesprochen, wie es im „Protokollarischen Ratgeber“ des Bundesanzeigers steht. Ich würde dies aber nie erwarten – mir ist Prinz Georg lieb und im Pass steht als Nachname „Prinz von Preußen“.

Gibt es mit Ihnen eine Form der behutsamen Repolitisierung des Hauses Hohenzollern? Ist Otto von Habsburg für Sie ein Vorbild?
Ich habe als Chef des Hauses Hohenzollern keine politische Rolle – und strebe dies auch nicht an. Was ich mir wünsche, ist eine gewisse Fairness im Umgang mit der Geschichte meiner Familie. Dies ist leider nicht immer der Fall. So höre ich, dass mitunter bei Führungen in den Schlössern gesagt wird, die Hohenzollern waren alle Kriegsverbrecher. Und ganz sicher beziehe ich Position, wenn Neonazis Preußen und Symbole wie den Preußenadler missbrauchen. Ich habe gerade aus diesen Gründen den Preußen-Adler redesignen lassen, um zu zeigen: Das ist das aktuelle Preußen. Es ist mir wichtig, meine Familie und das, wofür wir stehen, klar abzugrenzen. Dies soll durch unsere karitative Arbeit, aber auch verstärkt durch unser Engagement auf dem Gebiet der Kultur geschehen.

Verstrickungen mit den Nazis gab es ja aber.
Was ich gar nicht bestreite. Es ist bekannt, dass sich Prinz August Wilhelm, ein Sohn Kaiser Wilhelms II., vor den Karren der Nationalsozialisten spannen ließ und eine sehr unrühmliche Rolle einnahm. Dies hat sein Vater auf das Schärfste kritisiert und ihn immer wieder zur Ordnung gerufen. In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch betonen, dass mein Großvater, Prinz Louis Ferdinand von Preußen, aktives Mitglied im Widerstand gegen die NS-Diktatur war – unter Lebensgefahr. Neben viel Positivem gab es auch bei uns schwarze Schafe – wie in vielen Familien.

Ist für Sie Preußen Last, Verpflichtung, Anspruch?
Es ist sowohl Verantwortung als auch Anspruch – und manchmal sicher auch Last. Doch sehe ich es als eine spannende Aufgabe, die mich fordert, und die ich hoffentlich erfülle. Ich sehe darin einen Vorteil gegenüber denen, die sich schwer tun, ihre Position im Leben zu finden. Für mich steht Preußen für die schönen Künste, für Kultur, Philosophie, Freiheit.

Haben wir nicht ein emotionales Vakuum in Deutschland – man hat zuweilen den Eindruck, das Volk liebt die europäischen Nachbarmonarchien?
Ob wir ein emotionales Vakuum haben, kann ich nicht sagen. Aber ganz sicher lässt sich ein großes Interesse an den europäischen Königshäusern feststellen, was man ja nicht zuletzt an den Einschaltquoten bei der Übertragung von Hochzeiten sieht.

Haben wir in der Bundesrepublik die ideale Staatsform gefunden?
Ja, eindeutig. Ich bin in der Bundesrepublik aufgewachsen und schätze die Rechte und Freiheiten, die mir dieses Land gibt. Meine Vorfahren haben sich nicht so frei bewegen können wie ich.

Wie sehen Sie die Rolle des Bundespräsidenten? Ist in Deutschland die konstitutionelle Monarchie ein für allemal vorbei?
Ich kann nur sagen, dass dies nicht zur Debatte steht. Zur Zeit meines Großvaters gab es eine Umfrage, wonach sich damals 39 Prozent der Befragten für Prinz Louis Ferdinand als Bundespräsidenten aussprachen. Er sagte dazu, „wenn das Volk mich ruft, stehe ich zur Verfügung“. Für mich stellt sich diese Frage nicht.

Ist Preußen im Moment Mode?
Ja, das kann man zum Beispiel an den täglich über 7000 Besuchern auf unserer Internetseite www.preussen.de sehen. Und ich freue mich über die zahlreichen E-Mails aus der ganzen Welt zu allen nur erdenklichen Fragen, die mit Preußen zusammenhängen. Es ist schön, wenn die Familie als Ansprechpartner gesehen wird.
Doch sogar in der DDR, wo es hieß, das Haus Hohenzollern gehöre in das „Gruselkabinett der deutschen Geschichte“, war ab 1981 ein gewisser Meinungsumschwung festzustellen. Man überlegte, das ehemalige Königshaus zu Marketingzwecken zu nutzen. So reiste der Minister für Kultur mit einer Abordnung zu meinem Großvater auf die Burg Hohenzollern und sagte, „Kaiserliche Hoheit, wir würden gerne die Särge von Friedrich dem Großen und dem Soldatenkönig an ihren angestammten Ort zurückbringen“. Da hat mein Großvater kräftig Whisky eingeschenkt und geantwortet: „Wunderbare Idee, ich habe nur eine Bedingung, Deutschland muss vorher wiedervereinigt werden.“ Jahre später hat er die Särge mit seinem Freund Helmut Kohl mit allen militärischen Ehren zurückgeführt.

Wie stehen Sie zur Überlegung, den Wiederaufbau des Hohenzollern-Schlosses in Berlin zu privatisieren?
Meiner Meinung nach ist der Wiederaufbau des Schlosses für den historischen Kern Berlins unerlässlich. Wenn dies nur durch Privatisierung erreicht werden kann, wenn dort beispielsweise Läden untergebracht werden, so sollte man dies akzeptieren. Diese Lücke im Stadtbild muss unbedingt geschlossen werden. Ich würde mich aber freuen, wenn dort eines Tages auch das Hohenzollern-Museum Platz finden könnte, an dessen Konzeption wir mitarbeiten.

Wie können Sie den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses unterstützen?
Einen finanziellen Beitrag kann das Haus Hohenzollern leider nicht leisten, aber ich könnte mir gut vorstellen, Sponsoren zu werben oder gegebenenfalls Kontakte herzustellen.

Wie groß ist das Vermögen der Hohenzollern noch?
In der Öffentlichkeit wird es sicherlich überzogen dargestellt. Jedes Familienmitglied erhält noch immer eine allerdings kleine Apanage, die nicht zum Lebensunterhalt reicht. Mehr möchte ich darüber nicht sagen.

Gibt es noch ein funktionierendes Adelsnetzwerk?
Ich tue mich schwer, als Adeliger bezeichnet zu werden. Ich sehe mich eher als ganz normaler Bundesbürger, wie alle anderen auch. Viele der Familien „mit langen Namen“ sind miteinander verwandt, woraus sich vielleicht eine Art „Netzwerk“ ableiten lässt. Aber das ist sicher keine Zweckinstitution.

Wo sehen Sie Ihre persönliche Raison d’être?
Erst einmal schreibe ich meine Diplom-arbeit, dann möchte auf jeden Fall einen Beruf ergreifen. Dies ist mir neben meiner Rolle als Chef des Hauses wichtig. Am liebsten würde ich etwas im Bereich Kulturmanagement machen. Meine Hoffnung ist, mich kulturpolitisch so engagieren zu können, dass wir künftig nicht nur als Leihgeber bei Ausstellungen zu Rate gezogen werden. Im Potsdamer Kaiserbahnhof wollen wir nächstes Jahr ein Symposium zu Kaiser Wilhelm II. veranstalten, wo auch ganz bewusst Historiker zu Wort kommen werden, die sich kritisch mit ihm auseinander setzen. Und im vergangenen Jahr konnten wir eine Fotoausstellung zum zehnten Todestag von Prinz Louis Ferdinand im Marmorpalais zeigen. Diese wurde zu einer der erfolgreichsten Ausstellungen in den Räumen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten 2004.

Gibt es da Konkurrenzen?
Mein Haus ist der größte Leihgeber für die Sammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, aber auch für zahlreiche Museen in ganz Deutschland. Dass wir in Zukunft auch verstärkt eigene Projekte verwirklichen wollen, stellt keine Konkurrenz dar. Die gute Zusammenarbeit wird dadurch nicht gefährdet, eher noch belebt.

Könnten Sie sich vorstellen, etwa die Ausstellung „Schatzhäuser Deutschlands“ nach Potsdam zu holen?
Dieses konkrete Projekt ist abgeschlossen. Doch kann ich mir gut vorstellen, etwas Ähnliches in Zukunft auch in eigener Regie durchzuführen. Warum nicht in Potsdam?

Das Gespräch führte Christiane Götz

Anzeige