Hanns Joachim Friedrichs - Deutschlands erster Anchorman

Hanns Joachim Friedrichs wäre heute 90 Jahre alt geworden. Er schaffte es wie kein zweiter Nachrichtensprecher, die Menschen vor dem Fernseher zu begeistern. Bis heute prägt er den Journalismus und wurde mit einem Satz unsterblich

Hanns Joachim Friedrichs blieb stets auf Distanz zur Nachricht / picture alliance
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Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Sein Hamburger Grabstein ist von Buchsbaum und Erika halb zugewachsen; auf ihm steht eingemeißelt: „Hanns J. Friedrichs“. Doch bei Google, das er nicht mehr erlebt hat, findet ihn jeder ganz oben. „Hanns Joa“ reicht, dann prangt sein Name in der Suchzeile. Das ist erstaunlich für einen Nachrichtenmann, der seit einer ganzen Generation nicht mehr dabei ist. Er war nur sechs Jahre lang Erster Moderator der „Tagesthemen“. Und seine Abschiedsworte dort mit rollendem R – „Es war schön bei Ihnen, all´ die Jahre“ – liegen nun schon mehr als ein Vierteljahrhundert zurück. Heute wäre Hanns Joachim Friedrichs 90 Jahre alt geworden.

Sprachgefühl ist nicht erlernbar

Wieso erinnern sich so viele an ihn? Weil er ein Journalist war, den alle verstehen konnten. 1986 schrieb er als neuer „Tagesthemen“-Anchorman im Medium Magazin, das Sprachgefühl sei die Hauptanforderung an einen Journalisten und „das Darstellen komplizierter Zusammenhänge in einfachem, gutem Deutsch ist nicht erlernbar.“

Ihn lehrte das Leben. Geboren wurde er 1927 in Hamm, in Westfalen verbrachte er auch seine Kindheit. Das Abitur machte er auf einem Thüringer Internat, wurde dann Luftwaffenhelfer, Arbeitsdienstler und geriert als Soldat mit erst 18 Jahren in Kriegsgefangenschaft.

Seine journalistische Karriere begann zeitgleich mit der Gründung der Bundesrepublik. Friedrichs volontierte bei einer Zeitung in Berlin, dem Telegraf, der ihn 1949 zur Fortbildung nach London schickte. Dort schrieb er für die BBC, die ihn in ihrem deutschen Dienst einstellte. Später sagte er, in England habe er sich zum Journalisten entwickelt: „Da habe ich gelernt, zu informieren und zu erhellen, also aufzuklären, und dieses Verständnis von Journalismus hat mich vor allerlei Dummheiten geschützt.“ Friedrichs Berichte fielen auf, sein Ton war anders: lockerer, normaler als das häufig noch gepeitscht klingende Nachkriegsdeutsch anderer Reporter.

Distanz zur Nachricht

Für den Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) moderierte er das Lokalfernsehprogramm „Hier und Heute“. 1964 ging er zum ZDF, bei dem er zwei Jahrzehnte bleiben sollte. Er moderierte „heute“, war Korrespondent, leitete viele Jahre die Sportabteilung. 1985 holte die ARD den bald 60-Jährigen für ihre „Tagesthemen“ nach Hamburg. Er sah das als seine letzte Etappe, „von meinen Wünschen her ist das der Abschluss meines beruflichen Lebens“.

In seinen letzten Berufsjahren wurde er zum News-Star – der das Show-Getue stets für „Kiki-Kram, Mickymaus-Journalismus“ hielt. Friedrichs wahrte immer Distanz zur Nachricht, wirkte unbestechlich – trotz eigener politischer Haltung. Einen Satz habe er „mit viel Emphase“ gesagt: „Seit heute wissen wir's: Barschel hat gelogen.“ Er war der erste im Fernsehen, der dies so klipp und klar formulierte. Seinen wichtigsten Satz jedoch sprach er ganz leise: „Die Tore in der Mauer stehen weit offen.“

Bei den Zuschauern ein Familienmitglied werden

Unsterblich machte ihn ein Satz, den er nur Tage vor seinem Tod sagte. Und zwar den Spiegel-Autoren Jürgen Leinemann und Cordt Schnibben, deren Interview 1995 zur Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins wurde. Die Schlüsselpassage mit dem schwer krebskranken Friedrichs liest sich so:

Spiegel: Hat es Sie gestört, daß man als Nachrichtenmoderator ständig den Tod präsentieren muss?

Friedrichs: Nee, das hat mich nie gestört. Ich habe es gemacht, und ich habe es fast ohne Bewegung gemacht, weil du das anders nämlich gar nicht machen kannst. Das habe ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, daß die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören. 

Der journalistische Tugendsatz

Sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten. Das sollte für viele zum journalistischen Tugendsatz werden – immer verbunden mit Friedrichs, der einen Tag nach dem Erscheinen seines Spiegel-Titels starb.

Im selben Interview sprach er auch über Dinge, mit denen er sich sehr wohl gemein gemacht hatte, weil er sie für gut hielt: die SPD und ihre Vordersten. Er hätte es einmal „im Visier gehabt“, Oskar Lafontaines Regierungssprecher zu werden, wenn dieser 1990 Kanzler geworden wäre. Doch Helmut Kohl blieb, und Lafontaine wurde es nie. Friedrichs hatte sogar 1994, also Jahre nach seiner aktiven Fernsehzeit, offen für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping Wahlkampf gemacht – vergeblich.

Kein halbes Jahr später, am 28.3.1995, verkündete Sabine Christiansen den Tod ihres großen Kollegen. Doch „Hajo“ lebt auf seine Weise weiter durch den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis. Dieser wird alljährlich verliehen – und gilt als größte Auszeichnung für Fernsehmoderatoren.

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