„Echo“-Auszeichnung für Kollegah und Farid Bang - Kunstfreiheit gegen Menschenwürde

Die Rapper Kollegah und Farid Bang haben den Musikpreis „Echo“ gewonnen, obwohl ihre Texte teilweise antisemitisch und gewaltverherrlichend sind. Sie verteidigen sich mit der Kunstfreiheit. Rechtsanwalt Gerhard Strate überzeugt das nicht, bereits die Nominierung sei eine Schande gewesen

Der Rapper Kollegah sieht in dem Antisemitismusvorwurf eine Hetzkampagne der Medien gegen sich / picture alliance
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Gerhard Strate ist seit bald 40 Jahren als Rechtsanwalt tätig und gilt als einer der bekanntesten deutschen Strafverteidiger. Er vertrat unter anderem Monika Böttcher, resp. Monika Weimar und Gustel Mollath vor Gericht. Er publiziert in juristischen Fachmedien und ist seit 2007 Mitglied des Verfassungsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer. Für sein wissenschaftliches und didaktisches Engagement wurde er 2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Rostock mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Foto: picture alliance

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Im Jahre 2006 bot der Berliner Gangsta-Rapper Deso Dogg einen musikalischen Einblick in seine düstere Gedankenwelt: „Willkommen in meiner Welt voll Hass und Blut / Ich schreib die Zeiln für meine Kinder und das mit Blut.“ Das Lied wurde 2010 zum Soundtrack des ARD Fernsehfilms „Zivilcourage“ und markiert zugleich die beginnende Abkehr Deso Doggs von seinem Dasein als Gangsta-Rapper. So heißt es in den letzten Zeilen: „Ich seh nen sternenklaren Himmel und ne Sternschnuppe falln / flüster leise zu Allah „Bitte lass mich nicht falln / ich will nur noch Gutes tun auf meinem Weg bis es klappt / mit offnen Händen fall ich auf die Knie und flüster ‚bismillahi‘.“

Diesem für einen Gangsta-Rapper fast schon rührenden Bekenntnis angeblicher Läuterung ließ Deso Dogg wenig später Taten folgen. 2012 setzte er sich in den Nahen Osten ab, wo er sich in der Folgezeit dem Islamischen Staat anschloss. Als Abou Maleeq widmete er sich bis zu seinem wahrscheinlichen Tod der Begehung schwerer Kriegsverbrechen. Zudem lieferte er die passenden Soundtracks für die berüchtigten Kopfabschneidervideos des IS.

Antisemitismus auch in früheren Alben

Der Beliebtheit der Kunstform Gangsta-Rap tat dies keinen Abbruch. Bis heute konsumieren besonders Jugendliche in Massen den Hass, den hauptsächlich islamistisch geprägte Rapper in die Welt speien. Dazu gehört auch der deutsche Konvertit Felix Blume, besser bekannt unter dem Künstlernamen Kollegah, dessen „Zuhältertape Vol. 4“ schon 2016 mit einem „Echo“ ausgezeichnet wurde. Darin finden sich solche Blüten deutscher Lyrik wie: „Nutte, Zeit, dass du Putzlappen befeuchtest / Ich bring Schusswaffengeräusche wie die Schutzstaffel der Deutschen“ oder „Kid, es ist der Boss, der für 'ne Modezeitschrift Posen einnimmt wie die Wehrmacht, die in Polen einschritt.“

Auch in diesem Jahr ist Kollegah mit seinem Duo-Partner Farid Bang für den „Echo“ nominiert. Anlass dafür ist ihr gemeinsames Album „Jung Brutal Gutaussehend 3“, in dem es unter anderem heißt: „Dein Chick ist ne Broke-Ass-Bitch, denn ich fick sie, bis ihr Steißbein bricht“, „Okay, dann ramm' ich ihm Butterflys rein / Bitch, ich fülle sein'n Kopf mit Blei per Kalash wie im Columbine-Massaker / Wenn ihm mal ein „Hurensohn“ rausrutscht wie der Fotze seiner Mama“ oder „Und Jennifer Rostock schwingt nach 'ner Schelle den Kochtopf / Bringt dann die Säcke zum Kompost und blowt den prächtigen Bosscock“. Auch dieses Album kommt nicht ohne Antisemitismus aus: „Und wegen mir sind sie beim Auftritt bewaffnet / mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“, heißt es im Song „0815“. Es ist nicht das erste Mal, dass Kollegah das Andenken von Opfern des Holocaust verächtlich macht. Schon in seinem „Zuhältertape Volume 3“ aus dem Jahr 2009 findet sich ein Song, der sich der „Endlösung der Rapperfrage“  widmet.

Integraler Bestandteil von Battle-Rap

Provokationen seien ein typisches Stilmittel  im Battle-Rap, ließ der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) mitteilen, der nach wie vor an der „Echo“-Nominierung festhält. Die tiefe Verwurzelung von offenem Antisemitismus in der Rapperszene ist endgültig im Mainstream angekommen. Die Vorarbeit dafür haben „Stars“ wie Bushido geleistet, der schon 2005 in seinem Song „Taliban“ verkündete: „Ich mach n Anschlag wie Tel Aviv / hörst du meine Stimme ich fick deine Mutter hier / Wenn ich will seid ihr alle tot / Ich bin ein Taliban.“  Bis heute zeigt Bushidos Profilbild auf Twitter eine Landkarte in den Farben der Palästinenser, auf der Israel nicht existiert. Weitere Beispiele wie die Rapper Haftbefehl („Du nennst mich Terrorist, ich nenne dich Hurensohn / gebe George Bush ein Kopfschuss und verfluche das Judentum“, „Investiere in Schnuff um mein Flus zu vermehren / und ticke Kokain an die Juden von der Börse“), Celo & Abdi („385ideal, der Rest ist fehl am Ort / wie Semitismus im Block von Feyenoord“), Fard & Snaga („Im Namen der Tyrannei diente ich Idi Amin / In der Hand von Abu Ammar schrie ich „Free Palestine!“), Massiv („Der Irani und der Arabi haben Hausverbot in Tel Aviv / Bombengürtel zelame / Gefälschte Pässe in der Hotel Suite / Lak ich kidnappe eine Boeing und schieß auf deine Family“).

Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Die Rapper selbst reagieren in der Regel mimosenhaft, wenn man ihr böses Spiel als das bezeichnet, was es ist: Antisemitismus. Dies tat die Bild mit deutlichen Worten und monierte die Echo-Nominierung von Kollegah und Farid Bang. „Die denken, sie können uns mit dieser Waffe des Antisemitismusvorwurfs schlagen“, jammert Kollegah nun und beklagt „eine reine gezielte Hetzkampagne“ der Medien gegen sich. Es gehe um Zensur, um eine „Einschränkung der Künstlerfreiheit“. Schließlich „sind wir nicht die einzigen, die das machen. Das ist ein integraler Bestandteil von Rap, von Battle-Rap und unserer Kultur“. Zumindest mit der letzten Aussage dürfte Kollegah richtig liegen.

Die Mephisto-Entscheidung

Die Kunstfreiheit ist ein hohes Rechtsgut von Verfassungsrang, das durch Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert wird. In seinem bis heute Maßstäbe setzenden Beschluss aus dem Jahr  1971 zum Buch „Mephisto – Roman einer Karriere“ von Klaus Mann äußerte sich das Bundesverfassungsgericht jedoch unmissverständlich dazu, dass selbst die Kunstfreiheit ihre Grenzen haben kann. Es wird auch „Mephisto-Entscheidung“ genannt. So heißt es im Urteil: „Da die Kunstfreiheit keinen Vorbehalt für den einfachen Gesetzgeber enthält, darf sie weder durch die allgemeine Rechtsordnung noch durch eine unbestimmte Klausel relativiert werden, welche ohne verfassungsrechtlichen Ansatzpunkt und ohne ausreichende rechtsstaatliche Sicherung auf eine Gefährdung der für den Bestand der staatlichen Gemeinschaft notwendigen Güter abhebt. Vielmehr ist ein im Rahmen der Kunstfreiheitsgarantie zu berücksichtigender Konflikt nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundlegenden Wertsystems durch Verfassungsauslegung zu lösen.“ Das Urteil stellt im Besonderen auf Artikel 1 ab, in dem es heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Die Verächtlichmachung von Opfern des Holocaust im Rahmen eines „Kunstwerks“, wie Kollegah und Farid Bang diese ohne Zweifel mit der Textzeile „mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ praktizieren, stellt eine klassische Normenkollision dar: Menschenwürde versus Kunstfreiheit. Dass es bei der Echo-Nominierung des Albums geblieben ist, ist eine Schande!

Offiziell gegen jede Art der Diskriminierung 

Werden Gangsta-Rapper mit dem Antisemitismusvorwurf konfrontiert, weisen sie diesen in der Regel weit von sich. So auch Farid Bang, der auf Facebook schreibt: „Bezug nehmend auf den Artikel der Bild Zeitung möchten wir deutlich machen, dass wir keinerlei Minderheiten oder Religionen diskriminieren wollen. In dem zitierten Satz ‚Mein Körper ist definierter als von Auschwitzinsassen‘ handelt es sich um einen harten Battle Rap Vergleich und nicht um eine politische Äußerung. Denn wir distanzieren uns von jeglicher Form des Antisemitismus oder Hass gegen Minderheiten“.

Dass besonders die Sehnsucht nach Harmonie das tägliche Brot eines Gangsta-Rappers ist und seine gewalttätigen, frauenverachtenden oder antisemitischen Fantasien als reines Stilmittel zu betrachten sind, zeigte bereits der spätere IS-Schlächter Deso Dogg in einem Interview von 2009: „Der Islam ist für mich Liebe, Friede, Ordnung, eigentlich das A und O, was mich am Leben hält. Die Medien wollen den Islam in eine kriegreiche Ecke drücken aber wir sind nicht das Böse auf Erden sondern die Erlösung und der Frieden.“

Die stille Übereinkunft, dass man die menschenverachtenden Texte der Gangsta-Rapper nicht ernst zu nehmen brauche, da es sich lediglich um eine künstlerische Ausdrucksform einer ach so benachteiligten Jugend handle, ist ein fataler Fehler. Wir begehen ihn aus Überheblichkeit. Es gibt keinen Grund, Rappern den Status von Hofnarren zuzuweisen, während sie uns mit aufdringlichen Beats ihren abgrundtiefen Hass ins Hirn zu hämmern versuchen. „Wenn jemand dir sagt, dass er dich töten will, dann glaube ihm!“, fasste dereinst ein Holocaustüberlebender seine Erfahrungen zusammen. Erlauben wir Gangsta-Rappern nicht länger, sich mit ihrer blanken Wahrheit zu tarnen, sondern fragen wir uns lieber, warum es so weit gekommen ist, dass im Land der Dichter und Denker Derartiges als Kunstform gilt. 
 

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