Streit um „Echo“ - Hass auf großer Bühne

Trotz antisemitischer, frauenverachtender Texte wurden die Rapper Kollegah und Farid Bang mit dem „Echo“ ausgezeichnet. Warum zeichnete die Jury sie aus? Und wie verträgt sich die Tatsache mit dem Engagement von Bertelsmann für die Zivilgesellschaft? Denn dort war die Freude groß

Kollegah (r.) und Farid Bang bei ihrem Auftritt während der „Echo“-Verleihung / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Aus einem Unfall wurde ein GAU. Für den eigentlich rechtschaffen nichtsnutzigen „Echo“-Preis der deutschen Musikindustrie wird nominiert, wer die höchsten Umsätze generiert. Die Branche ehrt die Branchenbesten, der Rechenschieber regiert. Da konnte es nicht ausbleiben, dass neben Umsatzkönigin Helene Fischer und Plattenkrösus Ed Sheeran manches verbalneurotische Kroppzeug ins Rennen ging. Die Nominierung für die Rap-Rüpel Kollegah und Farid Bang war nahezu unvermeidlich. Der Preis aber, den sie für ihr Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ gestern erhielten, hat eine andere Botschaft. Er besagt: Antisemitismus, Frauenverachtung und Schwulenhass sind im Deutschland des Jahres 2018 wohlgelitten. Wir haben kein Problem damit, wir zeichnen es aus.

Der textliche Befund ist unabweisbar und ließe sich auch für viele andere, oft muslimische Gangstar-Rapper erbringen. Der Hass ist Geschäftsmodell, der Gegner heißt Toleranz. Vielfalt wird verachtet, Respekt deutet auf Schwäche. Der Kosmos des Gangsta-Rappers kennt nur ein Ich und den Rest, dem das Ich alles Böse wünscht und jede Schandtat androht. Gewalt wird in diesen Texten zum Siegel der Authentizität, die Beschimpfung erst macht das Subjekt. Wer es anders sieht, anders denkt, anders lebt, der ist Opfer, und der Opfer gibt es unendlich viele. Die Luft, die der Gangsterrapper ihnen nehmen will, bläst sein Ego ins Kolossale auf, gerade so wie den Bizeps von Muskelmann Kollegah.

Der Skandal hinter dem Skandal

Als der Konvertit nach der Preisverleihung sagte, „die ganze Kritik juckt doch eh keinen!“, dürfte er, rein ökonomisch betrachtet, Recht haben. Antisemitische Tendenzen sind im neuen Deutschland des Jahres 2018 kein Verkaufshindernis, eher im Gegenteil. Kollegahs nach Hunderttausenden zählende Fans goutieren offenbar den Hass auf Juden, auf Frauen, auf Schwule, auf Schwächere. Sie wollen auch ihr Ego aufplustern. Warum aber macht sich die Jury des „Echo“ mit diesen Haltungen gemein? Es war eine Jury, die Kollegah und Farid Bang auf den ersten Platz der Kategorie „Hip-Hop/Urban national“ hob. Es waren Männer und Frauen aus der Musikbranche, die bewusst ihre Punkte vergaben für „Jung, brutal, gutaussehend 3“ und so unsterbliche Zeilen wie, „Du bist und bleibst ‘ne Schwuchtel, die auf Schwanz steht wie‘n Känguru“. Die Jurystimmen, heißt es in den „Richtlinien“, fließen zu 50 Prozent in das Endergebnis ein.

Die deutsche Musikindustrie erklärt freundlicherweise weiter, die Jury sei „das stimmgewaltige Zünglein an der Waage und entscheidet, welche der Nominierten auf den Shortlists die Echos gewinnen. Die Shortlists alleine bilden nur die Vorauswahl aus den Chart-Erfolgen, die dann von der Jury im Ranking durch ihr Votum bestätigt oder gedreht werden können.“ Aus „rund 500 Mitgliedern“ – also etwa 30 für jede der 18 Kategorien – bestehe diese Jury, und „eingeladen werden neben Mitgliedern des BVMI und ehemaligen nationalen Preisträgern und Nominierten auch Vertreter aus verschiedenen Bereichen der Musikbranche – beispielsweise Händler, Verleger, Veranstalter oder Mitarbeiter der Musikindustrie und Medienbranche –, die sich in einem oder mehreren Genres, kraft Berufung und Leidenschaft, gut auskennen.“ Echte Experten und Expertinnen haben aus „Leidenschaft“ und in voller Anonymität für Hass, Verachtung und Gewalt votiert. Das ist der Skandal hinter dem Skandal.

Zweierlei Maß bei Bertelsmann

Fragen wird man auch dürfen, inwieweit sich der millionenfache Umsatz mit Kollegah und Farid Bang mit dem teils zivilgesellschaftlichen, teils zivilreligiösen Engagement von Bertelsmann verträgt. Die Bertelsmann Music Group (BMG) nämlich brachte gemeinsam mit den eigenen Labels der beiden Rapper, „Alpha Music Empire“ und „Banger Musik“, das Album „JBG 3“ heraus. Die Bertelsmann-Tochter freut sich über diese „außergewöhnliche Veröffentlichung“ und „jene Sorte Erfolg, die belegt, wie wichtig es doch ist, Künstlern und deren Visionen Vertrauen zu schenken“. Man sei bei BMG „stolz“, mit dieser „Vorhut einer neuen Künstlergeneration“ zusammenarbeiten zu dürfen. Die Gelobten retournierten artig, man sei BMG „dankbar, da sie immer an das Album geglaubt” und es mit „viel Leidenschaft“ unterstützt hätten. So habe man mit „JBG 3“ gemeinsam „einen herausragenden Teil deutscher Rap-Geschichte geschrieben“. Oder, wie man’s auf dem historischen Album gangsterrappen hört: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen / Ich tick‘ Rauschgift in Massen, ficke Bauchtaschenrapper (…) / Fuck mich ab und ich ficke deine schwangere Frau / Danach fick‘ ich deine Ma, die Flüchtlingsschlampe.“

Auch über diskrete Zugewinngemeinschaft wäre in einer stillen Stunde einmal zu reden, wenn Antisemitismus, Frauenverachtung und Schwulenhass gerade Pause haben und der Rechenschieber ruht.

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