„Echo“-Preis an Kollegah und Farid Bang - Judenhass verdient keine Preise

Im Gangsterrap ist die Verachtung Programm. Sie sollte ebenso wenig von der Musikindustrie prämiert werden wie gesungener Linksradikalismus. Ein „Echo“ für die gewaltverherrlichenden Texte von Kollegah und Farid Bang wäre ein Fehler. Von Alexander Kissler

Der Rapper Kollegah bekam schon 2016 zwei Echos verliehen / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Der „Echo“-Preis der deutschen Musikindustrie könnte in diesem Jahr ein Zeichen setzen: gegen Toleranz, gegen Juden, gegen Gesetzestreue. Von dieser Haltung zeugen zumindest zwei Nominierungen, die umstritten zu nennen eine Untertreibung wäre. In der Kategorie „Kritikerpreis National“ ist die linksradikale Männermusikgruppe „Feine Sahne Fischfilet“ im Wettbewerb, auf das „Album des Jahres“ dürfen aufgrund hoher Umsätze Kollegah & Farid Bang mit „Jung, brutal, gutaussehend 3“ hoffen. Die Nominierungen für die Preisverleihung am 12. April zeigen: Das doppelte Maß ist der Deutschen Lieblingsmeter. Vom Kampf gegen Antisemitismus bleibt muslimischer Judenhass meistens verschont. Und wer sich im „Kampf gegen rechts“ positioniert, dem sieht man jegliche Vorfeldaktivität zum Linksextremismus nach.

Hass gegen Frauen, Schwule, Juden und Deutsche

Kollegah nennt sich ein zum Islam konvertierter Deutscher aus dem hessischen Friedberg, Farid Bang hat einen deutschen Pass, begreift sich aber als Marokkaner und Berber: „Wir Marokkaner sind ein sehr starkes Volk und ein sehr beliebtes Volk auf der ganzen Welt.“ Gemeinsam „beherrschen sie die Charts“ mit ihrem „JBG 3“ abgekürzten aktuellen Album. Es wurde innerhalb weniger Tage mehr als 30 Millionen Mal gestreamt. Stein des Anstoßes ist eine Zeile aus dem Lied „0815“: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen.“ Kurz zuvor heißt es, „mach‘ dein Bahnhofsghetto zu Charlie Hebdo.“ Dass der von einem CDU-Politiker angeführte Ethik-Beirat des „Echos“ solche Zeilen „provozierend, respektlos und voller Gewalt“ nennt, von einem „formalen Ausschluss“ aber absieht, ist das falsche Signal. So viel Hass auch dem muslimischen Gangsterrap entströmen mag, Hass gegenüber anderen Rappern, gegenüber Frauen, Schwulen, Juden, Israel, gerne auch Deutschen: dem Islamismus gilt er selten.

Die entsprechende Musik holpert und scheppert dahin, die Reime tun es ihr gleich, doch was verschlägt das angesichts solch klarer „Ansagen“ von Kollegah: „Deutscher Rap sieht homo aus, ‘ne Modenschau von Yoloclowns / Schluss mit den Faxen – Hurensohn-Holocaust.“ Oder, gemeinsam mit Farid Bang: „Ah! Besser flieh‘, wenn die Gun klickt / Ich schieß‘ dir dein Antlitz gezielt weg, du Punkbitch.“ In der Schweiz sorgte ihr Brachiallied „Ave Maria“, nachdem es am zweiten Advent im öffentlich-rechtlichen Radioprogramm zu hören gewesen war, für Aufruhr, nicht nur bei Frauen und Christen, sondern auch bei Nationalräten. Im Video inszenieren sich Kollegah und Bang als mordende Attentäter, im Text heißt es: „Wir komm‘n und dann heißt es Attentat, Massengrab. (…) Sprich dein Ave Maria, Ave Maria. Letztes Gebet, bevor dich die Kalasch massakriert.“ Gemeint ist eine Kalaschnikow.

Verachtung als Programm

Ebenfalls vom nun womöglich prämierten Album „JBG 3“ stammt diese Terrorfantasie: „Steig‘ ich in die Bahn, dann um ein‘n Opa zu schlagen, um ihn in Ohnmacht zu schlagen? / Nein, ihn ins Koma zu schlagen / Mit dem Sprengstoffgürtel auf das Splash-Gelände / In die Menschenmenge und kill‘ sechzig Menschen / Und nach einem Schlag denkst du, dich hätt‘ ein LKW überfahr‘n / Als wärst du aufm Weihnachtsmarkt.“ Massenmörder Anis Amri dient zur Egoaufpolsterung, Gewalt gegen Schwächere als Gleitmittel der Selbstliebe: Willkommen in der Welt von Kollegah und Farid Bang, der auch solo weiß, was er mag und wen er hasst: „Ich komm‘ mal heim und hau dann erstmal meine Frau kaputt / Leg mich hin, stehe auf und nehme dann ein Bad / Denn ich steh' für Frauenrechte so wie Ahmadinedschad.“
 
Falsch wäre nun freilich der Eindruck, es handele sich bei Kollegah und Farid Bang um besonders böse Buben des Gangsterraps. Nein, in diesem Genre ist die Verachtung Programm. Celo & Abdi, ein Bosnier mit deutschem Pass und ein Marokkaner mit deutschem Pass, Lieblinge des Feuilletons, richten im Rap die Pumpgun auf Abgeordnete, damit „Bundeswehrtruppen aus Bagdad abzieh‘n“, imaginieren ein „Massaker im Reichstag, alle in den Speisesaal / Ra ta ta ta / Jetzt gibt's Schweinehack“. Sie raten auch in den sozialen Medien, „schmeiss n Molotov auf die Frau von/m Storch“. Ein anderes Gangsterrapper-Duo, Fard & Snaga, votiert im Sprechgesang „pro Mudschaheddin, pro Palestine / kontra atomar, kontra USA / ohne Punkt und Kommata / kontra Vater Staat, kontra Bundestag“ und natürlich erst recht „kontra Netanjahu“, denn „das hier ist junge Wut gegen Politik aus Tel Aviv!“ Die Mär von der zionistischen Weltverschwörung lässt grüßen, Juden ziehen hier an vielen Strippen. Der vorbestrafte Kollege Sinan-G, dessen Essener Wohnung gerade von einem SEK gestürmt wurde, rappte schon mal, er „ficke keine jüdischen Bitches, denn ich bin Antisemit“, ließ diese Zeile dann aber entfernen; reumütig, versteht sich. Sinan-G stammt aus dem Iran.

Alles nur Rollenspiel? Das spielt keine Rolle

Celos & Abdis Verachtung für das Spitzenpersonal der AfD teilt Fard, auch er hat iranische Wurzeln. Fard will im Lied „Gauland an ein gottverdammtes Hakenkreuz“ nageln und sich von einer islamistischen Terrortruppe inspirieren lassen: „Ich lauf‘ bewaffnet durch die City wie die Hamas / Nehme keinen von euch krüppeligen Hurensöhnen ernst / Töte dich ohne Probleme, bin der Junge ohne Herz“. Vom türkischstämmigen Rapper Haftbefehl stammt die Wendung, er „ticke Kokain an die Juden von der Börse“ , während der palästinensischstämmige Massiv, hochkulturgeadelt nicht nur im ZDF, zusammen mit Kurdo, dem Rapper irakisch-kurdischer Herkunft, in einem Musikvideo mit dem Baseballschläger weißhäutige Deutsche aufstöbert, sie ins Gebüsch stößt und dazu sprechsingend erklärt: „Deutschland, sag mir, erwartest du ein Dankeschön? / Fick dich, ich bleib im Ghetto, denn ich hab mich dran gewöhnt.“ Die Liste ließe sich fortsetzen.

Daraus lernen wir: Eine muslimisch geprägte Jugendkultur kann muslimischen Judenhass, muslimische Frauen- und Schwulenverachtung, muslimische Gewaltverherrlichung verbreiten und in Millionen Hirne hinein hämmern, Silbe um Silbe, Ton für Ton. Der Einwand liegt parat und lautet, es handele sich beim Gangsterrap um Rollenlyrik, um Pose, nicht Bekenntnis. Rap sei generell ein Machophänomen und beruhe auf „verbalen Provokationen“ und scharfen Abgrenzungen, also müssten diese Muster bedient werden: der starke Junge in einer Welt von Feinden, die er gemeinsam mit seinen Freunden vernichte. Das stimmt – und kann doch hasserfüllte Entgleisungen nicht legitimieren, die bei anderen Protagonisten längst zur gesellschaftlichen Ächtung, zur Indizierung, wenn nicht zum Strafverfahren geführt hätten. Gerade weil der „Echo“ die durch Absatzzahlen belegte „breite Masse, die deutsche Mehrheit“ im Blick hat, er ökonomische Erfolge, nicht weltanschauliche Exzellenz auszeichnet, wäre eine Prämierung von Kollegah & Farid Bang fatal. Mit einer solchen Wahl bekäme die Ablehnung des Judentums den roten Teppich von Industrie und Medien ausgerollt.

Tumbe Radikale auch von links

„Kontra Vater Staat, kontra Bundestag“ riefen Fard & Snaga aus. Diese Losung gilt auch für die linksradikale Combo „Feine Sahne Fischfilet“, die sich der breiten Unterstützung von Antifa und Heiko Maas und ARD-„Faktenfinder“ Patrick Gensing erfreut, obwohl oder weil sie mehrere Jahre vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, und obwohl oder weil sie sang: „Punk heißt gegen‘s Vaterland, das ist doch allen klar / Deutschland verrecke, das wäre wunderbar! / Heute wird geteilt, was das Zeug hält / Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck!“ Einmal heißt es auch: „Die nächste Bullenwache ist nur einen Steinwurf entfernt. Und der Hass, der steigt. Und unsere Wut, sie treibt.“ Das hätten Fard & Snaga nicht schöner formulieren können. So treffen sie sich im wütenden Hass auf jene Freiheiten, von denen sie zehren, tumbe Radikale, traurige Gestalten. Die Lunte glimmt aus beiden Richtungen. Keine Toleranz den Intoleranten? Es wäre an der Zeit.

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