Buschfeuer in Australien - Nur mal schnell den Wald retten

Mit rührseligen Geschichten über verbrennende Koalas im von Buschfeuern geplagten Australien moralisiert die „Bild“-Zeitung gegen den Sender „RTL“ und sein Dschungelcamp. Hat die Boulevardzeitung plötzlich ihr Herz für den Klimaschutz entdeckt?

Die australischen Waldbrände entwickeln sich zur nationalen Katastrophe / picture alliance
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Den Koala, lateinisch: Phascolarctos cinereus, hat es böse erwischt. Schon Zehntausende seiner Art seien in Australien „qualvoll verbrannt“, meldet die in Katastrophenfällen gewöhnlich gut informierte, vor allem aber gern informierende Bild. Das Blatt verknüpfte diese Meldung nicht nur mit einer – man muss es so sagen – Herz zerreißenden Story über ein Koala-Hospital und den Patienten „Austin“ , der sich „Pfoten, Ohren und Schnauze bis aufs Fleisch verbrannt“ hat. Nein, es stellte auch eine Forderung, wie sie militante Klimaschützer kaum griffiger hätten formulieren können: „RTL-Dschungelcamp sofort absagen!“

Australien steht in Flammen. Die Feuer wüten schon seit Oktober, und sie haben mittlerweile eine Fläche von mehr als sechs Millionen Hektar Wald zerstört – das ist eine Fläche größer als die Niederlande Es ist eine Tragödie, die sich auf der anderen Seite des Planeten abspielt. Man kann darüber streiten, ob es wirklich eine Katastrophe wäre, wenn der Sender RTL nach 13 Staffeln sein betreutes Faulenzen für B-, C- und D-Promis einstellen würde. Dem Sender sind die prominenten Kandidaten ohnehin ausgegangen und Bewegtbilder von Känguru-Hoden als Amuse Gueule haben ihren Schrecken in der globalisierten Welt auch verloren.

Quizfrage für Dschungelcamp-Zuschauer: Wem außer der Bild – vorausgesetzt man hält die Forderung des Blattes nach einem Aus für glaubhaft – wäre damit geholfen, wenn RTL diesen Zirkus abblasen würde?  

a) Dem Sender RTL
b) Dem Klimaschutz
c) Den Grünen, deren medienpolitische Sprecherin Margit Stumpp kritisiert hatte, es sei nicht der geeignete Zeitpunkt, um „für den Dreh leichter Unterhaltung in das gebeutelte Australien zu fliegen, das die Krise noch lange nicht bewältigt hat und wo täglich Leben in Gefahr sind.

Bild moralisiert gegen RTL

Ein kleiner Tipp: a) RTL ist es schon mal nicht. Das Dschungelcamp gilt noch immer als Deutschlands erfolgreichste Unterhaltungsshow. Mehr als sechs Millionen Zuschauer, ein Marktanteil von 28,5 Prozent beim Gesamtpublikum, Werbepreise, von denen die Branche sonst nur träumen kann. Bis zu 94.470 Euro kostet ein 30-sekündiger TV-Spot. Das „Dschungelcamp“ ist die Cash-Cow des Privatsenders. Das „Holt-Mich-Hier-Raus-Mich-Kennt-Keine-Sau!“ wird auch nicht dort gedreht, wo die Waldbrände wüten, sondern an der Gold Coast, an der Ostküste Australiens, zwei bis drei Autostunden entfernt.

Doch b) Der Klimaschutz und c) Die Grünen sind es aber auch nicht. Es ist eine typisch deutsche Debatte, die die Bild mit ihrer Forderung nach der Absage des Dschungelcamps entfacht hat. Es geht darin nicht um Fakten, es geht um die Moral. Die Bild teilt die Welt in Gut und Böse. Gut ist, wer für den Klimaschutz ist. Böse ist, wer zwölf No-Names im Dschungelcamp dabei zuschaut, wie sie die Zeit totschlagen. Für den Klimaschutz zu sein und  gleichzeitig RTL zu gucken, geht nicht, suggeriert die Bild damit. Man muss sich entscheiden.

An Bigotterie kaum zu überbieten

Leser der Boulevardzeitung haben das schon getan. Nach einer eigens gestarteten Umfrage von Bild sind 74 Prozent dagegen, dass die Möchtegern-Promis in den RTL-Dschungel einziehen. Die rührselige Story über Koala Austin, „der sich mit letzter Kraft“ von seinem Eukalyptus-Baum rettete, hat ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt. Wer insgeheim vielleicht noch Zweifel hatte, ob es auch nur einen einzigen Koala retten würde, wenn RTL seine Show abbläst, der hat sie nach der zweiseitigen Sonderberichterstattung aus der Flammenhölle zur Seite geschoben.  

Dass sich nun ausgerechnet Bild zum Sprachrohr des Klimaschutzes macht, ist an Bigotterie kaum zu überbieten. Jahrelang hatte das Blatt die Quote der Show mit seiner Hofberichtestattung angekurbelt. Bild gab die Namen der Teilnehmer vor dem Start bekannt. Sie sprach zuerst mit den ausgeschiedenen Kandidaten. Sie trug mit ihrer Berichterstattung dazu bei, dass selbst die Feuilletons sich genötigt sahen, sich mit dieser Perle des Trash-TV beschäftigten. Andererseits ließ das Blatt keine Chance aus, gegen die Fridays-for-Future-Proteste oder gegen Greta zu polemisieren und den Klimaschützern Moralisierung vorzuwerfen,

Klimaschutz und Unterhaltung schließen sich nicht aus

Dann aber gab es Zoff mit RTL. Plötzlich durften die Bild-Redakteure nicht mehr mit nach Down Under fliegen. Warum, darüber schweigen sich beide Seiten aus. Seither wütet hinter den Kulissen des Dschungelcamps ein Krieg. Anfang 2019 enthüllte Bild „die schmutzigen Tricks im Dschungelcamp“ in einer Fortsetzungsserie. Wen wundert es da noch, dass sie jetzt die Waldbrände in Australien vorschiebt, um das Aus für die Show zu fordern?

Dabei bietet die Katastrophe dem Sender doch die Chance für den schon lange überfälligen Relaunch. Warum muss eigentlich eine pensionierte Bankerin namens Sue dem Koala Austin die verbrannten Tatzen mit Salbe bestreichen und verbinden? Warum erledigen das nicht die Kandidaten? Die müssten nicht mehr in Kakerlaken baden, sie könnten sich endlich nützlich machen. Schöne Bilder gäbe das auch. Von wegen, Klimaschutz und Unterhaltung schließen sich gegenseitig aus. RTL könnte der Bild beweisen: Na bitte, geht doch.

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