Antaios-Verlag - Rechtes vom Rittergut

Der Antaios-Verlag gilt als Hausverlag der „Neuen Rechten“. Dabei zählt Verlagsgründer Götz Kubitschek ausgerechnet den Hitler-Attentäter Claus von Stauffenberg zu seinen Vorbildern. Doch auch das passt gut zur gezielten PR-Strategie des „Vordenkers“ aus Schnellroda

Spiritus rector der „Neuen Rechten": Verleger Götz Kubitschek auf seinem Rittergut in Schnellroda
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Autoreninfo

Frederick Leo studierte Geschichte in Oxford, Großbritannien. Er betreibt das englischsprachige Think Tank Omelas Institute.

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Vielen Lesern dieses Artikels wird Antaios kein Begriff sein. Warum auch – im politischen Alltag ist davon kaum die Rede. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem fremdartigen Namen aber einer der größten Verlage der sogenannten „Neuen Rechten“ in Deutschland. Gegründet wurde er von dem Aktivisten Götz Kubitschek, bekannt durch seine Kontakte zu Martin Sellner, dem Sprecher der Identitären Bewegung in Österreich, sowie für seine enge Zusammenarbeit mit dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Für solche Persönlichkeiten veranstaltet Kubitschek auf seinem Rittergut in Sachsen-Anhalt regelmäßig Seminare und Fortbildungen, in denen rechtes Gedankengut propagiert und diskutiert wird.

Auf der Homepage von Kubitscheks Verlag kann man zahlreiche Schriften aus der Kaiserzeit und der Weimarer Republik bestellen, die seit 1945 aufgrund ihrer antisemitischen oder ultra-nationalistischen Ausrichtung in Ungnade gefallen sind. So zum Beispiel die Troika aus Paul de Lagarde, Arthur Moeller van den Bruck und Julius Langbehn, die der Politikwissenschaftler Fritz Stern in seinem Buch Kulturpessimismus als politische Gefahr als ideelle Vorväter des Nationalsozialismus charakterisierte. 

Riese mit übernatürlicher Kraft 

Einem weiteren Publikum bekannt wurde Kubitschek durch einen Vorfall im Oktober 2017, als Demonstranten seinen Stand auf der Frankfurter Buchmesse umringten und es zu hitzigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Kubitscheks Anhängern kam. Seither haben Medien und Politik Kubitschek und Antaios auf dem Radar. Die Bedeutung des rätselhaften Namens Antaios wird dabei jedoch wenig beleuchtet. Tatsächlich ist sie aufschlussreich – nicht nur weil Kubitschek mit der Wahl dieses Namens an bestimmte ideologische Strömungen anknüpft, sondern auch, weil sie einen Einblick in das politische Selbstverständnis der „Neuen Rechten“ gibt.  

Aus dem Altgriechischen übersetzt bedeutet Antaios etwa soviel wie „Gegner“ oder „Widersacher“. Der Sage nach hieß so ein in Nordafrika lebender Riese, der Reisende zum Kampf aufforderte und dabei stets bezwang. Grund für seinen Erfolg war die übernatürliche Kraft, die ihm seine Mutter Gaia, die Erdgöttin, durch Kontakt mit dem Boden verlieh. 

Ein Schlenker um das NS-Regime 

Auffallend ist, dass dieser Name in der Vergangenheit auch vorwiegend von Rechtsgesinnten verwendet wurde. So gab der Deutsche Soziologe Hans Freyer, der zu den Vordenkern der „Konservativen Revolution“ gezählt wird, 1918 einem seiner ersten Werke den Namen Antäus. Auch in der Nachkriegszeit wird man unter dem Namen fündig: Antaios hieß eine monatliche Zeitschrift, die zwischen 1959 und 1971 von Ernst Jünger und Mircea Eliade herausgegeben wurde. Jünger, der Autor des kriegsverherrlichenden Buches In Stahlgewittern, wird ebenfalls der „Konservativen Revolution“ zugerechnet; Eliade, ein rumänischer Religionsforscher, sagte in den 30er Jahren der faschistischen „Eisernen Garde“ seine Unterstützung zu. 

Bemerkenswert ist dabei, dass sich von Freyers Antäus zu Jüngers und Eliades Antaios eine Linie ziehen lässt, die um das NS-Regime einen Schlenker macht. Während die frühen Mitdenker der „Konservativen Revolution“ die Nazidiktatur meist nicht mehr miterlebten, zeigten sich spätere Figuren wie Eliade oder Jünger gegenüber dem „real existierenden Faschismus“ in ihren Ländern eher desinteressiert. Dennoch bestehende Verbindungen wie Freyers Arbeit für den Ausschuss für Rechtsphilosophie unter Hans Frank sollte man dabei nicht verharmlosen. Trotzdem rufen die Namen und Werke dieser Persönlichkeiten nicht dieselben NS-Assoziationen hervor wie etwa die der regimetreuen NS-ideologen Alfred Rosenberg und Walter Darre. Zusammengefasst ermöglicht die Wahl des Namen Antaios Kubitschek also, sich auf eine lange Reihe von Vordenkern zu berufen und gleichzeitig die Schandtaten der Nazis von sich zu weisen.

Hitler als Verräter der konservativen Revolution 

Das ist Teil einer bewussten Strategie der „Neuen Rechten“. Um sich von der NS-Diktatur zu distanzieren, hat sie sich Methoden angeeignet, die man normalerweise von linken Bewegungen gewohnt ist. Zum einen beruft sich die „Neue Rechte“ bei ihrer Distanzierung auf ein Argumentationsschema der Trotzkisten, also der Anhänger des Russischen Revolutionärs, der letztendlich im Kampf um die Vormacht Stalin unterlag. Wäre dieser Machtkampf anders ausgegangen, so argumentieren Trotzkisten, dann wäre aus der Sowjetunion keine totalitäre Diktatur geworden – stattdessen hätte man das Ideal des egalitären Arbeiter- und Bauernstaates verwirklicht. Das Problem liegt also nicht beim Kommunismus selbst, sondern schlicht und einfach bei der Person Josef Stalins. 

Ganz ähnlich argumentiert auch die „Neue Rechte“. 2016 erklärte Kubitschek dem Spiegel, den Holocaust halte er für ein „riesiges Verbrechen“. Diesen lastet er Hitler und den Nazis auch eindeutig an. Wie schon angedeutet bezieht sich die „Neuen Rechte“ aber auch nicht auf Hitler und seine Schergen, sondern auf Vordenker, die zwar aus dem gleichen ideologischen Milieu stammen, sich aber meist nicht offen zum NS-Regime bekannten. Damit wird suggeriert, Hitler habe die konservative Revolution verraten und in den Ruin gestürzt, so wie Stalin die bolschewistische. Die vorangehende Ideologie, an der man sich heute noch orientiert, sei somit keineswegs für die Gräueltaten der Nazis verantwortlich zu machen, sondern eben nur die Nazis selbst. 

Das Pendel schwingt zurück nach rechts

An der Außenwand von Kubitscheks Rittergut hängt daher auch nicht etwa ein Banner mit dem Antlitz des Diktators, sondern eines, welches Claus von Stauffenberg zeigt. Ihn preist die „Neue Rechte“ als „wahren“ Repräsentanten der Revolution und als Märtyrer an. Ähnlich sieht es bei seiner Frau Ellen Kositza aus, die Sophie Scholl regelmäßig als ihr Idol anpreist. In diesen Widerstandskämpfern sieht die „Neue Rechte“ gewissermaßen ihre Trotzkis. 

Und hier wird der Name Antaois mit seiner Bedeutung des „Widersachers“ umso symbolträchtiger. Die „Neuen Rechten“ propagieren damit, sie seien die modernen Widerstandskämpfer. Trotzki, Stauffenberg, Scholl – sie alle stellten sich damals gegen den Strom, waren sozusagen die Gegner der gesellschaftlich Mächtigen. 2017 erzählte Kositza dem Freitag, sie sehe sich in ihrer politischen Identität als „Querulantin“, und wundere sich, warum die heutige Jugend sich nicht öfter auch zur Rechten bekennen würde, um die Elterngeneration zu provozieren – rechts sein als Gegenkultur sozusagen. Tatsächlich weisen Kositza und Kubitschek regelmäßig auf angebliche Parallelen zwischen der „Neuen Rechten“ und der 68er-Bewegung hin. Auf der Frankfurter Buchmesse erklärte Kubitschek, das Pendel schwinge nun, 50 Jahre später, endlich wieder zurück nach rechts.  

Von Amazon gestrichen 

Natürlich verbirgt sich dahinter auch wieder der Versuch, sich selbst zu legitimieren. Nach 1968 gingen viele linke Denker wie etwa Adorno oder Althusser in den intellektuellen Kanon ein. Niemand wird heute als „linksextrem“ eingestuft, nur weil er sich mit diesen Autoren befasst. Dagegen strich Amazon 2014 einzelne Bücher des Verlags Antaios von seiner Liste – wegen der als rechtsextrem wahrgenommenen Inhalte – und machte den Verlag ausgerechnet damit erst bekannt. 

In der griechischen Mythologie musste Herakles sich übrigens auch Antaios stellen, als dieser ihm den Weg zum Garten der Hesperiden versperrte. Er bezwang ihn schließlich, indem er ihn von der Erde hob – die göttliche Energiezufuhr also unterbrach – und in der Luft erdrückte.

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