Fire and Fury-Autor Michael Wolff - Die flamboyante Fliege an der Wand

Mit seinem Buch Fire and Fury landete der New Yorker Journalist Michael Wolff einen Coup. In seiner Heimatstadt kennt man ihn: Er fliegt aus Restaurants, er trägt Streitereien öffentlich aus und er hinterlässt zuweilen verbrannte Erde. Ein Portrait

Sorgt gerne für Aufregung: Michael Wolff / picture alliance
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Autoreninfo

Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Ein Bad Boy des Journalismus war Michael Wolff schon immer. Der 64-jährige New Yorker, der mit Fire and Fury einen Überraschungsbestseller gelandet hat, hat sie alle abgehängt: die Washington-Korrespondenten der New York Times und der Washington Post, die hochbezahlten TV-Reporter und sogar journalistische Superstars wie Matt Taibbi oder Luke Harding und deren Bücher über Donald Trump. Was heißt, abgehängt; Wolffs Buch schoss auf Platz Eins der Bestsellerliste, noch bevor der Verlag – Henry Holt, eine Tochter des Holtzbrinck-eigenen Großverlags Macmillan – es in die Buchläden geliefert hatte. Und dort war es binnen Minuten ausverkauft. All das, obwohl der Präsident gedroht hatte, das Buch verbieten zu lassen, was juristisch ohnehin aussichtslos gewesen wäre.

Dabei ist Wolff, der auf Fotos bulliger wirkt als im wirklichen Leben, gar kein Linker. Er mag Demokrat sein, aber das ist für einen New Yorker normal. Zur Erinnerung: Auch Trump war die meiste Zeit seines Lebens Demokrat. Gawker, der Klatschblog, der nach einem Rechtsstreit um ein Sexvideo dicht machen musste, bezeichnete Wolff als „Napoleonischen Medienmufti". Tatsächlich ist Wolff einer der flamboyantesten Medienreporter, den die Stadt zu bieten hat. David Carr, der inzwischen verstorbene Medienkolumnist der New York Times nannte ihn den „König von New York" – und das obwohl die beiden öffentlich ihre Streitereien austrugen. Bei einem Auftritt in New York erzählte Wolff einmal, wie er Zeitung lese: Er achte immer darauf: Wer hat den Artikel geschrieben, wie ist er positioniert, welche Quellen gibt es, wer wird darin zitiert, und wer nicht? „Daraus lerne ich viel mehr als aus dem eigentlichen Inhalt."

Wolff verbrennt gerne Geld – ungern aber sein eigenes

Schon früh, 1998, hat Wolff sein eigenes Internet Startup gegründet, Wolff New Media, über dessen flammenden Untergang er dann den Bestseller „Burn Rate" schrieb. Gleichzeitig sagte er das Platzen der Internetblase voraus. Sechs Jahre später versuchte er mit einer Gruppe von Investoren, darunter dem Daily News-Besitzer Mort Zuckerman, das New York Magazine zu kaufen, wo er als Kolumnist arbeitete. Er wurde abgeschmettert, aber er machte von sich reden. Die Versuche des Boulevardjournalisten, in die Medienbranche als Unternehmer einzusteigen, hielten ihn natürlich nicht davon ab, das Ende der Medienmogule und den baldigen Untergang der Presse zu beschwören.

2007 hob er Newser aus der Taufe. Die Website aggregierte Nachrichtenhäppchen für Schnellleser. Wolff sitzt im Aufsichtsrat, finanziert wird die Website von einem Milliardärsfreund. Wolff verbrennt ungern sein eigenes Geld. Stilecht stellte er das neue Unternehmen im Waverly Inn vor, dem Restaurant seines Freundes Graydon Carter im trendigen West Village – Carter war damals der Chefredakteur von Vanity Fair, die Bibel Hollywoods. Damals zog Wolff auch von der behäbigen Upper East Side in die szenige Downtown. Zur gleichen Zeit trug er lautstark eine gerichtliche Scheidung aus, nach der er eine halb so alte Kollegin heiratete.

Das Buch über Trump habe er als „Fliege an der Wand" recherchiert, sagte er in der NBC-Talkshow Meet the Press; er habe einfach an die Tür des Weißen Hauses geklopft, gefragt, ob er hereinkommen dürfe und sei dann lange auf der Couch gesessen, unauffällig und ganz ohne Agenda. Ganz so einfach war es wohl nicht. Zwar kann Wolff tatsächlich still und höflich sein. Aber wichtiger ist wohl gewesen, dass Wolff und Trump sich noch aus der Zeit kennen, als Trump für NBC seine Reality TV-Serie „The Apprentice" drehte und Wolff für Vanity Fair Kolumnen schrieb. Schon damals streichelte er Trumps Ego. Für sein Enthüllungsbuch verkaufte sich Wolff Trump als Verbündeten. Trump ist unglücklich darüber, wie die Medien ihn behandeln. Wolff kritisierte öffentlich die Times und die Washington Post und deren Berichterstattung über Trump.

Die Kollegen wetzen die Messer

Trump hätte gewarnt sein können: Rupert Murdoch, der konservative amerikanisch-australische Zeitungszar, der Trump zeitweilig unterstützte, hatte Wolff Zugang für dessen Buch „The Man Who Owns the News" gewährt, und es sofort nach Erscheinen bereut. Auch die New York Times, bei der Wolff 1975 als Hilfsredakteur, angefangen hatte, ist nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen. Vielleicht liegt das daran, dass Wolff Verleger Arthur Sulzberger in Vanity Fair die „Schwachstelle" der Times nannte, weil dieser sich von Barack Obamas Wahlkampfteam habe beeinflussen lassen.

Der Erfolg von Fire and Fury brachte Wolff viel Bewunderung ein. Wolff, so schreibt Gentlemen's Quarterly, habe das getan, wozu die Tageszeitungen zu mutlos seien: Er habe ohne Rücksicht auf das Subjekt seiner Begierde alle Brücken verbrannt. Wohl wahr, aber das ist natürlich wesentlich einfacher, wenn man, anders als die Tageszeitungs-Journalisten, nie wieder zum Tatort zurückkehren muss. Hingegen wetzten die Kollegen der großen Blätter die Messer: Wolff sei wegen seines lauten Auftretens schon aus mehreren Restaurants geflogen, darunter sein Stammlokal Michaels, meckerte die Times; er sei inakkurat; und es sei unklar, ob er seinen Interviewpartnern erzählt habe, dass sie zitiert werden (Wolff sagt, er habe die Gespräche auf Band). Auch die Washington Post warf ihm vor, lose mit der Wahrheit umzugehen; Gerüchte zu Anekdoten auszubauen, und überhaupt hätten auch die Tageszeitungen kritisch über Trump berichtet. Es ist nicht das erste Mal, dass solche Vorwürfe gegen Wolff erhoben werden. Aber ein bisschen klingt es doch nach sauren Trauben.

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