Wahlprogramm der Union - „Nichts ist unmöglich“

Nach der SPD hat nun auch die Union ihr Programm für die Bundestagswahl vorgelegt. So richtig kreativ ist das Papier nicht. Doch die programmatische Betulichkeit folgt einem Kalkül: Man will sich alle Koalitionsoptionen offenhalten

Angela Merkel und Horst Seehofer bei der Präsentation des neuen Programms / picture alliance
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Jetzt ist es also da, das Wahlprogramm von CDU und CSU. Wer in den Umfragen ziemlich konstant 15 Prozentpunkte vor der SPD liegt, der spricht natürlich von einem Regierungsprogramm. Genauer sollte man von einem Koalitionsvorbereitungsprogramm, von einem Toyota-Programm sprechen: „Nichts ist unmöglich.“

In weiten Teilen liest sich das Programm wie ein Rechenschaftsbericht der Großen Koalition: „Wir haben…“. Das einzig wirklich Ambitionierte ist die Ankündigung, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2025 unter die 3-Prozent-Marke zu drücken, also halbieren zu wollen. Das kann gelingen, aber nur wenn keine große Krise und keine schwere Rezession dazwischenkommen. Und: Wenn der Zustrom an Flüchtlingen gering bleibt und die bereits hier Lebenden schneller am Arbeitsmarkt Fuß fassen als ihre Vorgänger. Eine Rechnung mit ziemlich vielen Unbekannten.

Mit Arbeitsmarktzielen ist das ohnehin so eine Sache: Helmut Kohl hatte 1996 die Halbierung der Arbeitslosenzahlen bis 2000 angekündigt, Gerhard Schröder wollte sich 1998 ebenfalls am Rückgang der Arbeitslosigkeit unter 3,5 Millionen messen lassen. Beiden ist das nicht gut bekommen.

Wie schon bei Adenauer

Irgendwie stecken Angela Merkel und der Union noch immer der Wahlkampf von 2005 in den Knochen. Damals wollte man aus der Opposition heraus das Land marktwirtschaftlich reformieren. Die Stichworte lauteten „flat tax“ und „Gesundheitsprämie“. Am Ende zog Merkel zwar ins Kanzleramt ein – aber mit lediglich 35 statt der anfänglich prognostizierten 46 Prozent.

Seitdem erweist sich Merkel als nüchterne Pragmatikerin und die Union variiert das alte Adenauer-Motto „Keine Experimente“ immer wieder neu. Bei Helmut Kohl hieß das „Weiter so, Deutschland“. Aus dem Erhard‘schen „Wohlstand für alle“ wurde jetzt „Wohlstand und Sicherheit für alle“. So richtig kreativ klingt das nicht.  

Kontraste in der Steuerpolitik

Die programmatische Betulichkeit ist jedoch Kalkül. Das Unions-Programm ist so verfasst, dass es als Arbeitsgrundlage für Koalitionsverhandlungen benutzt werden kann. Die Tür zu einer Fortsetzung der Groko wird nicht zugeschlagen, ihre Öffnung in Richtung „Jamaika“ ebenso wenig verhindert. Je nach Lage der Dinge könnte man im Fall von Schwarz-Rot beim Sozialen noch etwas draufsatteln. Das Feld für eine mutige Steuerreform- und -vereinfachung überlässt man gleich der FDP. Dass die freien Demokraten unter fünf Prozent bleiben, daran hat die Union – anders als 2013 – kein Interesse mehr. Für die Grünen macht sich die Union mit dem Ruf nach einem Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz und der Forderung nach Milliarden-Hilfen für Afrika interessant.

Wer nach Kontrasten zur SPD sucht, wird bei den Steuern fündig. Die Union will alle entlasten, nicht nur die „Armen“. Aus gutem Grund: Wer mehr Wachstum und weniger Arbeitslosigkeit will, tut gut daran, nicht jene 10 Prozent der Steuerpflichtigen mit 81.000 Euro Jahreseinkommen und mehr noch stärker zu belasten. Diese 10 Prozent steuern immerhin schon jetzt 55 Prozent zum Einkommensteuer-Aufkommen bei. Zu diesen „Reichen“ zählen auch die vielen Selbstständigen, Handwerker und Inhaber von Personengesellschaften, bei denen der Gewinn nicht noch höher besteuert werden darf, wenn die Investitionsfähigkeit nicht leiden soll.

Die Rentenversprechen der SPD

Noch ein Kontrast: Die Union hält am 2007 mit der SPD beschlossenen Rentenkonzept fest. Das reicht aber nur bis zum Jahr 2030. Über die Zeit danach will die CDU/CSU nicht reden.

Besser: Sie will die Wähler mit der unausweichlichen, stufenweisen Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 68, 69, 70 Jahre nicht erschrecken. Die SPD dagegen verspricht ein Rentenwunder: höhere Renten bei kaum ansteigenden Beiträgen und einem Festhalten an der Rente mit 67. Finanzieren soll das der Steuerzahler, der mit einem Jahreseinkommen von 76.000 Euro schon als Spitzenverdiener gilt und deshalb zum Spitzenzahler befördert wird.

CSU-Programm folgt noch

Wer der Union vorgeworfen hatte, sie habe kein Programm, wird sich noch wundern. In drei Wochen wird sie sogar zwei Programme haben; dann kommt noch der „Bayernplan“ der CSU dazu. Dort wird auch das Wort stehen, das Merkel am liebsten aus dem deutschen Wortschatz gestrichen hätte: Obergrenze. Horst Seehofer kann gar nicht anders, als daran festzuhalten. Aber er hat jetzt peinlichst vermieden, die Einführung einer Obergrenze zur „conditio sine qua non“ zu erklären. Beflügelt von den guten Umfragewerten der Union und dem scheinbar unaufhaltsamen Abstieg der AfD ist auch der CSU-Chef auf Toyota-Kurs: „Nichts ist unmöglich.“

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