Wahlen in NRW - Auch im Heimspiel eine Klatsche

Die ersten Prognosen in Nordrhein-Westfalen deuten auf ein Fiasko der SPD hin. Und das in der Heimat des Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Jetzt wird es sehr schwer für die Sozialdemokraten im Bund

Aus in NRW – aus auch im Bund? Kanzlerkandidat Martin Schulz (links) und Hannelore Kraft / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Sollten sich die Zahlen der Prognosen bestätigen, wäre diese Wahl ein absolutes Fiasko für die SPD. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft abgewählt, die Sozialdemokraten nach derzeitigem Stand der Dinge 4 Prozentpunkte hinter der CDU. Vor allem aber ist das linke Lager aus SPD, Grünen und der Linkspartei weit davon entfernt, eine Mehrheit im Düsseldorfer Landtag bilden zu können. Sie kämen mit 30,5 Prozent (SPD), 6,0 Prozent (Grüne) und 5,0 Prozent (Die Linke) auf zusammen gerade einmal 41,5 Prozent.

Wobei derzeit sogar noch ungewiss ist, ob letztere den Sprung über die Fünfprozenthürde überhaupt noch schafft. Vor diesem Hintergrund war Hannelore Krafts Last-Minute-Ausschluss einer rot-rot-grünen Landesregierung nichts als Theaterdonner. Gereicht hätte es ohnehin nicht.

Laschet profitiert von Bosbach 

Die CDU dagegen liegt derzeit bei 34,5 Prozent, ein Zugewinn im Vergleich zur vorherigen Landtagswahl um 8,2 Prozentpunkte. Und das mit einem Spitzenkandidaten, der keineswegs die Aura eines Siegertypen verströmt. Aber Armin Laschet hat das Mandat erhalten, um neuer Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes zu werden. Zu miserabel war die Bilanz von Rot-Grün unter Kraft und Schulministerin Sylvia Löhrmann von den Grünen.

Ausschlaggebend dürften insbesondere die Wachstumsschwäche Nordrhein-Westfalens, die Bildungspolitik und Fragen der Inneren Sicherheit gewesen sein. Auf dem letzten Feld dürfte sich das Hinzuziehen des Hardliners Wolfgang Bosbach als ein geschickter Schachzug von Armin Laschet erwiesen haben.

Die Grünen stürzen ab 

Der Absturz der Grünen ist frappant: von 11,3 Prozent auf nunmehr 6,0 Prozent ist ein Debakel sondergleichen. Zumal das heutige Ergebnis aus NRW deutlich mehr dem Bundestrend entsprechen dürfte als noch vor einer Woche in Schleswig-Holstein, wo die Partei 12,9 Prozent holte. Aber die Grünen im hohen Norden hatten Wert auf ihre Distanz zur Bundespartei gelegt – anders als jetzt in NRW. Zwar dürften CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen jetzt um die Grünen werben, um eine Regierungsmehrheit ohne die SPD auf die Beine zu stellen. Aber eine Partei, die derart abgestraft wurde wie heute die Grünen, ist in der Opposition allemal besser aufgehoben. Das wissen sie dort auch selbst.

Riesenerfolg für FDP 

Die FDP hat, nach Schleswig-Holstein vor einer Woche, abermals einen überdeutlichen Zuwachs errungen: Für die Partei von Christian Lindner geht es von 8,6 Prozent in 2012 auf nun 12,0 Prozent. Das ist ein Riesenerfolg für die Liberalen und ihren omnipräsenten Parteichef. Es kann fest davon ausgegangen werden, dass Christian Lindner die FDP im September zurück in den Bundestag führen wird. Dass er dabei stark von enttäuschten vormaligen CDU-Wählern unterstützt wird, sollte seine Sorge vorerst nicht sein. Die vielen hämischen Abgesänge auf den organisierten Liberalismus in Deutschland waren zu früh; nicht zuletzt die Große Koalition im Bund war und bleibt Lebenselixier für die FDP.
 
Die AfD schneidet mit 7,5 Prozent besser ab, als es ihr in den meisten Prognosen vorhergesagt wurde. Hier zeigt sich, wie groß das Reservoir an insbesondere von den Irrungen der Flüchtlingspolitik frustrierten Wähler ist. Die AfD kann trotz ihrer verheerenden Performance in den vergangenen Wochen ziemlich sicher davon ausgehen, im nächsten Bundestag vertreten zu sein.

Komplettes Desaster für Martin Schulz 

Für den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Martin Schulz ist das heutige Wahlergebnis aus NRW nicht weniger als ein komplettes Desaster. Nach dem Saarland und Schleswig-Holstein jetzt die dritte Klatsche in Folge. Und das in Schulzens eigenem Heimatland. Wenn die SPD die Wahl in Nordrhein-Westfalen gewinne, sei der Weg frei ins Bundeskanzleramt, so verkündete es der sozialdemokratische Hoffnungsträger noch vor kurzem. Was das im Umkehrschluss bedeutet, ist jedem klar.

Die „kleine Bundestagswahl“ ist heute für die SPD spektakulär verloren gegangen. Es wird sehr, sehr schwer für die Sozialdemokraten, bei diesem Gegenwind jetzt noch Fahrt aufzunehmen. Der Schulz-Hype erweist sich als eine Mischung aus medialem Heißluftballon und sozialdemokratischer Autosuggestion im Moment der Verzweiflung. Jetzt müssen Schulz und seine SPD schon sehr überzeugend neue Themen setzen, um bis September den Negativtrend umzukehren. Man darf gespannt sein.

Eine weitere Wahlanalyse folgt im Verlauf des heutigen Abends auf Cicero Online

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