Ursula von der Leyen - Der lange Schatten der Ex-Verteidigungsministerin

Ursula von der Leyen war bei der Bundeswehr nicht gerade beliebt. Von der Modernisierung, die die ehemalige Verteidigungsministerin in Angriff nehmen sollte, ist die Bundeswehr immer noch weit entfernt. Stattdessen kämpft die Truppe mit den Folgen ihrer Fehlentscheidungen

Glücklose Verteidigungsministerin: Ursula von der Leyen /picture alliance
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Thomas Raabe war Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums. Er lebt in Berlin und äußert hier seine persönliche Meinung. Im September 2019 erschien sein Buch „Bedingt Einsatzbereit? Internationale Rüstungskooperationen in der Bundesrepublik Deutschland 1979-1988. Campus Verlag Frankfurt 2019. 400 Seiten.

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Das Wort „Haltungsproblem“ hallt noch auf den Gängen des Bendlerblocks nach. Diesen Vorwurf hatte die ehemalige Verteidigungsministerin, Frau von der Leyen, im Frühjahr 2017 den Angehörigen der Bundeswehr gemacht. Seitdem hatte sich ein tiefer Graben zwischen die „Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt“ und die Angehörigen der Bundeswehr geschoben. Wen wundert es, dass bei nicht wenigen Soldaten und Soldatinnen ein deutliches Aufatmen zu bemerken war, als sie hörten, dass ihre „Chefin“ als Präsidentin der EU-Kommission nach Brüssel geht. 

Marketingbegriffe wie „atmender Personalkörper“ oder „Trendwende Personal“ werden nur die wenigsten vermissen. Viele der von ihr festgestellten „hohlen Strukturen“ hat sie ungefüllt hinterlassen. Ganz zu schweigen von dem noch offenen Ausgang des Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag, der sich den Auftrag gegeben hat, den Umgang mit externer Beratung und Unterstützung des Bundesministeriums für Verteidigung (BMV) aufzuklären.

Nichts Halbes und nichts Ganzes

Von der Leyen wollte gerade im Bereich der Rüstung „umsteuern“. Dafür holte sie eigens von der Beratungsfirma McKinsey eine Managerin und stellte sie als Staatssekretärin ein. Katrin Suder verließ das BMV jedoch schon wieder im März 2018. 2014 führte man im Ministerium eine „umfassende externe Bestandsaufnahme ausgewählter Rüstungsprojekte“ durch, die „Defizite des bisherigen Rüstungsmanagements offengelegt“ habe. Das Gutachten des externen Beratungsunternehmens habe zutage gefördert: „Waffensysteme kommen um Jahre zu spät, sind Milliarden teurer als geplant, und dann funktionieren sie oft nicht richtig oder haben Mängel“, so die damalige Staatssekretärin Suder. Die Bundesregierung formulierte in ihrem Weißbuch von 2016 flankierend weiter, dass „die umfassende Modernisierung des Rüstungswesens eine komplexe Herausforderung“ darstellt, „die Beharrlichkeit, Entschlossenheit und Geduld erfordert, um alle Maßnahmen und die notwendigen Veränderungsprozesse in Breite und Tiefe wirksam werden zu lassen“. In diesem Zusammenhang sprach die Bundesregierung auch von der Notwendigkeit eines „Kulturwandels“.

Vor diesem Hintergrund darf man gespannt sein, wie sich das neue deutsch-französische „Future Combat Air System“ (FCAS) Frau von der Leyens entwickeln wird, das sie der Bundeswehr kurz vor ihrem Ausscheiden als Erbe hinterlassen hat. Nachdem der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Anfang Juni 2019 32,5 Millionen Euro für eine Konzeptstudie für das neue Kampfflugzeug freigegeben hatte, hat sie noch am 17.Juni 2019, in Gegenwart des französischen Staatspräsidenten Macron vor einem auf einer Bühne aufgestellten Modell des zukünftigen Flugzeugsystems zusammen mit den Verteidigungsministern von Frankreich und Spanien Verträge über die nächsten Etappen des Projekts unterzeichnet.

Auf das falsche Pferd gesetzt

Von der Leyen sprach in diesem Zusammenhang von einem „ganz großen Schritt voran für die Bundeswehr in der Modernisierung“, von einem „großen Tag für die europäische Verteidigungsunion“ und von einem „großen Tag für die europäische Industrie“, denn es würden „große Impulse gesetzt für die Grundlagenforschung für die Entwicklung von Systemen, die auch der zivilen Luftfahrt zugutekommen“. Dass sich mittlerweile sieben europäische Nationen für das von dem amerikanischen Hersteller Lockheed-Martin hergestellte moderne amerikanische Kampfflugzeug F-35 entschieden haben und sich damit nicht an dem trilateralen Projekt beteiligen, erwähnte sie nicht.

Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber eine ähnliche Situation hatte es bereits Ende der 1960er Jahre gegeben, als die Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Italien die Entscheidung trafen, das Kampfflugzeug MRCA-Tornado zu bauen und viele andere westeuropäische Staaten sich diesem Projekt ebenfalls nicht anschlossen, obwohl sie es zunächst geplant hatten und stattdessen das amerikanische Kampfflugzeug F-16 kauften. Die Folge war, dass der Tornado, der heute noch in der Bundeswehr im Einsatz ist, nicht das Standardflugzeug der NATO wurde und die Stückkosten infolge der reduzierten Gesamtproduktionszahlen in die Höhe stiegen. 

Gemeinsame Exportrichtlinien

Man wird also sehen, ob die prognostizierten 50 Milliarden Euro, die bis 2040 für das FCAS ausgegeben werden sollen, ausreichen werden. Wird das neue Flugzeugsystem für die Streitkräfte rechtzeitig kommen und dann über die notwendigen Fähigkeiten verfügen? Bisher kamen alle deutsch-französischen Rüstungskooperationen deutlich verspätet bei der Truppe an, und sie waren weitaus teurer als geplant. 2040 wird jedenfalls der Eurofighter, das derzeit modernste Flugzeug der Bundeswehr, seit 35 Jahren im Einsatz sein. Die FAZ berichtete bereits Mitte Oktober darüber, dass es bei der Aufteilung der Arbeiten im Triebwerksbereich zwischen beiden Ländern hake.

Aber zunächst gilt es noch, gemeinsame Exportrichtlinien zu verabschieden, denn Frankreich ist entschlossen, das neue Flugzeug dann auch in Länder wie Saudi-Arabien zu exportieren, was Deutschland bislang verweigert. Beim deutsch-französischen Ministerratstreffen, Mitte Oktober in Toulouse, zeichnete sich für die Exportproblematik eine Lösung ab. Dirk Hoke, Chef von Airbus Defence and Space, warnte jedenfalls: „Wenn dies nicht gelöst wird, wird keines der französisch-deutschen Projekte umgesetzt werden“.

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