Wissenschaftliche Presseschau zum Corona-Impfstoff - „Es ist noch unklar, wie gut er bei älteren Menschen wirkt“

Die Meldung klang wie eine Sensation: Die Mainzer Firma Biontech habe mit dem Pharmakonzern Pfizer endlich einen Impfstoff gegen COVID-19 gefunden und auch schon an Probanden erprobt. Was sagt die medizinische Fachwelt? Eine Presseschau wissenschaftlicher Fachzeitschriften.

Die Ankündigung eines Impfstoffes gegen Corona weckt große Hoffnungen / dpa
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Jakob Arnold hospitierte bei Cicero. Er ist freier Journalist und studiert an der Universität Erfurt Internationale Beziehungen und Wirtschaftswissenschaften. 

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Nature: Ich hoffe, ich gehöre nicht zur Placebo-Gruppe

Pfizer und BioNtech gaben an, dass sie 94 Fälle von COVID-19 unter 43.538 Studienteilnehmern identifiziert hätten. Die Unternehmen gaben zwar nicht an, wie viele dieser Fälle in der Placebo-Gruppe oder unter denen waren, die den Impfstoff erhielten. Die Verteilung der Fälle zwischen den Gruppen deutete jedoch darauf hin, dass der Impfstoff zu mehr als 90 Prozent wirksam war, um die Krankheit zu verhindern. [...]

Auch wenn sich der Impfstoff nach Abschluss der Studie möglicherweise nicht mehr als so wirksam erweist, wird seine Wirksamkeit wahrscheinlich weit über 50 Prozent bleiben. Dies ist die Schwelle, ab der ein Coronavirus-Impfstoff für den Notfall zugelassen werden könnte.“

Science Magazine: „Die große Mehrheit der Öffentlichkeit wird für mehrere Monate keinen Zugang haben“

So zitiert das Magazin Peter Hotez, der auch Teil eines Teams ist, das einen Impfstoff gegen COVID-19 herstellt. „Was auch immer geschieht, die große Mehrheit der Öffentlichkeit wird für mehrere Monate keinen Zugang zu diesem oder einem anderen COVID-19-Impfstoff haben.“

Das Magazin schreibt weiter: „Es ist unklar, wie gut er bei älteren Menschen, die am meisten unter COVID-19 leiden, wirkt, [...]  wie lange die durch den Impfstoff ausgelöste Immunität anhält, [...] ob er einen schweren Verlauf verhindern kann und ob er die Übertragungsraten verlangsamt." Eine weitere Befürchtung bezieht sich auf andere Studien, die auch an einem Impfstoff forschen: „Die Teilnehmer könnten aussteigen, wenn sie Zugang zu einem 90 Prozent wirksamen Impfstoff hätten, [doch] die Bekämpfung der Pandemie erfordert möglicherweise mehrere Impfstoffe"   

British Medical Journal: Die Ergebnisse wurden noch nicht peer-reviewed

„Die Ergebnisse wurden nur per Pressemitteilung bekannt gegeben und sind noch nicht veröffentlicht oder peer-reviewed." Außerdem zitiert die englische Fachzeitschrift Eleanor Riley, Professorin für Immunologie und Infektionskrankheiten an der Universität Edinburgh: „Die beiden Unternehmen bemühen sich, darauf hinzuweisen, dass die Studienteilnehmer ethnisch durchmischt sind, was gut ist, sagen aber nichts über das Alter der Studienteilnehmer". Außerdem wird angemerkt: „Es müssten logistische Probleme mit dem Impfstoff angegangen werden, da er Berichten zufolge bei -70°C gelagert werden muss, [das ist] nicht unbedingt routinemäßig möglich in den meisten Gesundheitszentren, selbst in Großbritannien, geschweige denn weltweit."

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