Postscriptum - Unrecht

Kritische Artikel können den Verfasser mögliche Jobs kosten: Die Hochschule der Polizei in Münster zog das Angebot einer Lehrstuhlvertretung an Ulrich Vosgerau zurück, nachdem dieser eine Analyse zu Merkels Flüchtlingspolitik im "Cicero" veröffentlichte

Erschienen in Ausgabe
Illustration: Anja Stiehler/ Jutta Fricke Illustrators
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Vor ziemlich genau einem Jahr, in der Dezemberausgabe 2015, erschien in Cicero ein Artikel unter der Überschrift „Herrschaft des Unrechts“. Verfasst wurde der Beitrag vom habilitierten Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, Privatdozent für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie für Rechtsphilosophie an der Universität Köln. Vosgerau unterzog damals die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung einer juristischen Analyse und kam zu dem Ergebnis, dass die unkonditionierte Grenzöffnung vom 4. September 2015 und die darauf folgenden Entwicklungen in vielerlei Hinsicht gegen geltendes Recht verstoßen hätten. Der überaus sachliche Text hatte es in sich, er wurde von vielen Seiten aufgegriffen und diskutiert – auch von der Politik. Das wünscht man sich von einem Debattenbeitrag.

Aber die Geschichte hat eine Kehrseite – und zwar für den Autor selbst. Im vergangenen September nämlich versuchte die Hochschule der Polizei (DHdP) in Münster, Ulrich Vosgerau als Lehrstuhlvertreter für Öffentliches Recht zu gewinnen. Es existiert ein E-Mail-Wechsel zwischen Vosgerau und dem DHdP-Präsidenten, in dem die Lehrtätigkeit in Münster fest vereinbart wurde. Ende Oktober 2016 erhielt Vosgerau dann jedoch die Mitteilung, der Hochschulsenat habe nun doch anders entschieden und nehme das Angebot der Lehrstuhlvertretung zurück. Der DHdP-Präsident, so Vosgerau, habe ihm telefonisch auch den Grund für diesen Rückzieher genannt: ein in Cicero veröffentlichter Artikel, der sich kritisch mit der Asylpolitik der Bundesregierung auseinandersetzt. Kurzum: „Herrschaft des Unrechts“.

Es sind Vorgänge wie dieser, die einen daran zweifeln lassen, ob in der Bundesrepublik eigentlich noch Meinungs- und Redefreiheit herrschen. Wenn nämlich sachliche Kritik am Regierungshandeln inzwischen dazu führt, dass einem anerkannten Wissenschaftler der Lehrauftrag wieder entzogen wird, kann das nur heißen: Die Blockwarte der wohlfeilen Gesinnung üben ihre Herrschaft aus, wo immer es geht – an den Universitäten und anderswo. Mal mit subtilen, mal mit weniger subtilen Methoden. Faktisches Berufsverbot zählt zu den Letzteren.

 

Dieser Text ist aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie in unserem Shop nachbestellen können.

 

 

 

 

 

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