Öffentlicher Dienst - Immer höhere Löhne auf Steuerzahlerkosten

Im Streit für bessere Löhne haben es Verdi und Beamtenbund leicht. Denn von Bund, Ländern und Kommunen ist kaum Gegenwehr zu erwarten. Wir Steuer- und Gebührenzahler schauen teilnahmslos zu. Dabei fehlt es den Menschen in öffentlichen Dienst an Wertschätzung, nicht an Geld

Warnstreiks der Tarifbeschäftigten: Dabei ist der Staat ein guter Arbeitgeber / picture alliance
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Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Der Staat sei ein miserabler Arbeitgeber. Jede Start-up-Klitsche jazzt den Kaffee, den sie den Mitarbeitern spendiert, zum fulminanten „Teambuilding“ hoch. Doch die gewählten Repräsentanten von Bund, Ländern und Gemeinden sind nicht in der Lage, die Vorzüge des öffentlichen Dienstes auch nur ansatzweise in den Fokus zu rücken. Jahr für Jahr lassen sie sich von der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und dem Beamtenbund als Geizhälse an den Tarif-Pranger stellen, ohne die Vorwürfe mit Fakten zu kontern. Sie lassen es zu, dass das Mittel des Warnstreiks massiv überdehnt wird. Schulen und Uni-Kliniken werden tageweise lahmgelegt. Der Bürger muss es machtlos zu ertragen – oder hat sogar Verständnis für die ausgedehnten Arbeitsniederlegungen. Warum eigentlich?

Denn in Wahrheit ist der Staat ein guter Arbeitgeber. Auch die 15 Bundesländer (außer Hessen), in denen Verdi & Co. jetzt für 1,1 Millionen Angestellte (und indirekt 1,3 Millionen Beamte) sechs Prozent mehr „Tabellenentgelt“, mindestens aber 200 Euro im Monat, sowie vielfältige Höhergruppierungen fordern, honorieren die Arbeit ihrer Lehrer, Klinik-Schwestern oder Straßenmeister gut. Warum sonst stemmen sich die Gewerkschaften gegen Privatisierungen? Weil – von Ausnahmen in der Einkommensspitze abgesehen – in der Privatwirtschaft oftmals schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen. Zumal dann, wenn man nicht nur die Bruttolöhne vergleicht, sondern auch die Absicherung im Alter und den Kündigungsschutz berücksichtigt. Beim Staat braucht es weder Mindestlöhne, noch ist je ein Bediensteter auf Grundsicherung im Alter angewiesen.

Wie angemessen sind die Forderungen?

Für die Tarifgemeinschaft der Länder führt der Berliner Finanzsenator die aktuellen Verhandlungen. Wer bei Matthias Kollatz (SPD) anfragt, wie es um die Gehaltsstruktur der Länder bestellt ist, wird per Mail auf einen Wust von Daten verwiesen. Allein die Entgeltordnung TV-L umfasst 380 Seiten. Die Stellenbeschreibungen müssen dann mit den entsprechenden Lohntabellen kombiniert werden. Hinzu kommen Listen über Zulagen oder Bereitschaftsdienstengelte

Dieser hohe Grad an Differenzierung nach Arbeitsplatz, Alter, Ausbildung und Region (Ost oder West) erleichtert Verdi und Beamtenbund die Argumentation gleich doppelt: Einmal gibt es immer eine Berufsgruppe, der die Öffentlichkeit gerne einen stattlichen Lohnaufschlag gewährt; jetzt sind es Pflegekräfte und IT-Spezialisten. Zugleich können jedoch nur Eingeweihte wirklich errechnen, ob die Forderungen angemessen sind. Effektive Gehaltsdaten werden nämlich nicht nur in Ausnahmen genannt, etwa wenn selbst angelernte Grundschullehrer in Berlin monatlich 5300 Euro bekommen sollen.

Geld wird ohne eigenes Risiko verteilt

Die ausgedehnten Warnstreiks, mit denen Verdi, GEW und Polizeigewerkschaft zur dritten Verhandlungsrunde ab 28. Februar „Druck machen“ wollen, sind daher unnötiger Theaterdonner. Ministerpräsidenten Armin Laschet aus dem mächtigen NRW plädiert vor seinen Beamten selbst für bessere Bezahlstrukturen. Aber sechs Prozent mehr Lohn brächten ja auch dem CDU-Politiker einen Aufschlag von gut tausend Euro im Monat. So wie übrigens die Arbeitgeber selbst Nutznießer hoher Tarifaufschläge sind und das Geld anderer Leute, nämlich der Steuerzahler, ohne eigenes Risiko verteilen. Ebenso orientieren sich die halb-staatlichen Einrichtungen, von AOK bis zu den Sparkassen, an den Verdi-Abschlüssen. Das wiederum erklärt die verständnisvolle Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender.

Verdi-Chef Frank Bsirske (67), der sich bei seiner letzten Tarifrunde mit einem satten Gehaltzuschlag für seine Mitglieder in den Ruhestand verabschieden will, begründet die Lohnforderung, die vierfach über der Inflationsrate liegt, mit „notwendiger Attraktivitätssteigerung“ gerade in „Engpassbereichen wie Pflege und IT“. In Wahrheit bedeutet die Mindestforderung von 200 Euro jedoch in den unteren Lohngruppen ein Plus von bis zu 11,4 Prozent – also dort, wo der Staat wegen der deutlich besseren Arbeitsbedingungen gar keine Personalsorgen hat. Es wäre ein Leichtes, IT-Spezialisten höher einzugruppieren, würde Verdi sodann nicht die Gleichbehandlung mit allen anderen Tarifgruppen fordern. Zudem: Wer, wie Minister und Gewerkschafter in vielsagender Eintracht, den öffentlichen Dienst ständig schlechter redet, als der tatsächlich ist, darf sich über mangelnde Bewerbungen nicht wundern. Fachkräfte fehlen schließlich auch in der gewerblichen Wirtschaft.

Entbürokratisierung als Respektsbezeugung

Hört man in den Staatsdienst hinein, so ist es selten die Bezahlung, die beklagt wird, sondern eine mangelnde Wertschätzung. Wenn Polizisten die Bodycam verweigert oder Justizbediensteten die politische Rückendeckung versagt wird, sorgt dies weit mehr für schlechte Stimmung. Wenn etwa Grüne die Ausweitung sicherer Herkunftsländer blockieren, bedeutet das für Verwaltungsrichter, dass der Berg an Asylklagen weiter anwächst. Und wenn Bauämter heute bis zu 20.000 Regeln berücksichtigen müssen, ist die Überlastung der Planungsbehörden hausgemacht.

Entbürokratisierung wäre daher die größte Respektbezeugung für die Bediensteten bei Bund, Ländern und Kommunen. Stattdessen werden Parlamente und Ministerien mit jeder Wahl weiter aufgebläht, die allesamt zur Klientelbedienung neue Regeln durchdrücken wollen. Doch darüber verlieren Verdi & Co. so wenig ein Wort wie über die Belastungen, die eine nach wie vor hohe Zuwanderung für Sozialbehörden, Schulen, Polizei oder Justiz mit sich bringt.

Wie stets werden die hausgemachten Probleme mit viel Geld zugeschüttet. Selbst der Steuerzahlerbund, der mit am Verhandlungstisch sitzen müsste, hat kapituliert. Das Sprachrohr der Zahlmeister beschränkt sich auf die stereotype Klage, dass auch dieser Tarifabschluss „viel zu teuer“ ist. Grundlegende Strukturreformen – weniger Vorschriften, mehr Leistungslohn und eine digitale Modernisierung – bleiben so auf der Strecke.  

 

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