NPD nicht verboten - „Bruch mit der Rechtstradition der Bundesrepublik“

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die NPD ist zu unbedeutend, um sie verbieten zu müssen. Damit rückt das Gericht von Richtlinien anderer Verbotsurteile ab. Das könnte der Partei selbst und anderen neonazistischen Organisationen mehr politischen Spielraum geben

Zu unbedeutend für ein Verbot: Parteivorsitzender Frank Franz und die NPD / picture alliance
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Felix M. Steiner arbeitet als Blogger und freier Journalist für verschiedene Medien. Seine Arbeitsschwerpunkte sind dabei vor allem Rechtsextremismus, sozialer Protest und Fotografie.

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Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag des Bundesrates auf ein Verbot der rechtsextremen NPD zurückgewiesen, die Partei wird damit nicht verboten. Mit der Verfassungswidrigkeit der NPD hat das Urteil aber wenig zu tun. Die Richter attestierten der Partei, sie wolle die bestehende Verfassungsordnung abschaffen und durch „einen an der ethnisch definierten ‚Volksgemeinschaft‘ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen“. Außerdem missachte ihr „politisches Konzept […] die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar“, so das Bundesverfassungsgericht in einer ersten Stellungnahme weiter. Und auch die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus bescheinigte das Bundesverfassungsgericht der 1964 gegründeten Partei eindeutig. 

Verfassungsgericht rückt von Richtlinien ab

Dass es dennoch nicht zu einem Verbot der Partei kommt, liegt vor allem an der fehlenden politischen Bedeutung und dem Abrücken des Bundesverfassungsgerichtes von den Richtlinien vorangegangener Parteiverbote wie dem der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 1956. So müssen „konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann“. Somit reichen also bloße Bestrebungen verfassungsfeindlicher Parteien nicht mehr aus, um diese zu verbieten.

Der Potsdamer Politikwissenschaftler Dr. Gideon Botsch sieht im Urteil eine deutliche Veränderung der Rechtsprechung: „Das Urteil stellt einen Bruch mit der bisherigen Rechtstradition in der Bundesrepublik dar.“ Mit dem Urteil sei es in Zukunft möglich, „nationalsozialistische Propaganda im Schutz des Parteiprivilegs offen zu betreiben, solange man es vermeidet, gegen Straftatbestände zu verstoßen“, so Botsch weiter.

Der lange Niedergang der NPD

Seit 1964 existiert die NPD bereits. Damit ist sie die älteste bestehende rechtsextreme Partei in Deutschland. Ihre wenigen politischen Erfolge sind allerdings lange vorbei. Ende der sechziger Jahre konnte die NPD von den gesellschaftspolitischen Umständen profitieren und Mandate in insgesamt sieben Landesparlamenten erringen. 1969 scheiterte sie dann nur knapp am Einzug in den Bundestag. 

Schon damals wurde ein Verbot offen diskutiert, war aber nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl hinfällig. Dies lag vor allem am Niedergang der Partei in den siebzieger Jahren. In nur einem Jahrzehnt verließen rund 20.000 Mitglieder die Partei, die dann kaum noch über 8.000 Mitglieder verfügte. 

Eintritte von Neonazis

Doch in den neunziger Jahren konnte die Partei ihren dauerhaften Abstieg vorrübergehend stoppen. Dafür war auch die Öffnung der Partei zum neonazistischen Kameradschaftsspektrum verantwortlich, zahlreiche Eintritte aus verbotenen Neonazi-Organisationen folgten. 

Zwischen 2004 und 2016 gelang es der NPD erneut, Mandate in Landesparlamenten zu gewinnen, in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. In Sachsen musste die Partei jedoch 2014 ihre Plätze räumen und im vergangenen Jahr dann auch in Mecklenburg-Vorpommern. Geblieben sind der NPD bundesweit nur rund 350 Mandate in Kommunalparlamenten. 

Gerettet durch Bedeutungslosigkeit

Und so liest sich die Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichtes auch wie das Porträt einer Partei im Niedergang: Das Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der Partei erscheine derzeit „ausgeschlossen“, in fünf Jahrzehnten habe die NPD keine dauerhafte Landtagspräsenz erreichen können und trotz ihrer Kommunalmandate sei ein „bestimmender Einfluss auf die politische Willensbildung“ nicht gegeben. 

Darüber hinaus spreche ein „niedriger und tendenziell rückläufiger Organisationsgrad sowie ihre eingeschränkte Kampagnenfähigkeit und geringe Wirkkraft in die Gesellschaft“ gegen ein Verbot der NPD. Gerettet durch Bedeutungslosigkeit.

Offener Nationalsozialismus schwerer zu bekämpfen

Dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommt jedoch eine weit größere Bedeutung zu als nur das konkrete Verbot der NPD. Es könnte für die Partei selbst, aber auch für andere neonazistische Organisationen, den politischen Spielraum grundlegend erweitern. „Inhaltlich muss sich die NPD jetzt weit weniger zurückhalten, als in der Vergangenheit“, sagt Rechtsextremismusexperte Botsch. Neben der NPD sind mit den Parteien „Die Rechte“ und dem III. Weg“ in den vergangenen Jahren ohnehin weitere extrem rechte Parteien entstanden, die in ihrem Auftreten wesentlich radikaler agieren und offen eine größere Nähe zum Nationalsozialismus zeigen.

Gideon Botsch vermutet, dass weitere Neonazi-Gruppierungen nun häufiger den Weg der Parteigründung wählen könnten, um so vor einem Verbot geschützt zu sein. Außerdem sieht Botsch vor allem eine Gefahr für die Veränderung der politischen Kultur in Deutschland: „Offener Nationalsozialismus wird jetzt ein randständiger, aber doch wahrnehmbarer Teil unserer politischen Kultur werden, der mit den Mitteln des Rechtsstaats schwerer zu verfolgen sein wird.“

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