Laschet im Kinderinterview - Von Nazis und Purzelbäumen

In einer Late-Night-Show stellen Kinder Armin Laschet und Olaf Scholz Fragen, die ihnen Erwachsene eingeflüstert haben. Die Macher sollten sich schämen für diese Instrumentalisierung.

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Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Ich bin keiner, der bei jeder Forderung nach mehr Lastenfahrrädern in Großstädten die Infantilisierung der Gesellschaft und den Untergang des Abendlandes beklagt. Ich bin sogar ein Fan der Kindernachrichten Logo, in denen Kindern auf entsprechendem Niveau die Welt erklärt wird. Logo-Reporter haben mit allen Spitzenkandidaten der Parteien Interviews geführt, die man sich ruhig mal anschauen kann – unter anderem fiel da AfD-Chef Tino Chrupalla, einem erklärten Verehrer deutscher Dichter und Denker, auf Anhieb kein deutsches Lieblingsgedicht ein, eine Szene mit Unterhaltungswert. Jugendliche stellen da Fragen, die ihrem Horizont und ihren Interessen entsprechen – und ihren Zuschauern.

Eltern erfreuen sich gerne daran, wenn ihre Kinder sie imitieren: wenn sie ihre Klamotten anziehen, Telefonkonferenzen nachspielen und – wie beobachtet – über ihren Chef schimpfen. Was aber Klaas Heufer-Umlauf gestern in seiner Sendung auf Pro Sieben lieferte, ist eine zynische Instrumentalisierung von Kindern: Kinder spielen Erwachsene – für Erwachsene. Der Name der Veranstaltung macht ja schon klar: Eine Late-Night-Show um 22.35 Uhr schauen keine Kinder.

Da sitzen nun also unter einem mit Lampions behangenen Baldachin zwei Kinder, hinter ihnen ein großer Teddybär und ein Globus. Unterlegt ist das Ganze mit undefinierbarer Pling-Plong-Musik. Der eine, Romeo, ist um die zehn Jahre alt, das wird im Laufe des Interviews klar, Pauline müsste ähnlich alt sein. Niemand hätte etwas dagegen, wenn diese Kinder nun Fragen stellen würden, die Kinder in diesem Alter aus dem Alltag mitbringen: Herr Laschet, was tun Sie gegen die Umweltzerstörung? Warum müssen in Deutschland Menschen auf der Straße leben? Oder auch: Was ist eigentlich eine Partei, was ist die CDU?

Zehnjährige Spiegel-Fans

Stattdessen – man kann es nicht anders sagen – sind diese beiden Kinder von Erwachsenen abgerichtet. Schon im Intro sieht man sie bei der Lektüre des Spiegel. Klar, was sonst? Erinnern Sie sich auch daran, wie Ihre zehnjährigen Kinder Ihnen immer den Spiegel aus der Hand gerissen haben, wenn Sie sich gerade gemütlich zur Lektüre in den Ohrensessel setzen wollten? „Gib her Papi, ich will zuerst!“

Die ersten Fragen sind in Ordnung: Warum willst du Bundeskanzler werden? Ich hab Fotos gesehen, auf denen rauchst du Zigarillos. Willst du damit aufhören? Dann biegt das Gespräch aber in Felder ab, die weit vom Horizont dieser Kinder entfernt sind. „Haben Sie Polizei geschickt, um Menschen aus Baumhäusern zu vertreiben?“, fragt Romeo. Es geht um die umstrittene Räumung des Hambacher Forsts, die Armin Laschet politisch zu verantworten hatte – und die gerade von einem Gericht für rechtswidrig erklärt wurde. Es ist ein komplexes Thema, das heruntergebrochen auf den Vorwurf „Du hast Menschen aus Baumhäusern vertrieben“ tatsächlich ein Beleg für die Infantilisierung der Gesellschaft ist.

Honig-Falle für Laschet

Dass die Kinder daraufhin das Gerichtsurteil zitieren, ist wiederum ein Beleg dafür, dass sie von den Machern der Show ordentlich dressiert wurden. Was hat das alles mit ihrer Lebenswelt zu tun? Laschet wird zunehmend unentspannter, weil die Absurdität der Situation kaum zu überbieten ist: der winzige Kinderstuhl, auf dem er sitzt, die Kinder, die Fragen stellen, die nicht die ihren sind. Und Laschet spürt wohl auch, dass er in eine Honig-Falle gelaufen ist: Gegenüber diesen süßen Kinderlein kann er nicht zurückschießen, wie er es mit erwachsenen Journalisten tun könnte – obwohl Romeo und Pauline diese Fragen von Erwachsenen eingeflüstert wurden.

Aber es kommt noch schlimmer. Romeo und Pauline biegen nach einem Schlenker über die Flutkatastrophe („Als du die Flut besucht hast, musstest du lachen. Warum? Findest du das gutes Benehmen?“) auf das Thema ab, das wirklich alle Zehnjährigen in diesem Land brennend interessiert: „Ist Maaßen ein Nazi?“, fragt Romeo mit Engelsstimme. Was weiß dieser Romeo, was weiß Pauline, über Nazis und erst recht Hans-Georg Maaßen – außer dem, was ihnen ihre Eltern und die Macher der Sendung einflüstern? Es ist zum Fremdschämen.

Romeo kennt Hans-Georg Maaßen

Natürlich antwortet Laschet mit Nein. Aber da hat er die Rechnung ohne Romeo gemacht. Er kennt natürlich auch den Unterschied zwischen einem Nazi und einem Rechten. Nun denn: „Ist Hans-Georg Maaßen ein Rechter?“ Laschet ist jetzt sichtlich genervt, antwortet: „Kennst du den?“ Antwort: „Ja“. „Warum ist das ein Rechter?“ Romeo: „Das frag ich Sie!“

Völlig zu Recht erklärt Laschet das Problem einer Volkspartei mit 400.000 Mitgliedern, dass er selbst zum Teil andere Meinungen habe, aber dass eben die CDU-Mitglieder im Thüringer Wahlkreis Maaßen zum Kandidaten gemacht hätten. Romeo und Pauline kommen aber brav ihrem Auftrag nach und nerven Laschet mit Nachfragen wie „Was findest du gut an ihm?“ Laschet, das spürt man, hat jetzt verstanden: Hier kann er nur verlieren, drängelt: „So, habt ihr noch Fragen?“ Eigentlich hätte er fragen müssen – in erster Linie in Richtung der Macher: Sagt mal, seid ihr euch eigentlich für nichts zu schade?

Da fragt Paulinchen wieder mit Engelsstimmchen: „Nach wie vielen Purzelbäumen wird Ihnen schwindlig?“ Es geht dann noch um die großen Kinderthemen Maskendeals und die Schwulenehe, dann ist Laschets Marter beendet. Beim Zuschauer bleibt ein flaues Gefühl im Magen. Wer Zehnjährige so für seine Late-Night-Show instrumentalisiert, sollte sich schämen.

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