Denkmal für deutsche Soldaten in Polen - Rechtes Gedenken

Ein von einem AfD- Abgeordneten und Neonazis gespendetes Denkmal für deutsche Soldaten im polnischen Bytom wird in beiden Ländern kritisiert. Es erinnert nicht nur an Freikorps, die für ihre Kriegsverbrechen an Zivilisten bekannt sind, sondern auch an „unterdrückte Ostdeutsche“

Stein des Anstoßes / Facebook/Stephan Protschka
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Autoreninfo

Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Als am vergangenen Sonntag mit dem Volkstrauertag an Kriegsopfer erinnert wurde, fanden zwei Gedenkveranstaltungen statt, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Auf der einen Seite die Gedenkfeier im Bundestag, die im Zeichen der deutsch-polnischen Versöhnung stand. „Ich glaube an die Freundschaft zwischen Polen und Deutschland. Das sage ich heute hier als ein polnischer Europäer. Als ein Breslauer. Das sage ich heute hier als ein Berliner“, erklärte Ehrengast Rafał Dutkiewicz, ehemaliger Stadtpräsident der niederschlesischen Metropole Breslau, und wurde dafür mit viel Applaus bedacht.

Auf der anderen Veranstaltung wurde auf einem Friedhof im polnischen Bytom ein Denkmal für die in den beiden Weltkriegen gefallenen deutschen Soldaten enthüllt. Zu den Klängen der deutschen Nationalhymne und im Beisein eines katholischen Geistlichen, der den Gedenkstein segnete. Was an sich nicht problematisch wäre, wenn da nicht noch einige andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen würden.

Der „Schutzstaffel“ gedenken

Denn laut der Inschrift wird mit dem Denkmal nicht nur der gefallenen deutschen Soldaten gedacht, sondern es wird auch an „die Schutzstaffel und Freikorpskämpfer und die ermordeten und unterdrückten Ostdeutschen“ erinnert. Ebenfalls problematisch ist die illustre Schar der Spender dieses Gedenksteines, die sich auf jenem verewigt haben. Neben dem AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Protschka und der Berliner „Jungen Alternative“, also der vom Verfassungsschutz beobachteten Nachwuchsorganisation der AfD, findet man mit den „Jungen Nationalisten“ auch eine NPD-Organisation unter den Geldgebern. Neonazis, mit denen die AfD angeblich nichts zu tun haben will. Nicht den besten Ruf genießt auch die Burschenschaft „Markomannia Wien zu Deggendorf“, die ebenfalls zu den aufgezählten Sponsoren gehört. Deren aktive Mitglieder werden wegen ihrer Kontakte ins rechtsextreme Milieu vom Verfassungsschutz in Bayern beobachtet.

Das ist skandalös. Es kommt aber noch eine Sache hinzu: der Standort des Denkmals. Enthüllt wurde es nicht irgendwo in Ostdeutschland, wie man bei den „ermordeten und unterdrückten Ostdeutschen“ hätte denken können, sondern in Bytom, dem früheren Beuthen. Einer Stadt im oberschlesischen Industrierevier, die seit 1945 zu Polen gehört. Das hinderte Markus Tylikowski, Vorsitzender der lokalen Jugendorganisation der Deutschen Minderheit in Polen und Mitinitiator des Denkmals, nicht daran, bei der Veranstaltung seine Rede mit den Worten „Es lebe Beuthen, es lebe Schlesien, es lebe das deutsche Vaterland“ zu beenden.   

Eine „schöne, hohe, dreistellige Summe“

Der Berliner Tagesspiegel veröffentlichte bereits am Dienstag einen sehr ausführlichen Artikel über das Denkmal. Kurz darauf griffen weitere Zeitungen das Thema auf, was bei einem gemeinsam von einem AfD-Bundestagsabgeordneten und Neonazis gespendeten Kriegsdenkmal in Polen nicht überrascht.

Die vielen Berichte scheinen den AfD-Abgeordneten Prochatschka nicht zu stören. Er brüstete sich gegenüber dem Tagesspiegel als Spender mit einer „schönen, hohen dreistelligen Summe“.  Gegenüber der Presse verneint er zwar, von der Beteiligung der NPD-Organisation gewusst zu haben. Obwohl er, wie er selber zugab, kurz vor der Enthüllung des Denkmals die „Jungen Nationalisten“ von der Liste der Spender auf dem Gedenkstein notdürftig entfernen ließ. Er veröffentlichte aber gleichzeitig auf seiner Facebook-Seite ein achtminütiges, durchaus aufwendig gedrehtes Video von der Veranstaltung. Versehen mit der Frage: „Darf man der toten Soldaten beider Weltkriege gedenken? Die deutsche Minderheit gedenkt der Toten der Gefallenen in Oberschlesien, vor allem weil es auch ihre Vorfahren sind, die dort begraben sind. Linke regt es auf. Was denkt Ihr darüber?“

Fragwürdige Motive

Nur ging es Protschka und seinem in Bytom lebenden Kompagnon Tylikowski, der Mitglied der Berliner „Jungen Alternative“ ist, bei ihrem Denkmal tatsächlich nur um das Gedenken an aus Oberschlesien stammende gefallene deutsche Soldaten? Oder war es vielleicht doch eher nur eine Provokation derjenigen, die Protschka als „Linke“ versteht? Der zweite Gedanke drängt sich jedenfalls auf.

Allein schon die Erwähnung der Schutzstaffel und der Freikorps ist eine Provokation und zeugt gleichzeitig von historischer Unkenntnis bei Protschka und Tylikowski. Nach dem deutschen Überfall auf Polen agierte unter dem Befehl der SS der „Volksdeutsche Selbstschutz“, der in Polen und in Osteuropa Kriegsverbrechen beging. Während der drei „Polnischen Aufstände“ in Oberschlesien zwischen 1919 und 1921 existierten diese noch nicht, wie Tylikowski in seiner Rede bei der Enthüllung des Denkmals behauptete. Das ist aber falsch. Und die Freikorps, die gegen die Aufständischen kämpften, scheuten sich nicht, während der Aufstände politische Gegner hinterrücks zu ermorden.

Weder Polen noch Deutsche: Als Schlesier fühlen sie sich

Übrigens, die drei Aufstände vor fast hundert Jahren: Im heutigen Oberschlesien interpretiert man sie als einen von Polen und Deutschland aufgedrängten Bürgerkrieg. In den vergangenen Jahrzehnten bildete sich dort ein starker Lokalpatriotismus. Viele Bewohner verstehen sich nicht mehr als Deutsche oder Polen, sondern als Schlesier. Sie fordern Autonomie für ihre Region. Eine These, die auch einige Historiker wie Ryszard Kaczmarek vertreten und die im Widerspruch zu der Interpretation der in Warschau regierenden Nationalkonservativen und rechter Gruppen steht. Für sie waren die Aufstände ein heroischer Kampf der Oberschlesier um die Rückkehr ihrer Heimat nach Polen.

Eine Provokation ist aber nicht nur das Gedenken an die Schutzstaffeln und Freikorps, sondern das Denkmal selbst. Auch wenn 30 Jahre nach dem Ende der Volksrepublik, in der alles Deutsche in der Region unterdrückt wurde, deutsche Kriegsdenkmäler keine Seltenheit mehr sind. „Was früher undenkbar war, wird heute langsam aber doch immer mehr zur Normalität“, erklärt Sebastian Wladarz, Vorstandsvorsitzender der in Ratingen beheimateten Stiftung Haus Oberschlesien, in einer Stellungnahme gegenüber Cicero.

Ein Bärendienst für alle Beteiligten 

Das von AfD-Politiker Protschka und den „Jungen Nationalisten“ mitfinanzierte Denkmal sieht Wladarz, CDU-Mitglied und selber im oberschlesischen Gliwice/Gleiwitz geboren, jedoch kritisch. Für ihn ist es gar ein „Bärendienst“ für die Deutschen in Polen und für die deutsch-polnischen Beziehungen: „In einer Region, die seit jeher Schmelztiegel der Kulturen war, ist Sensibilität gefragt“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, „Wenn sich der Initiator Tylkowski nun ein Kriegerdenkmal von politischen Gruppen oder deren Vertretern sponsern lässt, die einerseits offen rechtsextremes Gedankengut transportieren (NPD) oder andererseits Leute in ihren Reihen dulden, die – nach Gerichtsurteil – offiziell als Faschist bezeichnet werden dürfen (AfD), dann ist das mit Dummheit kaum mehr zu erklären. Dieser Vorfall bläst Wind auf die Mühlen der polnischen Nationalisten und stellt die politische Neutralität des Verbandes in Frage“, so Wladarz weiter.

Wie sehr er Recht hat, zeigen die jüngsten, in der polnischen Gazeta Wyborcza veröffentlichten Fotos des Kriegerdenkmals. „Raus Szwaby“ (Deutsche raus), haben Unbekannte auf den Stein gesprüht. Dazu das bei polnischen Rechtsradikalen beliebte keltische Kreuz. Der Bund der Jugend der Deutschen Minderheit in Polen hat sich bereits in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme von dem Kriegerdenkmal in Bytom distanziert. Danach war der Verband nicht in die Pläne eingeweiht und kündigt „verlässliche Konsequenzen“ an.

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