Konrad-Adenauer-Stiftung - Einspruch gegen Schavan

Annette Schavan soll Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung werden, obwohl der früheren Bildungsministerin nach einem nachgewiesenen Plagiat der Doktortitel aberkannt wurde. Der Altstipendiat Jochen Zenthöfer erhebt Einspruch gegen die Berufung

Annette Schavan: nicht wegen der Gesinnung, sondern wegen des fehlenden Doktortitels nicht als Vorsitzende geeignet / picture alliance
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Von Jochen Zenthöfer erscheint in diesen Tagen das Buch Plagiate in der Wissenschaft - Wie „VroniPlag Wiki“ Betrug in Doktorarbeiten aufdeckt, transcript Verlag, Bielefeld, 188 Seiten, ISBN: 978-3-8376-6258-0, 19.50 Euro. Zenthöfer berichtet seit acht Jahren als Sachbuchrezensent in der FAZ. über Plagiate in Doktorarbeiten – nicht nur bei Politikern.

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Ist es ratsam, in dieser politisch aufgeregten Zeit Stellung zu einer Personalie zu beziehen, die sich im Hintergrund zum „Stellvertreterkrieg“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) entwickelt hat? Gerät man dann nicht zwischen die Fronten Stiftungsführung und Adenauer-Haus respektive Kanzleramt? Und birgt jede Stellungnahme nicht zugleich den Verdacht einer politischen Positionierung? Es ist töricht, sich jetzt zur causa Annette Schavan zu äußern; aber es wäre törichter, es nicht zu tun.

Zunächst: Ich bin Altstipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Die Stiftung hatte mich während meines Jurastudiums ideell und finanziell gefördert. Dieser Förderung verdanke ich nicht nur eine Erweiterung meines geistigen Horizonts (unter anderem auch durch ein von der KAS finanziertes Auslandssemester), sondern ermöglichte mir auch, mich intensiv auf das Staatsexamen vorbereiten zu können, ohne parallel arbeiten zu müssen. All das hat mir geholfen, einen guten Studienabschluss zu erreichen und eine Doktorarbeit vorzubereiten. Nach meiner aktiven Stipendiatenzeit wurde ich von der Stiftung in Auswahlkomitees zur Auswahl neuer Stipendiaten berufen. Mehrfach konnte ich an Publikationen der KAS mitwirken. Ich fühle mich als Teil der Familie. Deshalb meine ich berechtigt zu sein, mich zur Vorsitzendendebatte zu äußern.

Die falsche Entscheidung

Wenn ich schreibe, dass ich mich als Teil der Familie fühle, muss ich ergänzen, dass ich die Familienoberhäupter nicht kenne. Weder mit dem derzeitigen Vorsitzenden der Stiftung (Hans-Gert Pöttering), noch mit den in der Debatte genannten potentiellen Nachfolgern (Norbert Lammert, Annette Schavan) habe ich jemals gesprochen. Gleiches gilt für den Generalsekretär. Nun könnte man einwenden: Genau dies hätte ich tun sollen, statt die Debatte nun in die Öffentlichkeit zu bringen. Doch zum einen sind die soeben Genannten selbst Protagonisten in einer Debatte, die sie daher kaum moderieren könnten oder gar steuern sollten. Zum anderen wird im politischen Raum der christdemokratischen Bewegung seit jeher top-down entschieden, was ich grundsätzlich für richtig halte. In den allermeisten Fällen ist dieses Verfahren schneller und besser als die Basisdemokratie der Linken. Doch wenn – was selten passiert, aber passieren kann – eine falsche Entscheidung droht, ist öffentlicher Protest der einzig effektive Gegendruck.

Doch wie kann ich mir anmaßen zu beurteilen, dass eine falsche Entscheidung droht? Ganz einfach: Ich lehne Annette Schavan nicht als Person ab, nicht wegen ihres Glaubens, nicht wegen ihrer innerparteilichen Positionen, nicht, weil ich für eine andere Person als Vorsitzende der KAS plädiere. Zwar würde ich es tendenziell begrüßen, wenn erstmals eine Frau an die Spitze der Stiftung rücken würde. Doch wichtiger als das Geschlecht ist mir das Signal, das man mit der Wahl von Frau Schavan senden würde: Sie musste wegen der Plagiatsaffäre vom Amt der Bundesbildungsministerin zurücktreten, soll nun aber Vorsitzende einer Stiftung werden, bei der Wissenschaftliche Dienste (Archiv), Politische Bildung und Begabtenförderung wichtige Pfeiler der Arbeit sind.

Plagiate sind keine Kavaliersdelikte

Das würde bedeuten, dass wir dem von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als erfüllt bewerteten „Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat“ kein Gewicht beimessen. Das hielte ich für verfehlt. Wir sind im System der Bildungsinstitutionen, die KAS erhält öffentliche Mittel auch des Bildungsministeriums, und als akademische Institution (für die man sich – zu Recht – hält) gelten einfach auch die Regeln des akademischen Betriebs. Als die Plagiatsvorwürfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg erstmals aufkamen, sagte die Bundeskanzlerin, sie stärke ihm den Rücken, denn sie habe Guttenberg schließlich als Minister bestellt „und nicht als wissenschaftlichen Assistenten“. Genau das aber soll hier geschehen: Angela Merkel will Annette Schavan als Vorsitzende einer Organisation einsetzen, die auch Wissenschaft betreibt.

Als Journalist habe ich in den vergangenen Jahren oft über Plagiatsfälle und Plagiatsverdachte berichtet, zuletzt über Margarita Mathiopoulos, Ulrike Müßig und Marina Hennig. Ich habe mich in die Thematik eingearbeitet und verfolge die Tätigkeiten von „Vroni Plag Wiki“ – einer zivilgesellschaftlichen Gruppe, die sich für die Wissenschaft einsetzt. „Wissenschaftliches Fehlverhalten verjährt nicht. Wissenschaft baut auf Vertrauen. Wer dieses missbraucht, muss mit Sanktionen rechnen, auch nach zwanzig oder dreißig Jahren“, sagt VroniPlag Wiki-Mitarbeiterin Debora Weber-Wulff von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Sie hat recht. Plagiate sind keine Kavaliersdelikte. Sie sind extrem schädlich für die Wissenschaft und ein Schlag ins Gesicht jedes ehrlich arbeitenden Wissenschaftlers. Seit ich die elend langen Aberkennungsverfahren von akademischen Titeln an deutschen Hochschulen verfolge, weiß ich: Der Titel geht nur bei wirklich schweren Verfehlungen verlustig. Viele Fälle werden mit einer „Rüge“ beendet, die Titelträger dürfen den Titel behalten. Aber bei Frau Schavan war es anders.

Es geht nicht um Schavans Gesinnung

Hat aber Annette Schavan nicht genug gebüßt? Nach ihrem Rücktritt vom Amt der Bildungsministerin wurde sie Botschafterin beim Vatikan. Ob sie dort gute Arbeit geleistet hat, kann ich nicht bewerten, weil ich das nicht verfolgt habe. Als Ministerin hat Schavan jedenfalls viele lobenswerte Initiativen angestoßen. Ich glaube sogar, dass sie wieder Ministerin sein könnte, nur eben nicht für Bildung. Schavan ist klug und eloquent, sie hat das Herz am richtigen Fleck, ich vertraue ihr. Und: Jeder macht in seinem Leben Fehler. Fehler werden verziehen. Auch ihre Plagiate seien Annette Schavan verziehen. Und doch sperrt sie dieser Vorfall für gewisse Ämter. In der christdemokratischen Parteienfamilie sind es nicht viele Ämter, aber das Amt einer Bildungsministerin und der Vorsitz der Adenauer-Stiftung gehören dazu.

Es gibt Menschen, die Annette Schavan aus anderen Gründen ablehnen: Sie sei innerparteilich zu links, zu Merkel-nah. Ausdrücklich will ich sagen, dass das nicht meine Kriterien sind. Annette Schavan als Stiftungsvorsitzende ist nicht deshalb abzulehnen, weil sie Merkel loyal ist oder eine bestimmte Gesinnung hat, sondern deshalb, weil ihr Doktortitel und Studienabschluss wegen Täuschung aberkannt worden sind.

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