Wählen und wählen lassen – Die Kolumne zur Bundestagswahl - Der Ritt in die Hürde

Die CSU könnte bei der Wahl erstmals die Fünfprozenthürde reißen. Nach außen scheint Markus Söder gelassen zu bleiben, sichern ihm die Direktmandate doch ohnehin den Einzug in den Bundestag. Historisch aber wäre das eine unvergleichliche Watschn.

Grafik: Cicero; Foto: Hanselle
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Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Da wäre man schon gerne mit dabei gewesen: Da hat der Söder Markus doch über Monate hinweg keine Gelegenheit ausgelassen, um gegen Armin Laschet und gegen die große Schwesterpartei im Norden zu hakeln und zu treten, und jetzt mussten ihm seine eigenen Auguren und Sterndeuter doch tatsächlich mitteilen, dass es für die Christsozialen am 26. September möglicherweise nicht einmal für die Fünfprozenthürde reicht. Laut aktuellen Umfragen nämlich rutscht die CSU unter die 30 Prozent-Marke, und das dürfte, ausgedünnt auf den Rest des Landes, dann doch ein wenig eng werden. Wie sagt schließlich schon ein bayerisches Sprichwort: „Hinterm Berg san a no Leit“, und die können sich in der Regel wenig für die Befindlichkeiten eines bayerischen Ministerpräsidenten mit Ambitionen zu Höherem erwärmen.

Der aber nimmt es derweil sportlich. „Die fünf Prozent sind überhaupt kein Thema“, verkündete Söder heute vollmundig im Interview mit dem Deutschlandfunk. Schließlich würde seine Partei ganz sicher genug Direktmandate erzielen, so dass man sich über Untergrenzen im deutschen Wahlrecht derzeit keine Gedanken machen muss. Also alles gut an Inn und Isar? Ganz sicher nicht. Zwar hat Söder de facto recht: Sobald eine Partei drei Direktmandate erzielt, ist sie ganz gewiss im nächsten Bundestag vertreten, selbst wenn sie nicht die nötigen fünf Prozent mit der Zweitstimme erreicht – und die CSU hat bei der Wahl 2017 gleich 46 Direktmandate erzielt. Doch einem strebsamen Gscheidhaferl wie Söder dürfte es ganz sicher nicht egal sein, wenn der ganze blau-weiße Stolz erstmals wie ein erlahmter Gaul in die Hindernisstange kracht.

Man muss ja nicht gleich der reichste Mann am Friedhof sein, aber bei der ersten Bundestagswahl als bayerischer Ministerpräsident möchte man doch ganz sicher nicht hinter den Altvorderen zurückbleiben. Seit 1949, seit den Tagen des ehrbaren Hanns Seidels also, ist die Fraktion der Christlich-Sozialen Union in Bayern auch auf Bundesebene vertreten. Von anfangs 5,8 Prozent stieg sie im güldenen Zeitalter von Bayerkönig Franz Josef Strauß sogar einst auf 10,6 Prozent im Bund. In der CSU schien man derartigen Fortune gewohnt zu sein. Siegen gehörte in München zur DNA, und das gefühlt seit mindestens Aeonen. Und jetzt also dieser Erbfolger, der derart aus der Art zu schlagen droht. Aber alles hat halt mal ein Ende. Oder wie wird man dereinst im bayrischen Frühherbst sagen: Aus ist’s und gar ist’s und schad ist’s, dass’s wahr ist.

In unserem exklusiven Kolumnenticker Wählen und wählen lassen widmen sich Alexander Marguier, Ralf Hanselle, Daniel Gräber und Moritz Gathmann den spannendsten Fragen zur Bundestagswahl 2021: Regierungskonstellationen, Schattenkabinette, Wahlkampftaktiken, Post-Merkel-Gehversuche, aber auch Pannen und Umfragezwischenhochs sowie ein Hauch Medienkritik, mit einem Augenzwinkern. Zur Bundestagswahl werden wir außerdem live berichten. Passgenau erscheint am 23.09. die neue Cicero-Ausgabe.

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