Kritik am Klimaschutz - „Greta Thunberg kann nur schwarz-weiß sehen“

Einer der militantesten Mitbegründer der Grünen geht hart mit seiner Partei ins Gericht. In einem Interview kritisiert Michael Braungart, aus den Grünen sei eine „Wellness-Bewegung“ geworden. Von „Fridays for Future“ hält er gar nichts

Heldin oder Vorzeige-Figur für eine Partei, „die zur Wellness-Bewegung ist“? / picture alliance
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Es sind Sätze, die der Bewegung „Fridays for Future“ ein vernichtendes Zeugnis ausstellen, und dass sie ausgerechnet aus dem Mund eines Mannes kommen, der als Mitbegründer der Grünen einst auf Fabrikschornsteine eines Chemiekonzerns kletterte, um gegen die Verschmutzung der Umwelt zu protestieren, verleiht ihnen doppeltes Gewicht: „Die Leute machen die Katastrophe einfach nur größer, damit sie selber wichtig erscheinen. Es geht weder ums Überleben des Planeten noch der Menschheit. Michael Braungart hat sie dem Flensburger Tageblatt gesagt, und nicht nur deswegen ist dieses Interview lesenswert. 

Braungart ist Chemiker. Der Ehemann der ehemaligen Greenpeace-Chefin Monika Griefahn hat sich den Schutz der Umwelt zur Lebensaufgabe gemacht. Nach dem von ihm mitbegründeten Cradle-to-Cradle-Prinzip werden weltweit schon 11.000 Produkte hergestellt, die so beschaffen sind, dass ihre Materialien auch dann noch verwertet werden können, wenn sie längst verschlissen sind – vom kompostierbaren Turnschuh bis zur Bierdose, die rückstandslos eingeschmolzen werden kann. Neue Technologien für den Umweltschutz zu nutzen, mit diesem Credo steht Braungart heute bei den Grünen ziemlich allein da. Und warum das so ist, diese Frage beantwortet er in dem Interview selbst. 

Umweltschutz als „Moralthema“

Den deutschen Verbrauchern attestiert er eine Doppelmoral. „Wir denken, es reicht, wenn wir ein bisschen weniger zerstören: weniger Auto fahren, weniger Müll, weniger Wasserverbrauch. Damit schützen wir aber nichts, wir machen nur weniger kaputt. Es ist so, als wenn wir sagen: ,Ich schlage mein Kind nur noch fünfmal statt zehnmal.`“ 

Die Grünen, kritisiert Braungart, seien die Speerspitze dieser „wunderbaren Wellness-Bewegung“: Sie seien auf halber Strecke stehengeblieben und hätten den Umweltschutz zum „Moralthema“ gemacht. Als Beispiel nennt er den Grünen-Chef Robert Habeck. „Den treffe ich heute mit einer Umhängetasche aus Lkw-Plane mit PVC in Berlin am Bahnhof." Noch weniger als mit seiner früheren Partei kann Braungart mit „Fridays for Future“ anfangen. Zwar sei es gut, dass junge Leute etwas täten. Doch dem Starrummel um Greta Thunberg steht er skeptisch gegenüber. „Sie kann nur schwarz-weiß sehen, sagt er über die Gründerin der Bewegung. Ihr Engagement werde gnadenlos überbewertet. „Ich habe bei Greenpeace mein Leben eingesetzt, um Gift aufzuhalten. Ich habe Dreck eingeatmet ohne Ende, radioaktive Stäube. Und dann sitzt da jemand vor dem Parlament, geht nicht zur Schule, wird als große Widerstandskämpferin gefeiert und für den Nobelpreis vorgeschlagen.”

Ist da vielleicht auch jemand neidisch? Braungart sagt: „Ich gebe zu, das provoziert mich."

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