Juden und Homosexuelle - Erzwungene Schicksalsgemeinschaft

Nach der Entscheidung zur „Ehe für Alle“ fiel die deutsche Gesellschaft in einen Freudentaumel. Verschwiegen wird, dass die homosexuelle Minderheit durch das Wachstum des konservativen Islam gefährlicher lebt als vor wenigen Jahren. Das gilt auch für Juden. Lehrer berichten, dass Antisemitismus sich unter ihren Schülern immer stärker durchsetzt

Seit dem Nationalsozialismus ist Deutschland einen langen Weg zur Anerkennung von Homosexuellen gegangen / picture alliance
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Autoreninfo

Sonja Margolina, Jahrgang 1951, ist 1986 aus der Sowjetunion in die Bundesrepublik emigriert. Sie arbeitet als Journalistin und Buchautorin.

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In den christlichen Ländern wurden Homosexuelle jahrhundertelang verfolgt, diskriminiert, geächtet. In islamischen Staaten und im orthodoxen Russland werden sie das bis heute. Die Minderheit, der von Natur aus rund 6 Prozent der Menschheit angehören, haben nun in Deutschland gleiche Rechte wie die Mehrheit. In einer Hauruck-Abstimmung hat der Bundestag die gleichgeschlechtliche Ehe beschlossen.

Es fehlte nicht an Kommentaren, die sich am Durchbruch berauschten. Endlich dürfen auch Homosexuelle Kinder adoptieren. Viele Bürger, die sich als konservativ bezeichnen, sorgen sich jedoch, ob Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren nicht unter der Andersartigkeit ihrer Familien leiden würden. Manch einem gehen ganz perfide Gedanken durch den Kopf: Sie machen sich Sorgen über mögliche pädophile Neigungen der Eltern, die ihre Adoptivkinder missbrauchen könnten. Auf eine solche Unterstellung wird normalerweise mit dem Kindesmissbrauch in heterosexuellen Familien geantwortet. Und in der Tat kann die traditionelle Familie anstelle ein Hort der Liebe und Geborgenheit zu sein, für Kinder zur Hölle werden. 

Angriffe auf Homosexuelle 

Allerdings wird ein Paradoxon der gesetzlichen Gleichstellung der Homosexuellen geflissentlich übersehen. Es mutet sogar als eine Art kognitive Dissonanz an. Denn das Gesetz wird in einem Augenblick verabschiedet, in dem ein steiles Anwachsen der Homophobie verzeichnet wird. Harald Martenstein wies in seiner Tagesspiegel-Kolumne darauf hin, dass die Zahl der Gewalttaten gegen gleichgeschlechtliche Paare in der Öffentlichkeit seit 2005 sich vervierfacht habe. Doch Politik und Medien schweigen und spielen das Problem herunter. Homosexuelle dürften nun zwar heiraten, aber im Alltag lebten sie gefährlicher als früher. Martensteins Beispiele aus einer Woche in Berlin: ein Taxifahrer würgte seinen transsexuellen Gast; auf dem Herrmannplatz wurde ein homosexueller Christ aus Syrien von einem muslimischem Syrer, unter den Angreifern waren auch Kinder, krankenhausreif geprügelt; in Berlin-Mitte würgte ein Mann lesbische Frauen und schlug mit einer Flasche auf sie ein.

Gefährlicher als noch vor einigen Jahren  lebt auch eine andere Minderheit: Juden. Der Großteil der 250.000 Juden, die heute in der Bundesrepublik leben, stammt aus der ehemaligen Sowjetunion, deren Zerfall von wachsendem Antisemitismus und gesellschaftlichen Verwerfungen begleitet wurde. Man hat sie in den neunziger Jahren gegen den Widerstand Israels als „Kontingentflüchtlinge“ in die Bundesrepublik eingeladen. Die Wiederherstellung der jüdischen Gemeinden, des jüdischen Lebens in der Bundesrepublik war als Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht gedacht. Die Zahl der eingewanderten Juden kommt im Vergleich jedoch nur auf 10 Prozent der hier lebenden Türken.

Mutlose Politik

Seit der Fall einer Friedenauer Schule, in der ein jüdischer Junge von türkischen und arabischen Mitschüler drangsaliert wurde, an die Öffentlichkeit gelangte, brach die Mauer des Schweigens. Man konnte den anwachsenden Antisemitismus nicht mehr herunterspielen. Gerade veröffentlichte der RBB eine Umfrage unter Berliner Lehrern. Ergebnis: Antisemitismus und Salafismus unter Schülern mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund gehören zum Schulalltag. Obwohl auch der links-rechte Antisemitismus infolge der globalen Krise an Virulenz gewonnen hat, scheint der islamische Judenhass dabei eine Trigger-Rolle zu spielen. Muslimen, die sich gerne als Opfer und als „Juden von heute“ gerieren, wird vom linksliberalen Mainstream moralisch zugestanden, auf ihre angebliche Diskriminierung mit Antisemitismus zu reagieren.

Dabei ist er gewalttätiger als die links-rechten Ressentiments und wird von der faktischen Hilflosigkeit staatlicher Institutionen und der Mutlosigkeit der Politik zusätzlich angeheizt. Die Kluft zwischen dem institutionellen Umgang mit Antisemitismus und dessen Realität lässt sich an der Verhaftung des betagten Holocaustleugners Horst Mahler vor Augen führen. Während der Rechtsstaat die Würde der Toten zu verteidigen weiß, sehen sich die hier und heute lebenden Juden dem realen und gewalttätigen Antisemitismus ausgesetzt.

Historisch haben Homosexuelle und Juden miteinander wenig zu tun, von Anfeindungen der Bevölkerungsmehrheit einmal abgesehen. Doch während das Judentum eine Volks-und Religionsminderheit ist, ist homosexuelle Orientierung ein Produkt der menschlichen Evolution und biologisch determiniert. Somit ist ein gewisser Teil der menschlichen Spezies , ungeachtet ihrer Hautfarbe, Volkszugehörigkeit und Religion, von Natur aus homosexuell. Man kann sich vom Judentum lossagen, obwohl das vor Ausrottung nicht immer schützt, von natürlicher Veranlagung für Homosexualität wohl kaum. Auch wenn das unter dem Druck der gesellschaftlichen Konventionen immer wieder versucht wurde.

Kopflose Flüchtlingspolitik gefährdet Erfolge

Allerdings begegneten sich Homosexuelle und Juden da, wo sie – ungewollt und unverschuldet - zu einer Schicksalsgemeinschaft gemacht wurden, nämlich im Konzentrationslager der Nazis. Seit dieser Zeit ist Deutschland einen langen Weg zur Anerkennung und Legalisierung der Andersartigkeit gegangen. Selbst in den wenig gebildeten Bevölkerungsschichten gilt Homosexualität nicht mehr als Krankheit oder Perversion.

Nun werden diese Fortschritte vom wachsenden Einfluss des konservativen Islam und einer kopflosen Flüchtlingspolitik infrage gestellt. Um zu differenzieren: Auch fundamentalistische Christen und Rechtsradikale sind homophob. Deren Potenzial ist in der Bundesrepublik jedoch eher bescheiden, während eine steigende Anzahl von Migranten aus Stammesgesellschaften und konservativeren Kulturen Antisemitismus und Homophobie mit sich bringt und die Früchte der Aufklärung und Toleranz bedroht. Die Vorstellung, dass die Integrationsindustrie mit Prävention, psychologischer Beratung und Bildung die archaisierende Dynamik in Griff bekommt, ist eine abermalige Projektion eigener Erfolge auf fremde Kulturen mit uns unbekannten und unverstandenen Affekten.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Schicksal der von Homosexuellen adoptierten Kinder erahnen, falls sie auf öffentliche Schulen mit hohem Migrantenanteil geschickt werden. Sie müssten sich verstellen oder wie heutige Kinder von Juden behandelt werden. Juden könnten jedoch, wie sie es bereits in Frankreich und Belgien tun, jeder Zeit nach Israel auswandern. Ein Land für Homosexuelle gibt es nicht.

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